Category: Forschung/Theorie

Bilder der Ãœberwachung

Vorschau: Das Buch Bilder der Überwachung von Dietmar Kammerer erscheint in der nächsten Woche bei der Edition Suhrkamp. Es lohnt sich, glaube ich, da einmal reinzuschauen. Aus dem Klappentext:

Diese kulturwissenschaftliche Studie über Videoüberwachung und ihre medialen Repräsentationen führt von 1667, als der »Sonnenkönig« Louis XIV. die Straßenbeleuchtung zentralisieren ließ, bis in die Gegenwart, in der gesichtserkennende Systeme Täter aus der Menge fischen sollen, Bürgerrechtler zur Überwachung der Überwacher aufrufen und Passanten vor echten Videokameras falsches Theater spielen.

Forschung zu Sicherheit in Europa

Sicherheitsforschung und Surveillance Studies gehen bislang ein wenig aneinander vorbei. Es ist daher von Interesse auch einmal auf die Forschungsprojekte zu schauen, die sich vor allem auf das  Thema Sicherheit konzentrieren. Die Überschneidungspunkte sind da und gar nicht ungewöhnlich. Ein großes Forschungsprojekt, finanziert mit Mitteln des 6. Rahmenprogramms der EU ist das  Challenge Liberty & Security-Projekt, welches auf ein Konsortium von über 50 Forschern aus ganz Europa gestützt ist. Ein Blick auf die Webseite lohnt sich. Dort gibt es reichlich Aufsätze, Dossiers und anderes Material, welches die Diskussion beflügeln könnte.

Blick über den Tellerrand

Es ist immer gut einen Blick über den Tellerrand zu werfen. Das EDRI-gram bietet auf europäischer Ebene einen Überblick, was in Sachen Datenschutz und Überwachung so bei unseren Nachbarn los ist. Das gibt es auch einen Bericht zur erfolgreichen Abwehr einer Datensammelmaßnahme der franzöischen Regierung (bei unwatched.org auch auf Deutsch).

Und wo ich gerade bei unseren Nachbarn bin. Hier ein Bericht zu Kameras in Schweizer Fußball- und Eishockeystadien. Einige der Maßnahmen lesen sich wie eine Anleitung zum verordneten Jubeln – wenn es nicht so grotesk wäre, könnte man sogar darüber lachen. Wahrscheinlich sollte man es einfach und hoffen, dass Proteste weiterhin etwas bewirken, so wie ein mögliches Referendum gegen die Einführung von biometrischen Pässen in der Schweiz.

Im Hinblick auf die Fussball-Europameisterschaft 2008 und die Eishockey-Weltmeisterschaft 2009 in der Schweiz verabschiedet der Bund das sogenannte Hooligangesetz, mit dem mutmassliche Hooligans präventiv verhaftet und ihre Daten in einer zentralen Datenbank gespeichert werden können. 2006 verlangt der Schweizer Fussballverband für Gästefans einen obligatorischen Fanpass (mit Foto und Personalien) – nach Protesten und Boykottaktionen muss der Verband das Projekt zurückziehen. 2007 will die Sicherheitskommission der Swiss Football League (SFL) ein Bewilligungsformular einführen, mit dem Choreografien in Stadien vorgängig angemeldet werden müssen – das Vorhaben erweist sich als Rohrkrepierer. Im Frühjahr 2008, kurz vor der EM, brüllen dieselben Leute, die schon lautstark die Hooligandatenbank gefordert haben: «Schnellgerichte!» Nur so könnten Ausschreitungen künftig verhindert werden.

Projekt zu Konsum und Kundenkarten

Es besteht zwar schon 5 Monate, aber nun hat es auch eine kleine, einfache Webseite – das DFG-Forschungsprojekt Konsum(kontroll)technologien am Institut für Volkskunde/Kulturanthropologie, an der Uni Hamburg. Wir befinden uns gerade in der Interviewphase, daher gibt es noch nicht allzu viele Infos, Aufsätze etc – aber es wird wachsen. Es geht ja auch noch bis 2010…

Privatsphäre in Social Networks

Eine interessante Studie des Fraunhofer-Instituts für Sichere Informationstechnologie ist erschienen: Privatsphärenschutz in Soziale-Netzwerke-Plattformen. Das Fazit aus der Sicht der Userinnen und User: ernüchternd. Ein Beispiel: Teilweise waren Daten wohl auch dann von außen einsehbar, obwohl dies so nicht von den Plattformbetreibern vorgesehen war. Der Ratgeber führt zahlreiche passende, aber auch manchmal nicht mehr ganz so neue Tipps auf. Trotzdem ist die Studie auf jeden Fall einen Download wert.

Video: Taking Liberties

Ein Video bei Google, offensichtlich in Zusammenhang mit einem Buch erschienen, welches die Situtation in Großbritannien hinsichtlich der Bürgerrechte und ihres Abbaus unter Labour zum Thema hat. Die Beschreibung zum Film:

TAKING LIBERTIES is a shocking but hilarious polemic documentary that charts the destruction of all your Basic Liberties under 10 Years of New Labour. Released to coincide with Tony Blair’s departure, the film and the book follow the stories of normal people who’s lives have been turned upside down by injustice – from being arrested for holding a placard outside parliament to being tortured in Guantanamo Bay.

Eine ID-Nummer für Wissenschaftler

Endlich mal auch etwas, was uns Forscher und Wissenschaftler so direkt angeht: eine eindeutige ID für unsere Person und die damit verbundenen Daten, die wichtig zur Bewertung unserer Arbeiten sind. BIsher gilt das für die Niederlande, aber das heißt nicht, dass nicht auch hierzulande so eine Idee auf fruchtbaren Boden fallen könnte.

Und natürlich ist das so neu nicht. Die DFG vergibt auch eine ID für alle Wissenschaftler, die dort Gelder beantragen. Diese gilt aber dann nur innerhalb der DFG und nicht auch noch zur Erfassung aller Publikationen und sonstigen Aktivitäten. Also abwarten und genau hinschauen, ob nicht so etwas auch hier bei uns vorgeschlagen werden soll.

Google verkürzt die Haltedauer von IP-Daten

Statt 18 bis 24 Monaten gibts nun nur noch neun: Google verkürzt die Haltedauer der IPs bei Suchanfragen auf neun Monate. Dies ist nicht nur deshalb interessant, weil Google freilich selber Zugriff auf die Daten hat, sondern weil sie auch Unternehmen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten in die Finger fallen können:

In yesterday’s announcement, Google acknowledged that “privacy leaders also highlighted the risks of litigants using court-ordered discovery to gain access to logs, as in the recent Viacom suit.”

Die Verkürzung der Speicherfrist ist somit ein wichtiger Schritt in Richtung einer ausgewogenen Balance zwischen Nutzer- und Firmeninteressen.

Cilip: “Die neue Sicherheitsarchitektur”

Das neueste Heft von Cilip (Heft 90, 2/2008) hat das Thema: “Neue Sicherheitsarchitektur: Das Netz im Innern” u.a. mit einem Beitrag zur geplanten Novelle des BKA-Gesetzes.
Weitere Infos und Abstracts der Artikel findet ihr bei cilip.de.

Zu bestellen ist das Heft unter der Adresse: vertrieb@cilip.de

Soso…

“Was die Chinesen können, sollten wir auch können. Da bin ich gern obrigkeitsstaatlich.”

Na, wer hat´s gesagt? Richtig: Hans-Peter Uhl von der CSU. Der Hintergrund: Die Provider sollen Hilfssheriff spielen und Kinderpornos “aus dem Netz” nehmen. Vielleicht sollte sich der Herr Uhl mal die Erlebnisse von Rebecca MacKinnon durchlesen und die Sache mit den Chinesen und ihrem Können nochmal überdenken…

Zimbardo und das Böse im Menschen

Es ist nicht der allerneuste Tipp, sondern schon ein paar Wochen alt, aber immer noch gut genug um darauf hinzuweisen. Phillip Zimbardos neues Buch “Der Luzifer-Effekt”. Zimbardo war der Psychologie mit dem Gefängnis-Experiment in Standford (verfilmt mit Moritz Bleibtreu vor ein paar Jahren), welches abgebrochen werden musste, nachdem die “Wärter” ihre Rolle überinterpretiert hatten.

In einem Interview in der FR steht der Autor selbst Rede und Antwort – recht interessant wie ich finde: “Wir sind alle verführbar” (9.8.2008) und in der Jungen Welt (13.8.2008) ist eine lange Rezension des Buches aufgehängt am Thema Gefängnis und Folter (Abu Gureib) insgesamt. Es ist zwar ein spezielles Thema von Ãœberwachung und Kontrolle, aber dennoch zentral und zur Abwechslung mal abseits von Kameras und Datenschutz.

Neue Verkerhssysteme gegen Stau

Auf NDR Info lief in deren Wissenschaftsmagazin Logo ein interessanter Bericht (29.8.2008) über ein neues Verkehrsüberwachungssystem, mit dem Staus vermieden werden sollen. Dazu allerdings muss dass System viele Fahrzeuge kontrollieren bzw. deren Aufenthaltsort kennen, um über GPS die ausgewerteten Daten die von Stau bedrohten Autos zu warnen.

Die Sendung ist als Podcast hörbar. (ca. bei 24 Min.)

Das System heißt Coopers, “Co-operative Systems for Intelligent Road Safety”.

“Zielgerichtete, individuell angepasste und automatisierte Kommunikation zwischen Fahrzeugen und der Straße werden den Verkehr in naher Zukunft sicherer machen”, sagt Alexander Frötscher von der österreichischen Organisation AustriaTech und Coopers-Projektleiter, der ein 120-köpfiges europäisches Expertenteam um sich geschart hat. Eine der Hauptaufgaben des Systems ist das Sammeln von Verkehrsdaten. “Hierbei stützt sich das System einerseits auf bereits vorhandene Daten wie beispielsweise Informationen aus Verkehrsleitzentralen, andererseits sollen neue Möglichkeiten zur Datensammlung umgesetzt werden”. (aus. Computerwoche)

Ist die Sicherheit des Verkehrs (eine löbliche Angelegenheit) hier das Einfallstor für noch mehr Überwachung, denn Bewegungsprofile sind hiermit durchaus möglich. Beteiligt ist auch ein Frauenhofer Institut.