Category: Kommentar

Vorratsdatenspeicherung – jetzt beschlossen…

Es gibt wohl niemanden, den die Abstimmung groß verwundert hat. Trotz aller Argumente und Proteste, hat der politische Wille, nicht die Argumente, gesiegt. Auf DeutschlandRadio Kultur verteidigte Ministerin Zypries ihr Gesetz (mehr Infos bei dradio.de) Alle Einwände haben nichts genützt – offenbar auch nicht die gültigen Rechtssprechungen des Verfassungsgerichtes – sonst würde sie nicht wie folgt argumentieren:

Schütte (dradio): Die Daten werden ohnehin gespeichert, aber nun können Ermittlungsbehörden darauf zugreifen. Ist das nicht doch eine neue Qualität?

Zypries: Nein! Das ist keine neue Qualität, weil das natürlich geltende Rechtslage ist. Auf die Daten, auf die man zugreifen kann, können Ermittlungsbehörden das heute schon. Voraussetzung: Sie haben den Verdacht einer schweren Straftat und ein Richter hat entschieden, dass diese Daten herauszugeben sind von dem Telekommunikationsunternehmen. Das ist heute geltende Rechtslage, und das bleibt.

Es gibt aber eine Rechtssprechung, die genau das Gegenteil von dem aussagt, was hier in dem neuen Gesetz jetzt ermöglicht wird und auch im Falle der privaten Speicherung durch die Unternehmen, den Staat als Handelnden miteinschließt (finde ich im Moment nicht, suche ich aber raus).

Heribert Prantl hat bereits vor dem Beschluss in einem Kommentar sehr passend geschrieben:

Bisher konnte der Staat nur auf die Daten zugreifen, die bei den Telekommunikationsanbietern ohnehin vorhanden waren. Künftig muss jeder Bürger und jeder potentielle Informant damit rechnen, dass sein Kommunikationsverhalten allein zu staatlichen Zwecken dokumentiert wird. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) verweist darauf, dass es zum Zugriff auf die Daten eines richterlichen Beschlusses bedürfe; Geheimdienste brauchen freilich einen solchen Beschluss nicht.

Prantl hält dieses Gesetz für eine große Gefahr, vor allem, aber nicht nur für die Pressefreiheit. Jetzt gilt es wohl abzuwarten, wie das Verfassunggericht über die demnächst eingehende Klage dagegen abstimmen wird. Der Streit ist also noch nicht vorbei – bleibt zu hoffen, das in Zukunft andere, als simple politische Argumente wieder mehr Gehör finden werden.

siehe auch den Kommentar bei Zeit.de – Ãœberwachung statt Freiheit

Fernüberwachung mit Drohnen und Robotern

Wie bei telepolis nachzulesen ist, testet die französische Regierung Flug-Drohnen zur Überwachung der Banlieues. (siehe auch einen Bericht zu den franz. Vorstädten im Weltspiegel)

…. das bedeutet aber nicht, dass etwa der Sicherheitsapparat die damaligen Ereignisse “vergessen” oder ad acta gelegt hätte. Er bereitet sich im Gegensatz geradezu fieberhaft darauf vor, für die Zukunft neue, technische Lösungen für eventuelle Krisen in den ausgedehnten Sozialghettos zur Verfügung zu stellen. (……. ) bereitet man sich offenkundig darauf vor, sie mit militärisch-technologischen Mitteln besser zu beherrschen. Und idealerweise aus der Ferne zu überwachen. (…… ) “Der Star” in diesem Zusammenhang heißt ELSA. Der vermeintliche Frauenname ist die Abkürzung für “Engin léger pour la surveillance aérienne”, also “Leichtes Gerät für die Luftüberwachung”. Es handelt sich bei diesen Apparaten um so genannte Drohnen, also kleine unbemannte Flugzeuge.

In diesem Zusammenhang ist auch der DARPA Wettbewerb “Urban Challenge” zu selbst fahrenden Fahrzeugen interessant, der gerade in den USA stattgefunden hat – Artikel bei Zeit Online – ein kurzes Video bei ARD.de/Weltspiegel. Bei aller technischen Faszination für die Disziplin der Robotik, sollte nicht vergessen werden – auch von den Forschern nicht – wer den Preis auslobt und zu welchen Zwecken diese Vehikel eingesetzt werden sollen: Es geht um Krieg und die Rüstungsindustrie – DARPA ist die Forschungsstelle des Verteidigungsministeriums in den USA, welches unter anderem auch das Internet in seiner Urform ausgetüftelt hat…
Mit solchen technischen Lösungen wäre nicht nur die Fernüberwachung garantiert – das wäre nicht neu – aber gleichzeitig auch eine direkte und für die kontrollierende Seite “ungefährliche” Eingriffsmöglichkeit geschaffen. In einem Krieg noch halbwegs nachvollziehbar – die Anwendung in den sozialen Brennpunkten rund um die Welt, wäre in der Tat eine neue Dimension von Sozialpolitik, Ãœberwachung und urbaner Planung.

Prantl rezensiert Schaar

Bei DeutschlandRadio Kultur rezensiert Heribert Prantl das neue Buch von Peter Schaar. Lesenswert – die Rezension wie wohl auch das Buch. Allerdings ist Prantl ganz begeistert von der Frosch-Metapher, die auch Schaar benutzt – das heiße Wasser und der Frosch. usw…  Leider ist das Bild falsch und der Frosch verhält sich wohl nicht so.

Was Peter Schaar allerdings ausdrücken will, ist durchaus richtig. Wir werden schleichend mit einer Vielzahl an Maßnahmen an Ãœberwachung und Datenkontrolle gewöhnt, so dass eine Gegenwehr zunächst nicht als nötig erscheint, wir aber an der Gesamtheit der Maßnahmen irgendwann als Gesellschaft ersticken werden. Ãœberwachung ist aber, das sollte dazu gesagt werden, nicht nur auf Daten zu beziehen, sondern wesentlich weitergefasst – der Blick auf Datenschutz allein reicht nicht für eine Analyse. Vielmehr geht es auch um die dahinterstehenden Gesellschaftsbilder, die Mechanismen und Kategorien der Ausgrenzung über die unsere Gesellschaften zunehmend ausgehöhlt werden und Widerstand und die aktive Gestaltung eines Gemeinwesens immer schwieriger werden.

Immerhin hat der Widerstand gegen die Datensammelwut wieder zugenommen und die Aufmerksamkeit sich auch in der Breite leicht erhöht. Das ist doch schon einmal etwas.

Deutschland = Ãœberwachungsstaat?

Peter Schaars neues Buch “Das Ende der Privatssphäre” erzählt eigentlich nicht viel neues und gehört bestimmt nicht zu den innovativsten Büchern, er aber zu den publikumswirksamsten Autoren, immerhin ist er Deutschlands oberster Datenschützer. Nun war er gestern in Berlin unterwegs um das Buch vorzustellen und das in einer Diskussion mit Wolfgang Schäuble – was eine Show!

Die Süddeutsche hat bereits gestern (print) das Buch zusammen mit dem von Wolfgang Sofsky rezensiert und der Autor Johan Schloemann findet die Angst vor dem drohenden Ãœberwachungsstaat eine typisch deutsche Sache – dabei irrt er allerdings so manches Mal und argumentiert äußerst billig

Schaar möchte “das Bankgeheimnis – wie in unseren südlichen Nachbarländern – unter gesetzlichen Schutz stellen”. Das heißt: Der Bundesbeauftragte fordert den Schutz von Verbrecherkonten nach bewährtem Schweizer Modell.

…. bringt allerdings auch eine Kritik an, die zumindest diskussionwürdig ist:

Zwei anklagende Bücher über Staat und Ãœberwachung; beide haben überwiegend “den Staat” und nicht die datensammelnde Privatwirtschaft im Blick; und beide schaffen es, auf keiner einzigen Seite, mit keinem einzigen Wort in Erwägung zu ziehen, dass “der Staat” und die Bürger vielleicht auch irgendetwas miteinander gemeinsam haben könnten.

Diese Kritik ist nichts neues – nur im Moment gebärdet sich der Staat halt am lautesten und vermeintlich am vehementesten als Ãœberwachungsakteur – die Privatwirtschaft hält sich im Hintergrund und agiert vereinzelt als Stichwortgeber, wie z.B. der Bitkom, wenn er vor Terror warnt und mehr Videoüberwachung fordert.

Leider verengt sich die Diskussion über Ãœberwachung und Kontrolle in Deutschland, wie hier mal wieder deutlich wird, auf die Themen Datenschutz und Privatsphäre, dabei gäbe es so viel mehr Ansätze, die aber in der breiten Politik und auch in den Medien nur selten vorkommen….

Neues von der Videoüberwachung

Videoüberwachung ist ein wenig aus dem Focus geraten, seit es nicht mehr das Lieblingsspielzeug der Innenpolitiker ist – es gibt so viel schönerer Dinge… oder hat es damit zu tun, dass die Bürger sich quasi schon daran gewöhnt haben und auch britische Zustände hierzulande einfach akzeptieren würden?

Der Tagessspiegel fasst diese Tendenz hübsch zusammen in dem Artikel “der kamerataugliche Bürger“. Das aus dem Artikel auch hervorgehen könnte, dass Videoüberwachung raum-, zeit- und situationsgebunden ist, damit ihr eine Wirkung zugeschrieben werden kann, wissen die Leute, die sich damit beschäftigen, aber sonst wohl niemand. Da heißt es plump in den Umfragen: Sind sie für Videoüberwachung? Wird damit auch impliziert: wer dagegen ist, ist für Kriminalität oder, schlimmer gar, für Terror?

Eine klare Grenze bei den Parteien ist da nicht mehr auszumachen. Mal sind die Grünen dafür – mal die Liberalen dagegen – nur SPD und CDU haben eine klare Meinung, die sich auch kaum unterscheidet und allenfalls als Munition im politischen Gefecht benutzt werden. Auszumachen sind allenfalls lokale Unterschiede – was wiederum die kontextabhängige Bewertung von Kameras deutlich machen würde.

Die Erkenntnis, das Kameras nicht ausreichen, wird oft nur verschämt dann geäußert, wenn die Dinger schon hängen. Abgebaut werden sie nur in den seltensten Fällen, vom ausgegebenen Geld mal ganz abgesehen.

Ganz abgesehen von den Diskussionen, werden allerorten erst einmal Tatsachen geschaffen, ob in Berlin, Hamburg (auch in S-Bahnen) oder anderswo

Innenenator Udo Nagel denkt auch schon einen Schritt weiter – er will nämlich eine
zunehmende Vernetzung der Kameras, mit anderen Kameras und auch sonst ein eher lückenloses System der Bewegungskontrolle in Hamburg.

Man muss gar nicht gespannt sein, was noch so kommen mag, nur mit welcher Chuzpe uns das verkauft wird und wie schnell es gehen wird. Dabei ist das kein Naturgesetz und auch kein Sachzwang, sondern die momentane Möglichkeit Macht und Handlungsfähigkeit zu demonstrieren, die viel weiter reicht als nur bis zum Kriminellen – sie berührt irgendwann alle, teilt Gesellschaft zunehmend ein, in die neuen Kategorien, ordnet den Raum und kolonialisiert unser aller Leben. Abwarten, es kommen bestimmt noch mehr tolle Ideen aus der Ecke.

Jetzt wird’s richtig sicher….

Auch wenn es so aussieht als wenn klassische Polizeiarbeit und eine gute Fahndung den Erfolg möglich gemacht haben – nach dem nun drei mutmaßliche Terroristen gefasst wurden, die einen Anschlag in Deutschland planten, sind auch die letzten Hemmungen und Zweifel (dradio) bei den Sekurokraten gefallen, noch mehr präventive Maßnahmen einzuführen. Vor allem die umstrittene und äußerst komplizierte Online-Durchsuchung wird jetzt wohl kommen (zeit.de). Ãœber die Sinnhaftigkeit der Handhabung und die technischen Problem herrschen zwar nach wie vor große Bedenken, aber selbst wenn, darum geht es doch gar nicht wirklich. Es geht um die Machbarkeit von Ãœberwachung, um staatliche Stärke und denWunsch einer perfekten Prävention.

Nun werden also wieder neue Maßnahmen geprüft, eine tatsächliche Bedrohung bzw. das Potential einer Bedrohung zu einem sicherheitspolitischen Popanz aufgebaut, nur um noch mehr der Freiheiten zu opfern, die ohnehin schon reichlich ausgehöhlt worden sind. Kritik daran erscheint angesichts des jüngsten Falles unangebracht und ich warte nur auch die pauschalen Verurteilungen von Journalisten und Wissenschaftlern, Datenschützen und Bürgerrechtlern, die sich nicht mit dem Erfolgsgeheule der Innenpolitiker zufrieden geben wollen. -> DeutschlandRadio Kultur hat eine Übersicht über die hitzige Debatte zusammengestellt.
Ob ein Maßnahme, wie die Bestrafung der Teilnahme an Trainingscamps tatsächlich den Terror bekämpfen kann oder zu besserer Sicherheit führt, wage ich zu bezweifeln. Zu terroristischen Anschlägen gehört vor allem Wille. Nicht unbedingt große Waffen oder eine perfekte Organisation. Die helfen zusätzlich, aber es ist der Wille es zu tun, der eine Tat ausmacht (wie der ehemalige britische Ofiizier und Sozialwissenschftler Michael Addison (+) in “Violent Politics” so trefflich bemerkte).

Ãœber das “warum” der Täter kann auch ich nur spekulieren und lasse es daher bleiben. Das es ein Deutscher konvertierter Muslim war, der das Ganze plante, scheint nur auf den ersten Blick ungewähnlich zu sein (und diese will der Kollege Beckstein dann auch ganz besonders überwachen lassen, was dann doch schon an eine aktive Diskriminierung erinnern würde) Ãœber die Hintergründe gibt allerdings ein dazu passendes Buch Auskunft, welches erst kürzlich erschienen ist und auf das ich hier einmal hinweisen möchte:

Louise Richardson: Was Terroristen wollen. 2007 (Campus) – Rezension in der FAZ

Kontrolle der Wissenschaften

Der Fall des Berliner Stadtsoziologen Andreij H. sowie zwei weiterer Personen ist nicht neu. Jetzt hat die Zeit ein Interview mit Hartmus Häußermann und den Hintergründen der offensichtlichen Justiz-Farce. Unterstützung kann auf der Webseite freeandreij bekundet werden – dort steht auch der offene Brief der Wissenschaftler zu dem Fall. Außerdem erhebt die Anwältin des Beschuldigten schwere Vorwürfe gegen die Bundesanwaltschaft.
Nach dem fehlgeschlagenen Versuch dei Journallie einzuschüchtern, sind nun die Wissenschaftler an der Reihe – was immer an dem Fall dran ist oder wohl eher nicht – eine Unschuldsvermutung scheint unter den gegenwärtigen Sicherheitsdiskursen nicht zu gelten. Und ob Sympathiebekundungen oder einfach nur der Umstand, darauf aufmerksam zu machen, bereits für einen weiteren Verdacht reichen, wird sich in Zukunft zeigen.

Das Kritiker diverser Überwachungsmaßnahmen offen und durch die Blume von Politikern und anderen Wortführern bereits in der Vergangenheit mehrfach als Terrorsympathisanten bezeichnet wurden ist nicht neu, aber immer noch infam und obszön. Irgendwas scheint sie ja doch zu stören, auch wenn sie ansonsten die meiste wissenschaftliche Kritik eher ignorieren oder lächerlich machen. Jetzt aber wurde ein Schritt zu weit gegangen. Ich hoffe sie verlieren wie im Falle der Journalisten ebenso deutlich und der Richter macht sich schlau, welche Fremdworte so üblich sind in der Wissenschaft (Anarchie wäre wahrscheinlich auch so ein Reizwort) schaun mer mal wie der KaiserFranz sagt, wer oder was so als nächstes dem Sicherheitswahn und der paranoiden Angst der Ermittlungsbehörden zum Opfer fallen wird.

China rüstet auf

China baut das technisch avancierteste Ãœberwachungssystem auf titelt der Heise Newticker.

In der 12,4 Millionen Metropole Shenzen und Umgebung soll noch in diesem Monat damit begonnen werden, mindestens 20.000 Überwachungskameras mit Gesichts- und Verhaltenserkennung zu installieren. Automatisch sollen so Verdächtige und verdächtiges Verhalten erkannt werden. Die Polizei soll über das System auch Zugriff auf bereits vorhandene private und staatliche Überwachungskameras erhalten, von denen es um die 180.000 geben soll.

Und dazu noch ein paar Chips und Ausweise – China macht ernst und setzt letztlich nur konsequent um, was eine Diktatur so alles kann. Nimmt man noch die Diskussion um Doping und die Ãœberwachung der Journalisten und Kontrolleure können wir uns alle auf Super-Spiele im nächsten Jahr freuen.

Bürger wollen Videoüberwachung – ?!?

Die Presse aus Österreich schreibt in einem Artikel, dass eine Studie aus Hamburg zu dem Schluss gekommen ist, dass 68% der Bürger Videoüberwachung wünschen. Da ich keine andere Studie mit ähnlichen Zahlen aus Hamburg kenne, vermute ich, dass es unsere eigene ist.

Nun hat der Kollege, der in dem Artikel zitiert wird, die Studie nicht richtig gelesen oder wurde falsch wiedergegeben. Richtig ist, dass 67 % unserer Befragten Videoüberwachhung gut finden (30% allerdings nur uneingeschränkt gut), aber die Einschränkungen, die wir machen und die Bedeutung dieser Aussagen für den spezifischhen Ort der Erhebung sowie alle anderen Probleme, die sich aus solchen Äußerungen ergeben, lassen er oder die Zeitung unter den Tisch fallen. Selbst wenn die Bürger die Kameras begrüßen, erhöht das noch nicht ihre Sicherheit. Der Widerspruch ist elementar in der Untersuchung und wohl generell im Verhalten und in den Einstellungen der Leute zu Videoüberwachung und Sicherheit.

Statistiken bringen nichts als Verdruss… ich wusste es vorher… ;-)

CCTV: Frankreich eifert England nach

Das ist durchaus mal was Neues – Die Franzosen sind neidisch auf die Engländer und wollen auch so einen tollen überwachten Staat haben wie die, vor allem mit den vielen tollen Kameras. Das kann nur an Zar Cosy liegen, der da jetzt mal so richtig aufräumt und Frankreich fit für die Zukunft macht. Hauptsache ihm fliegen in nächster Zeit nicht wieder Banlieues um die Ohren… aber dann kann er ja ganz toll seine Kameras einsetzen…

Die innere Sicherheit ist bedroht – durch wen?

Ich habe es wohl übersehen, aber bereits zu Monatsbeginn äußerte sich Ludwig Stiegler sehr positiv zur Videoüberwachung. Das ist nicht überraschend – denn auch die SPD will das Instrument zur Terrorismussbekämpfung und gegen die Kriminalität. Wenn man die Äußerungen einmal genau liest, fällt einem vor allem auf, wie ahnungslos und willkürlich hier nach den Kameras gerufen wird. Bei Reuters wird er zitiert, dass die Kameras das Sicherheitsgefühl der Bürger verbessere – woher weiß der Mann das?

Und im Spiegel kommt eines meiner schönsten Beispiele von Ahnungslosigkeit zum Tragen, wenn er sagt: “Videoüberwachung wirke abschreckend und könne bei der Aufklärung helfen”. Ja was denn nun – präventiv, dann gibt es nichts aufzuklären, oder aufklären, dann wenn das Kind bereits im Brunnen liegt. Da auch nicht mehr zwischen Terrorismus und Kriminalität unterschieden wird, nicht zwischen Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen, nicht zwischen Menschen und Gebäuden, ist es nicht verwunderlich, dass es hier zu Äußerungen bar jeder Ahnung und empirischer Grundlage kommt.

Wie absurd die Debatte inzwischen geworden ist, in der niemand mehr zu halten ist und nach Schäubles hysteischen Attacken nur noch nachlegen kann, um auch mal was zu sagen, zeigen zwei Artikel bei der Zeit von Kai Biermann – “der Polizist als Hellseher” und “Schäuble 2.0”. Besonders im ersten Artikel wird beleuchtet, wie sich die Ãœberwachung immer mehr über eine Prävention hinaus nach vorn verlagert – Die Kontrolle vor dem Fall, die Simulation von Kontrolle, damit auch ja nicht etwas eintritt, was nur in den Szenarien der Sicherheitspolitiker und anderer existiert. Insgesamt reden alle durcheinander, anscheindend oft ahnunglos und häufig widersprüchlich.

Ach ja – bei dem Reuters-Artikel ist noch interessant, wie sich der BITKOM zur angespannten Lage äußert, nämlich mit der Werbung ihrer intelligenten Videokamerasysteme – ich dachte das Experiment wäre in Mainz gerade vom BKA vorerst zu den Akten gelegt worden, wie auch die Biometrie insgesamt ein wenig fehleranfällig zu sein scheint , siehe auch Biometrische Paranoia des Kollegen Dietmar Kammerer bei der taz.

Was denn noch…?

Manchmal habe ich keine Lust mehr. Der Schäuble langweilt – wenn seine Penetranz, mit der er immer neue Ãœberwachungssäue durchs Dorf treibt, nicht so voller Konsequenzen wäre, die wir noch alle nicht absehen können, könnte man ihn schlicht als paranoid und fanatisch beiseite legen. Aber der Mann ist Innenminister und macht das sicherlich mit einem Plan, wie immer der auch aussehen mag. Nun also die Abhörüberwachung,  akustisch und wohl auch visuell…

Eine grundlegende Forschung zu Sicherheitsdiskursen, den Rhetoriken der Politiker und den technischen Möglichkeiten (inklusive der wirtschaftlichen Verflechtungen) stünde also an. Ist das aktuelle Jahrzent das Jahrzehnt der Ãœberwachung? Werden wir uns auch mal wieder den wirklich wichtigen Dingen zuwenden können oder haben wir das Ende noch gar nicht gesehen? Aktivisten und Forscher aller Länder vereinigt euch – nur brauchen die Sekurokraten uns nicht wirklich. Aber sie nerven, irritieren und mit Hilfe der Juristen ärgern sollte uns auch weiterhin gelingen. Es gibt noch eine Menge zu tun.