Category: Forschung/Theorie

Spionage-Ausstellung in London und die Kritik

Das Science Museum in London präsentiert eine Ausstellung rund um das Thema Spionage – einen passenderen Ort hätte man kaum finden können! Es ist vor allem eine Ausstellung für Kinder mit vielen Aktionen zum Mitmachen.

HQ-small.jpg

Nun ist London nicht nur die Heimat des besten und elegantesten Geheimagenten der Welt – sondern auch die Stadt, in der die tägliche Spionage am Bürger zu ungeahnten Höhen getrieben wurde. Das britische Spyblog macht darauf angesichts einer Rede der Chefin von MI5 zur Eröffnung der Ausstellung aufmerksam. Sicher ist so eine Ausstellung für alle Kinder eine Riesenshow – aber die angemahnte ausgeglichene Darstellung wäre für Eltern als auch für viele Kinder interessant und nicht nur Fehl am Platze. Die Ausstellung läuft noch bis zum September – genug Zeit, mir selbst ein Bild zu machen.

Simulation und Kontrolle: Hamburg in 3D

“Schaut auf diese ideale Stadt” titelt die taz am 31.1. und meint die neue 3D Ansicht von Hamburg, die in Kürze im Internet zu sehen und zu gestalten sein wird. Wer dort, was machen kann ist dabei noch nicht raus – wohl aber sicher dürfte sein, dass es eine schöne und saubere Stadt sein wird – eben ein Idealbild, welches Investoren anlocken soll. Der Schmutz darf dann nicht mehr stattfinden. Die Autorin fragt sich zurecht was passiert wenn die Wirklichkeit in die Simulation einbrechen wird:

Aufsatz: Überwachung und Konsum

Richard Rogers (Autor von Preferred Placement) und Sabine Niederer haben mit Consumer Technology after Surveillance Theory einen interessanten Artikel zu Konsum und Überwachung jenseits der Überwachung in Foucaults Panoptikon geschrieben. Sie versuchen zu klären inwieweit das Modell des Gefängnisses noch hinreichend beschreibt, was Konsumenten jeden Tag erleben und welche Konsequenzen die bereitwillige Abgabe von Daten für Annehmlichkeiten hat. Die einst überwachten Subjekte besitzen jetzt vielfach die Artefakte der Überwachung selbst, Kontrolle über Konsum: die Annehmlichkeiten steigen, je transparenter wir werden, jede Weigerung macht suspekt, Nachteile die Folge. Roger und Niederer zeigen Wege zu einer Theorie nach Foucault auf und illustrieren am Beispiel von Konsum die Dynamik und unser Verhängnis.

According to surveillance theory after Foucault, consumers are enticed into participating in being watched in exchange for product, as Poster and Elmer write.

Everyday people, the under-surveilled progs in Orwell’s terms, or the data-challenged queued up in airports in Deleuzian language, are increasingly the subjects of surveillance. The question remains whether the unruly consumer-prisoner, consumer-soldier, consumer-patient, consumer-worker and consumer-student are using products without surveillance built in. Which consumer technology is still available without it? (Consider buying professional grade technology, and set mode to manual.)

Eine Diskussion darüber lohnt sich auf jeden Fall – auch um vom Panoptikon ein wenig Abstand zu gewinnen und neue Ansätze bekannt zu machen – zumindest hierzulande geschieht das noch zu wenig. Ein weiterer Kommentar bietet noch ein paar Gedanken….

Überwachungs-Special bei der Zeit Online

In der aktuellen Ausgabe der Zeit findet sich ein Dossier zum “Überwachungsstaat Großbritannien”. Wer es noch nicht wusste, der weiß es jetzt: Die Briten, allen voran der scheidende Premier Tony Blair, finden das ganz klasse. Die Einschätzung, dass sich

das Mutterland der Demokratie sich zum rabiatesten Überwachungsstaat der westlichen Welt verwandelt”

ist nicht neu – spätestens seit dem Bericht des Surveillance Studies Network im letzten November. Eine Sammlung von Artikeln aus der Zeit zu Datenschutz und Terrorbekämpfung steht ebenfalls online, in denen es vor allem um Überwachung geht. Die Themengliederung ist zwar etwas unglücklich – Überwachung ist mehr als Terrorbekämpfung und auch die Presse sollte das inzwischen mitbekommen haben – es verkauft sich vielleicht besser, naja gut… eine kurze Rezension des Artikels folgt, wenn ich damit ganz durch bin und mir ein paar mehr Gedanken gemacht habe.

Dokumentation: Every step you take…

Der Österreicher Nino Leitner hat sich in Großbritannien umgeschaut und einen Dokumentarfilm mit Interviews zur Situation auf der Insel gemacht. Polizisten, CCTV Operateure, Forscher – u.a. Clive Norris, und Experten kommen zu Wort. Der Trailer verspricht einen exzellenten Film in Form und Inhalt, der vor allem die Komplexität des Themas berücksichtigen zu scheint. Genaueres kann ich sagen, wenn ich den ganzen Film gesehen habe.

“Every step you take”
von Nino Leitner
gse_multipart46644.jpg gse_multipart46678.jpg

ps. in diesem Fall sind die Kameras und Monitore zur Illustration mal in Ordnung – es geht ja auch genau darum…

Call for Papers: Kriminal-Geographie

Für das nächste Jahr ist an der Uni Potsdam eine Tagung zum Thema:
“Kriminalität und Raum – Das Projekt einer ‚kritischen Kriminalgeographie’” geplant.

Termin ist der 14./15. September 2007.
Vortragsangebote sind bis zum 28. Februar 2007 einzureichen (Organisator: Bernd Belina)

Sowohl Raum/Räumlichkeit als auch Kriminalität/Kriminalisierung sind Ergebnisse sozialer Konstruktionen/Produktionen. Weder ist Raum rein physikalisch als Container zu verstehen, noch ist Kriminalität oder Abweichung etwas ontisches. Die seit einigen Jahren auch hierzulande wieder boomende Mainstream-Kriminalgeographie hingegen ist sowohl ätiologisch orientiert als auch einem Containerraumverständnis verhaftet; dabei interessiert sie sich vor allem für die Bedeutung von Raum bzw. für die spezifischen Merkmale von Räumlichkeiten für die Chancen der Begehung kriminalisierbarer Handlungen und in jüngerer Zeit verstärkt auch für Sicherheitsempfindungen/Kriminalitätsfurcht in öffentlichen Räumen.

Ich denke, dass ist auch für die Überwachungsforscher und aus Sicht der Suveillance Studies durchaus von Interesse.

Vortrag: Videoüberwachung und Gesellschaft

In der Vortrags- und Diskussionsreihe “Umwelt Entwicklung Frieden” an der Universität Osnabrück findet am 17. Januar eine Veranstaltung zum Thema Videoüberwachung statt.

Dr. Gisbert van Elsbergen
“Wieviel Videoüberwachung verträgt unsere Gesellschaft?

Ort: Hörsaal der Geographie
Seminarstraße 19 A | Geb.02, Raum E 04
Tag: Mittwoch | 17. 1. | 18.15 Uhr

Nachtrag: Chips und die Kontrolle des Menschen

Hier noch drei Hinweise zu dem Kommentar von Kevin Haggerty im Toronto Star:

Spiegel Online: Satelliten sollen Sexverbrecher verfolgen
Telepolis: Kampfroboter zum Schutz von Grenzen, Flughäfen oder Pipelines

Und ein Buch-Tipp, der mich als Kommentar zu dem Thema erreichte: TESTAMENT VOL. 1: AKEDAH Written by Douglas Rushkoff

Und natürlich kann man auch im neuesten James Bond sehen, wie das mit dem Chip so funktioniert.. auch hier kann man Haggerty folgen, dass eine Gewöhnung an die neue Technologie, in diesem Fall über die Sympathisierung mit dem guten Agenten, erfolgt. Es ist doch ganz normal und toll…

In nur einer Generation….

werden wir oder unsere Kinder es nicht bemerkenswert finden, wenn wir in unserem Körper Microchips tragen, die alle unsere Bewegungen oder Aktivitäten aufzeichnen, speichern bzw. an weitere Datenbanken weitergeben. Kevin Haggerty, Soziologie an der Universität von Alberta beschreibt die Entwicklung und ihre Konsequenzen in der kanadischen Tageszeitung “Toronto Star”. Seine Einschätzung:

Other users include the patrons of the Baja Beach Club in Barcelona, many of whom have paid about $150 (U.S.) for the privilege of being implanted with an identifying chip that allows them to bypass lengthy club queues and purchase drinks by being scanned. These individuals are the advance guard of an effort to expand the technology as widely as possible.

From this point forward, microchips will become progressively smaller, less invasive, and easier to deploy. Thus, any realistic barrier to the wholesale “chipping” of Western citizens is not technological but cultural. It relies upon the visceral reaction against the prospect of being personally marked as one component in a massive human inventory. (A generationi is all they need)

Die gegenwärtig immer wieder (und dreister) geäußerten Forderungen der Sicherheitsunternehmen bezüglich der (ihrer Ansicht nach mangelnden Sicherheitsmaßnahmen gegen den Terror) sind nur die Vorboten, von dem was uns in Zukunft noch erwartet. Je schwächer der Staat bzw. je mehr versessen sein Politiker auf Technologien zum angeblichen Schutz vor Terror (und Kriminialität) sind, desto mehr wird die Industrie  ihre Forderungen druchsetzen und ihre Technologien verkaufen können. Welche Konsequenzen diese Verschiebung der Sicherheit von Staat zu privat hat, werden wir noch nicht abschätzen können. Das es besser wird, ist nicht anzunehmen, auch nicht, dass wir tatsächlich sicherer werden.