Category: Kommentar

Surveillance 2.0 – Zwischen Kontrolle und Komfort

Ich hatte ja in den vergangenen Wochen schon öfter von der Tübinger Tagung berichtet und von dem Filmfestival Tübinale, u.a. anderem findet ihr die Filme in einigen der vergangenen Posts.

Nun gibt es einen Bericht von der Tagung von den Studierenden selbst. Und daher bin ich der Bitte der Organisatoren sehr gern nachgekommen, diesen hier auf den Seiten zu veröffentliche.

Künstliche Intelligenz als mythische Erzählung

Ich ahnte ja schon so etwas und würde nach dem Genuss des Buches “Am Anfang war die information. Digitalisierung als Religion” von Robert Feustel (2019 und sehr empfehlenswert!!) auch sagen, dass es eine Kultur der KI gibt, sie also eingebettet ist in Hoffnungen, Wünsche und Projektionen, wie so viele Technologien vor ihr. Die heilsbringerischen Erwartungen, zumal oft mit wirtschaftlichen Träumen auf das “nächste dicke Ding” verbunden, lassen mich vorsichtig sein. Eine alleinige ethische Bewertung, wie sie landauf, landab in Projekten und Kommissionen gefordert und geleistet wird, kann nicht genug sein, auch weil damit lediglich der Gebrauch reguliert, nicht aber darüber nachgedacht wird, worum es sich eigentlich handelt. Das Gerede von der KI allein reicht dann schon aus, um alles Denken auszuschalten – und die Fantasie spielen zu lassen.

Daher ist dieser kleine Text zur Kultur der Künstlichen Intelligenz lesenswert:

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Kritik an der Metaphorik der Überwachung

In einem sehr erhellenden Artikel, eigentlich einer Rezension dreier Bücher, kommentiert der Historiker Quinn Slobodian die Verwendung von Methaphern, wie sie zur Beschreibung gegenwäriger, gesellschaftlicher Entwicklungen benutzt werden. Allen voran nimmt er sich Shoshana Zuboffs “Age of Surveillance Capitalism” vor (siehe auch Rezension hier im Blog).

The False Promise of Enlightenment, in Boston Review, 29.5.2019.

Und ich finde, er trifft den Nagel sehr gut auf den Kopf.

Tübinale 2019 und Surveillance 2.0

Ich war gestern in Tübingen auf der Tübinale und der dazugehörigen Tagung “Surveillance 2.0. Zwischen Komfort und Kontrolle”. Darüber werde ich ausführlich in einem Bericht aus Panoptopia erzählen, darin dann auch ein Interview mit Dietmar Kammerer sowie den Gewinnern der Tübinale.

Ihr könnt euch hier die komplette Veranstaltung noch einmal im Original anschauen, es ist der ungeschnittene Livestream, daher lang! Ein Hauch von Hollywood oder Berlinale war auch hier zu spüren, die Motivation und der Einsatz konnte es auf jeden Fall mit den großen Vorbildern aufnehmen. Der Siegerfilm ist ab Min. 47:50 zu sehen. Mary had a little lamb.

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Alexa als totalitäre Technologie?

Adrian Lobe denkt in der NZZ darüber nach, ob Alexas Stimmenerkennung nicht zu totalitären Ergebnissen führen könnte. Lesenswerter Kommentar zu einer immer alltäglicheren Technologie.

Sprachgesteuerte Computer: An meiner Stimme merkt Alexa bald, dass ich krank bin, bevor ich selber es weiss (NZZ 10.4.2019)

Eine Gesellschaft, in der Kommunikation und letztlich auch Mitsprache nur noch biologisch vermittelt ist, ist totalitär. Womöglich müsste man sich angesichts der Ubiquität der Sprachsteuerung Gedanken über eine Verschlüsselung seiner Stimme oder eine künstliche Taubheit von Maschinen machen, um seine Identität und Souveränität zu wahren. Wenn künftig Maschinen unser innerstes Seelenleben offenlegen und den binären Code Sagen/Nichtsagen zu einer Aussagepflicht umcodieren, dann droht das Kommunikationssystem einzustürzen. Und die freie Gesellschaft, die darauf aufbaut, auch.

Ungeklärt oder wenig beschrieben sind nach wie vor die individuellen und gesellschaftlichen Bedürfnisse, die hinter den Wünschen stehen solche Gimmicks zu haben und zu nutzen – aber was tut man nicht alles um modern zu sein oder zu wirken.

NYT: Privacy Project

Die New York Times hat ein zum Thema Privatsphäre ein kleines journalistisches Projekt initiiert, welches sich mit den vielfältigen Dimensionen von Technik im digitalen Alltag beschäftigt. Es besteht aus einer Reihe von Beiträgen, hauptsächlich Kommentaren, die das Thema ausloten.

Companies and governments are gaining new powers to follow people across the internet and around the world, and even to peer into their genomes. The benefits of such advances have been apparent for years; the costs — in anonymity, even autonomy — are now becoming clearer. The boundaries of privacy are in dispute, and its future is in doubt. Citizens, politicians and business leaders are asking if societies are making the wisest tradeoffs. The Times is embarking on this monthslong project to explore the technology and where it’s taking us, and to convene debate about how it can best help realize human potential.

Überwachung und Klima, Forts.

Gewissermaßen als Fortsetzung des Beitrages zu Überwachung und Klimaschutz (Pol. Feuill. bei Dradio), hat Adrian Lobe jetzt eine Antwort darauf in seiner Kolumne Lobes Digitalfabrik geschrieben (Spektrum der Wissenschaft, 13.3.2019):

Mit Überwachung das Klima retten?

Und er hat ein gewichtiges Argument, dass die Lösung Digitalisierung wohlmöglich in ein anderes Licht setzt – an dem wir aber auch nicht vorbeikommen:

Big Data verbraucht selbst jede Menge Energie. Laut einem Bericht von »Climate Home News« könnte die Datenproduktion bis 2025 20 Prozent des weltweiten Strombedarfs ausmachen. Bis 2040 könnte die Kommunikations- und Informationstechnologie sogar für 14 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich sein

Die digitale Zukunft und mit ihr die Überwachungsfantasien der Smart Cities und anderer Pläne wären somit auch schädlich fürs Klima – die alleinige Lösung scheint das also nicht zu sein, wie aber dann?

Daten, Klima und Überwachung

Ein politisches Feuilleton zum Thema Notwendigkeit von Überwachung (möglicherweise) mit dem Titel: Big Data fürs Gemeinwohl Her mit der Daten-Genossenschaft! bei Deutschlandfunk Kultur (20.2.2019)

Es geht um mögliche Dilemmata zwischen Daten, Überwachung und wie diese in die Entwicklung einer nachhaltigen Zukunft mit reinspielen können.

Der automatisierte Mensch

Ich hatte ja neulich gesagt, dass ich mich frage, ob es noch wirkliches Neues in der Forschung zu Überwachung gibt – Theorien, Felder Anwendungen? Ich bin mir manchmal nicht sicher. Das Feld der Vorhersage, momentan vor allem im Hinblick auf polizeiliche Ermittlungen disktutiert, ist so ein Feld, das mir in den Sinn kommt.

Seit einiger Zeit macht die Harvard-Professorin Shoshana Zuboff mit ihrem Überwachungskapitalismus von sich reden (Eine Kritik des Buches folgt hier im März). Dabei ist vor allem ihr Gedanke zur Automatisierung des Menschen ganz interessant.

Wirklichkeitstechnologien der Kontrolle

Unter dem Titel Tech-Konzerne formatieren die Wirklichkeit (19.12.2018, SZ Online) hat der von mir sehr geschätzte Journalist Adrian Lobe sich Gedanken zur Entwicklung der Zukunft unter den Bedingungen digitalter Technologien gemacht, vor allem wenn diese durch quasi monopolhafte Unternehmen vertreten bzw in unsere Welt gebracht (und entsprechend kontrolliert) werden.

Eine seiner Thesen dabei ist, dass

während Maschinen immer mehr wie Menschen reden, [kommuniziert] der Mensch zunehmend in Maschinencode kommuninziert.

Zu den ohnehin schon guten Gedanken, noch ein paar weitere von mir, inspriert durch den Artikel.

Zum Tod von Horst Herold

Heribert Prantl hat in der Süddeutschen Zeitung einen Nachruf auf Horst Herold geschrieben, den Erfinder der Rasterfahndung. Unter dem Titel Staatsdiener und Staatsdenker würdigt Prantl einen Mann, der zum Feind aller Linken wurde, auch und gerade weil er den Computer in die Polizeiarbeit brachte und Ideen hatte, die erst heute tatsächlich Gestalt annehmen.

Dass Prantl den Artikel schreibt, macht ihn umso lesenswerter. Man muss Herold und seine Ideen nicht mögen, aber es scheint, als wenn dort ein Mann weiter schauen konnte, auch kritisch, als viele Polizeibürokraten heute in der Lage wären.

Dazu passend sei hier auch auf das wunderbare Buch von David Gugerli hingewiesen: Suchmachinen. Die Welt als Datenbank, (2009) in dem auch Horst Herold ein Kapitel bekommen hat.