Category: Kommentar

Die Verdachtsmachine

Die bekannten Vorwürfe gegen Algorithmen und KI, dass sie aufgrund ihrer Trainingsdaten die Einstellungen und Kategorisierungen vornehmen würden (und so rassistisch oder anders diskriminierend sein können, vgl. “Can a machine be racist?” The Conversation 6.3.2023), die auch die sie umgebende Gesellschaft hat und lebt, werden in den Artikeln und Berichten zu dem Thema immer wieder erzählt. Das ist, wenn man sich viel damit beschäftigt, etwas langweilig, aber nie unbedeutend.

Wired hat eine sehr schönen Zugang dazu gefunden, neben einer ästhetisch charmanten Webseite. Der Bericht Inside the Suspicion Machine betrachtet die Kategorisierungen unter dem Aspekt des Verdachts – einem Aspekt sozialem Phänomen, das viel zu wenig thematisiert wird. Wir sprechen immer von den Werbewirkungen, die Kategorisierungen und anhängenden Diskriminierungen, aber selten vom Verdacht. Ich finde zu Unrecht, denn die Figur des Verdachts kann die Argumente nochmal anders einordnen und bewusst machen, worum es bei den Kategorien auch gehen kann und welche Vorstellungen und hierarchischen Vorstellungen möglicherweise hinter KI steht – die alles andere als neutral ist, sondern ja gerade ein Symbol und eine Projektionsfläche für Utopien und Wünsche (auch krude) ist.

Inside the Suspicion Machine. Obscure government algorithms are making life-changing decisions about millions of people around the world. Here, for the first time, we reveal how one of these systems works. Wired, 6.3.2023

Digitaler Konsum, reale Ausbeutung

Dass Lieferdienste aus arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten und gewerkschaftlicher Perspektive nicht ideal sind, ist bekannt. Dass sie App-gesteuert auch Teil der Plattformen und somit eines digitalen Kapitalismus oder Überwachungskapitalismus sind, nicht neu. Sowohl hier in Deutschland als auch in anderen Ländern wird gestreikt, gestritten und berichtet, z.B. Deutschlandfunk, 22.4.2022: Gorillas, Lieferando und Co.Neue Arbeitswelt, altes Arbeitsrecht.

Die Washington Post hat bereits im Mai 2023 einen Bericht gebracht, in dem die Journalisten geschaut haben, was wo bei wem und wieviel hängen bleibt in der Kapitalkette: We ordered over $100 of delivery. Here’s how much the restaurants, drivers and apps made.

Nicht erstaunlich, bleibt am Ende dieser Subunternehmer-Kaskade nicht viel übrig. Am Ende erhalten die Plattformen Geld für fast nichts, während Restaurants sowie die Rider und andere Kuriere hart für wenig arbeiten müssen. Zusätzlich werden sie überwacht – auch das Teil der Strategie, genauso wie das Abgreifen der Kundendaten über die Apps.

Wie Lieferdienste als Wirtschaftsfeld funktionieren, lässt sich in einer Folge von Ist das eine Blase dem Wirtschaftspodcast bei Zeit.de nachhören. Nicht viel Neues, aber mit der Beteiligung von Verantwortlichen solcher Lieferdienste hier in Deutschland.

Dem Überwachungskapitalismus trotzen

Markus Beckedahl hat bei NDR Kultur bereits Ende Januar ein kleines Essay in der Reihe Gedanken zur Zeit veröffentlicht, mit dem Titel: Wie man Elon Musk und dem Überwachungs-Kapitalismus trotzt.

Da ist für Leser:innen dieses Blogs nicht so viel überraschendes drin, aber für die Hörer von NDR Kultur wohl doch das eine oder andere. Interessant finde ich vor allem seine Bemerkung zum Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk und seiner Rolle in diesem System und für die Zukunft:

  • Auch stellt sich die Frage, ob die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Fediverse eine größere und staatsferne Rolle spielen könnten. Eine Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Mitte des 21. Jahrhunderts sollte auch darin bestehen, gemeinwohlorientierte Medieninfrastrukturen zu finanzieren und zu betreiben, die gerade nicht dem Überwachungskapitalismus unterliegen. Damit wir demokratischere Öffentlichkeiten schaffen, die anders funktionieren.

McLuhan und Überwachung

Das folgende Video ist ein Fundstück, das mir auf Twitter begegnete. Es enthält ein paar interessante Gedanken zum Thema Überwachung und Identität. Wenn man die vielleicht zeitgenössisch gefärbten und nicht von einem Anthropologenm gemachten Bemerkungen zu “tribal societies” als solche betrachtet, ist der Rest überraschend aktuell.

Man könnte “tribal” auch anders lesen, als er es gemeint zu haben scheint, nämlich also den Drang zu essentialisieren, hin zu identiärer Politik, zu Engstirnigkeit, die (eine kulturelle?) Identität als das einzig Verbindende und wichtige betrachtet. Das hat mit der Organisation von einst als “Stammesgesellschaften” benannten segmentären, akephalen Gesellschaften nichts im Sinne eines Kerns von Identität zu tun. Daher hier nicht so genau hinhören…..

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Surveillance Studies-Preis macht Pause

Interessierte haben es wahrscheinlich schon bemerkt: Es gibt noch keine Ausschreibung für den Surveillance Studies-Preis für 2023. Der einfache Grund dafür ist, das wir eine Pause machen, aber nicht aufhören werden.

Nicht zuletzt Corona hat vor allem mir, der ich für die Organisation des Preises verantwortlich bin, mehr oder weniger allein – also Auschreibung, Jury finden, Beiträge sichten und ordnen, die Jury organisieren und letztlich dann auch die entsprechende Korrespondenz führen – meine Grenzen aufgezeigt. So wie der Preis aufgestellt ist, wollte ich es nicht weitermachen. Es muss sich etwas ändern, damit er bleiben kann.

Lager – Knast – Panopticon

Bei netzpolitik.org fand sich schon Ende September ein Artikel mit dem Titel: Panopticon für Geflüchtete. Außer Titel kommt der Begriff Panopticon dann gar nicht mehr vor. Erst in den Leserbriefen wird er wieder aufgenommen. Die spärliche Verwendung ist gerechtfertigt, denn der Begriff ist kaum mehr als ein Hingucker in der Überschrift, weckt aber sofort entsprechende Assoziationen. Ist das sinnvoll, kann man sich durchaus fragen?

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von netzpolitik.org zu laden.

Inhalt laden

Krise – revisited

Vor gut 5 Monaten habe ich für die Rosa-Luxemburg-Stiftung zur damals beginnenen Corona-Krise einen längeren Text geschrieben, worin ich mich u.a. fragte, ob Aussagen über die Gesellschaft nach Corona nach ein paar Wochen schon wirklich seriös sind. Viele meine Soziologie-Kollegen überwarfen sich förmlich mit Ideen für die Zeit danach – und ich thematsierte das hier im Blog (worauf der lange Text letztlich beruhte).

Überwachung, Körper und Corona

Gedanken zu Tracing-Apps, Volksgesundheit und biologistischen Vergleichen

Es sind viele verschiedene Aspekte, die von dem berührt werden, was wir derzeit als Corona-Krise irgendwie in seiner Totalität zu fassen versuchen. Über Raum habe ich schon etwas geschrieben. Über den Körper aber findet man auch einen Zugang um die Situation oder einige Aspekte der Situation zu betrachten. Das betrifft insbesondere den Aspekt der Überwachung des Viruses, so muss man es wohl reichlich prosaisch, aber dennoch unzureichend schreiben. Denn nicht der Virus wird überwacht, sondern dessen Träger, die Menschen. Das bringt in Bezug auf die Räume bereits Probleme. Mehr noch allerdings wenn man auf die Körper schaut und eben diese als Gefahr erkennt und ebenso behandelt.

Zur Selbstbeobachtung der Gesellschaft…

Überwachung durch Selbstbeoachtung – oder umgekehrt?

Es gibt derart viele Beiträge zur gegenwärigen Situation, dass eine Auswahl oft schwerfällt. Viele sind interessant, manche regen an, über bestimmte Aspekte ein wenig weiter nachzudenken. Bei manchen habe ich das Gefühl, die könnten hier im Blog von Interesse sein. So auch dieser hier von Armin Nassehi, der gerade sehr präsent in den Medien ist.

Ein Aspekt, den er dabei sehr gern und immer wieder betont ist der von der Selbstbeobachtung der Gesellschaft – das gilt in Bezug zur Digitalität der Gesellschaft, als auch hinsichtlich Corona. Und klar hat jeder so seine Argumente und theoretischen Spielfiguren. Bei Nassehi sind es halt oft systemtheoretische. In einem Artikel in der Frankfurter Rundschau kommt dann auch mal beides zusammen.Armin Nassehi: „Es ist eine digitalisierte Selbstbeobachtung der Gesellschaft“ (FR, 24.4.2020)

Pandemie und Raum

Gedanken und Texte

Die Bilder unten zeigen meinen lokalen Supermarkt im Kassenbereich. Auf dem Foto sieht es gar nicht so beeindruckend aus, aber vor Ort hatte ich dort, und auch in anderen Geschäften, den Eindruck, ich befinde mich im Sicherheitsbereich eines Flughafens. Es mag am Material gelegen haben, oder an der ungewohnten Gesamtoptik – klar ist aber, dass die Corona-Pandemie, oder genauer die verfügten Maßnahmen und was wir daraus machen, Raum und die Nutzung sowie die Gestaltung des Raums verändern. Ob nachhaltig bleibt abzuwarten (siehe auch den Text zu den Einkaufsorten hier).