Category: Innere Sicherheit / Terrorismus

Extremismuserfahrungen schützen vor übertriebener CCTV-Euphorie

So sieht es zumindest Timothy Garton Ash, dessen Zitat ich heute im Tagesspiegel entdeckte:

“Tatsächlich ist es wohl Ihre Geschichte, die erklärt, warum Sie nicht so enthusiastisch über einen seine Bürger ausspionierenden Staat sind (zum wiederholten Male). So wie es der britische Akademiker und Journalist Timothy Garton Ash – der selbst eine Stasi Akte hatte und darüber in seinem großartigen Buch [“Die Akte Romeo“, Anm.) geschrieben hat – aufgezeigt hat: “Precisely because German lawmakers and judges know what it was like to live in a Stasi state, and before that in a Nazi one, they have guarded these things [privacy] more jealously than we, the British, who have taken them for granted. You value health most when you have been sick”.”

Diskussion: Was bedeutet Sicherheit wirklich?

Ich möchte hier auf eine Veranstaltung hinweisen, die auch mit dem Thema des Blogs zu tun haben könnte und die bisher eher ein wenig zu kurz gekommen ist – nämlich die Verbindung von Surveillance Studies und Friedens/Konfliktforschung. Und da passt die Veranstaltung gut rein.

Neues Denken für eine Zukunft in Frieden.

Öffentliche Podiumsdiskussion des World Future Council (WFC) und des Carl Friedrich von Weizsäcker-Zentrums für Naturwissenschaft und Friedensforschung der Universität Hamburg. Vier WFC-Ratsmitglieder der Kommission Zukunftsgerechtigkeit und der Arbeitsgruppe Abrüstung & Demilitarisierung sprechen über militärische und menschliche, scheinbare und tatsächliche Sicherheit.

  • David Krieger (USA, Präsident der Nuclear Age Peace Foundation)
  • Dr. Rama Mani (Indien, Wissenschaftlerin und sicherheitspolitische Beraterin)
  • Hans-Christof Graf von Sponeck (Deutschland, Ehemaliger beigeordneter UNO-Generalsekretär)
  • Pauline Tangiora (Neuseeland, Maori-Älteste des Rongomaiwahine-Stammes)
  • Moderatorin hat Dr. Maja Göpel (WFC, Brüssel).

Sie werden Aspekte wie Konfliktbewältigung, nukleare Abrüstung, menschliche Sicherheit, die Rolle der Ökonomie und indigene Perspektiven beleuchten.

4. März um 20.00 Uhr
Hauptgebäude der Universität Hamburg, Edmund-Siemers-Allee 1,
Hörsaal H.

Siehe auch:  www.worldfuturecouncil.org/2171.html
Die Diskussion wird in Englisch geführt!

Röntgen einmal anders gesehen

Dieser Blogeintrag bei der “Glaserei” (Stuttgarter Zeitung) verweist auf ein, durchaus auch für das Thema Ãœberwachung interessantes, Kunstprojekt – die Röntgenphotographie von Nick Veasy.

Den Durchblick haben kann auch unglaublich schön sein – und nicht nur nervig wie auf dem Flughafen, wo manchmal der rechte Durchblick fehlt, dafür ein Fehlalarm für viel Fehlgeschreie um die Sicherheit sorgte (beim BR , aber auch beim Spiegel nachzulesen).

So viel zum Thema “sousveillance”

Die Ãœberwachung von “unten” ist weniger gewünscht, je mehr sie durch die neuen Handys und andere Geräte immer leichter möglich wird.

Police fight cellphone recordings
Daniel Rowinski, New England Center For Investigative Reporting / Jan 12, 2010, Boston.com (15 January 2010)

Simon Glik, a lawyer, was walking down Tremont Street in Boston when he saw three police officers struggling to extract a plastic bag from a teenager’s mouth. Thinking their force seemed excessive for a drug arrest, Glik pulled out his cellphone and began recording.

Within minutes, Glik said, he was in handcuffs.

“One of the officers asked me whether my phone had audio recording capabilities,” Glik, 33, said recently of the incident, which took place in October 2007. Glik acknowledged that it did, and then, he said, “my phone was seized, and I was arrested.”

Identitäts-Ausweise – ID Cards

Das Projekt Identity Cards des kanadischen Surveillance Projekts hat eine eigene Webseite – http://www.identity-cards.net/

“Identity cards are not just technologies; they are also contemporary tools of governance which may be used to address a multiple and shifting set of social and political problems” (Bennett and Lyon 2008).

Ein Besuch der Seite lohnt sich für alle, die an dem Thema interessiert sind.

“Indect”: Werkzeuge für den Präventivstaat

Die Futurezone beim ORF kommentiert das  EU-Projekt Indect, welches Ideen und Umsetzungen zu einer verbesserten Informationslage bezüglich der Sicherheit in Europa entwickeln will. Laut eigener Aussage von Idect ist das Ziel…

…. to develop a platform for: the registration and exchange of operational data, acquisition of multimedia content, intelligent processing of all information and automatic detection of threats and recognition of abnormal behaviour or violence,

Wie Futurezone feststellt, ist innerhalb des Projektes, an dem auch der Police Service of Northern Ireland teilnimmt, der britischen Polizei ein bessonderer Coup gelungen:

Im EU-Ãœberwachungsprojekt “Indect” stehen auch die beteiligten Wissenschaftler selbst unter Beobachtung. Mit einem Trick haben es britische Polizei und Inlandsgeheimdienst MI5 geschafft, dass jedes im Projekt erstellte Papier über ihre Schreibtische läuft. Die Falldefinitionen der Polizei führen dazu, dass das System beinahe jede Bewegung im öffentlichen Raum als verdächtig einstuft.

Auch wenn die PSNI nicht mehr die alte RUC ist – so ist die Geschichte dieser Polizei, doch mehr als fraglich, wenn es um das Thema Bürgerrechte, Sicherheit und geheimdienstliche Verwicklungen geht.

Wer es genauer wissen will, der kann sich ein Werbevideo von Indect ansehen. Da wird deutlich was mit Security Research gemeint ist. Was mit meiner Sicherheit angesichts von Allmachtsphantasien der Polizei und der wohlmeinenden Techniker ist, ist nicht Thema – aber eine Frage, die sich doch sehr in den Vordergrund drängt angesichts der geplanten Maßnahmen und Vernetzungen. Auch deutsche Firmen und Universitäten sind daran beteiligt – wie bereits die Zeit berichtete.

Überwachte Bürger zwischen Apathie und Protest

Am Institut für Sicherheits und Präventionsforschung gibt es eine neues Forschungsprojekt:

Der ‘überwachte’ Bürger zwischen Apathie und Protest. Zur Genese neuer staatlicher Kontrolltechnologien und ihren Effekten auf Einstellungen und Verhalten der Bevölkerung

Als Kurzbeschreibung hier ein Zitat von der Projektseite:

Gegenstand des Projektes ist die New Culture of Control in Form neuer staatlicher Kontroll- und Ãœberwachungstechnologien, die spätestens seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 die gegenwärtige Gesetzgebung und sicherheitspolitische Diskussion bestimmen. (…) Das Projekt verfolgt zwei Ziele:

Die theoriegeleitete Erklärung von Effekten neuer Kontroll- und Überwachungstechnologien auf Einstellungen und Verhalten der Bevölkerung und die Überprüfung entsprechender Hypothesen anhand von Strukturgleichungsmodellen

Die Analyse der Gesetzgebungsverfahren zu diesen Überwachungstechnologien sowie der Einstellungen, Bewertungen und Annahmen staatlicher Akteure und Mitglieder von Grund-, Bürger- und Datenschutzrechtsorganisationen im Hinblick auf diese Technologien

Das Projekt liegt in den Händen der Kollegen Christian Lüdemann und Christina Schlepper.

Die Tücken der Statistik

Hier ein Artikel aus dem Guardian, der die Wissenschaft hinter Dokumenten und Statistiken des britischen Home office diskutiert.

Beim Guardian: Home Office research so feeble someone ought to be locked up .. ..und in Ben Goldacre badscience-Blog direkt: Is this a joke? Und darum geht es:

Luckily, the Home Office has now published a consultation paper on the subject. They defend their database by arguing that innocent people who have been arrested are as likely to commit crimes in the future as guilty people. “This,” they say, “is obviously a controversial assertion.” That’s not true: it’s a simple matter of fact, and you could easily assemble some good quality evidence to see if it’s true or not.

The Home Office has assembled some evidence. It is not good quality. In fact, this study from the Jill Dando Institute, attached to their consultation paper as an appendix, is possibly the most unclear and poorly presented piece of research I have ever seen in a professional environment. Or am I having a bad day? Join me in my struggle to understand their work.

The president’s surveillance program

Published a couple of days ago, was a report by the Inspectors General of the US DOD, DOJ, CIA, NSA and office of the Director of National Intelligence, on the intelligence gathering activities and programmes given presidential approval after september 11th, collectively referred to as ‘the president’s surveillance program’

Here is the unclassified version.

Traum der Kontrolleure – Gedankenlesen

Auf das Zeit-Special zur Hirnforschung sei angesichts eines Artikels in der aktuellen Ausgabe der Zeitung hingewiesen. Unter dem Titel “Sind die Gedanken noch frei” diskutieren die Autoren, welche Träume von der Hirnforschung beflügelt werden und welche Auswirkungen das haben könnte – und auch was daran seriös ist und was nur absurde Kontrollphantasien…

Die einen träumen von »Gedankenlesemaschinen« oder neuen, hirnbasierten Marketingmethoden, andere fürchten eine Gedankenpolizei, wie sie die Romanautoren Philip Dick (Minority Report) oder George Orwell (1984) vor Jahrzehnten vorhergesagt haben. Tatsächlich wird in den USA inzwischen laut darüber nachgedacht, ob man Terrorverdächtige nicht einfach anhand ihrer Hirnaktivität überführen könne – noch bevor sie straffällig werden. In Deutschland dagegen bestimmte in den vergangenen Jahren der Streit zwischen Philosophen und Hirnforschern die Debatte.

Von den Tücken kriminalistischer Wunderwaffen

Viele werden sicherlich schon vom “Phantom von Heilbronn” gehört haben, einer Unbekannten, die verdächtigt wird, 2007 eine Polizistin in der gleichnamigen Stadt getötet zu haben. Nachdem im Laufe der letzten Jahre an mehr als 40 Tatorten anderer Straftaten DNA-Spuren der unbekannten Frau aufgetaucht waren, ging die Polizei davon aus, dass es sich um eine Serientäterin handelt. Zudem musste der Fall auch immer wieder dafür herhalten, Rufe der Kriminalisten-Lobby nach einer Ausweitung der strafprozessualen Vollmachten zur Erhebung und Speicherung von DNA-Profilen in der BKA-Datenbank zu rechtfertigen. Nun könnte sich die jahrelange Gespensterjagd allerdings als Farce herausstellen.

Wie Spiegel Online berichtete, prüfen die Ermittler inzwischen, ob vielleicht die zur Sicherung der Tatortspuren eingesetzen Wattestäbchen fremdverunreinigt waren. Skeptisch wurde man, als überraschenderweise bei der erkennungsdienstlichen Untersuchung der verbrannten Leiche eines 2002 verschwundenen Asylbewerbers die gleichen DNA-Spuren auftauchten.

Aber eine “Wunderwaffe” bleibt eine Wunderwaffe – gilt es doch nur sie richtig zu bedienen. Um Möglichkeit von Falschanalysen wegen Verunreinigungen auszuschließen, schlug ein Sprecher des Bundes Deutscher Kriminalbeamter in den Stuttgarter Nachrichten umgehend vor:

Die Hersteller sollten den Packungen DNA-Merkmale der beteiligten Mitarbeiter als Code beilegen. Damit könnte diese Spur gleich ausgeschlossen werden.

Mal sehen was die Betroffenen davon halten. In der Schweiz zumindest verweigern sich Polizisten, die ja ebenfalls Verursacher von Fremdverunreinigung sein könnten, bisher standhaft einer Erfassung.

Das die Tendenz zur Ausweitung der Ãœberwachung immer auch ihre Ausnahmen kennt, zeigt sich auch an der jüngst vom Europäischen Parlament abgesegneten Aufnahme und Speicherung biometrischer Merkmale in Visa und das korrespondierende Visa-Informationssystem (VIS). Zwar sollen sogar selbst Kinder ab 12 Jahren erfasst werden, Staatsoberhäupter und Angehörige von Königshäusern sind allerdings ausgenommen. Wie hieß es doch so schön in Orwells “Farm der Tiere”: “Some animals are more equal …”