Author: Nils Zurawski

Dr. habil. Nils Zurawski, ist Soziologe und Ethnologe und Initiator des Forschungs-Netzwerkes Surveillance-Studies. Er arbeitet als Wissenschaftler am Institut für kriminologische Sozialforschung an der Universität Hamburg sowie als freier Mediator/Moderator/Konfliktberater. Hier gibt es mehr Informationen zu seiner Arbeit: https://www.surveillance-studies.org/zurawski

Bombendrohung und Videoüberwachung

Manchmal entgeht einem das Naheliegene… Die Geschichte der Autobombe hat auch in Deutschland ganz aktuelle Bezüge – nämlich mit den Funden in Koblenz und Dortmund. Und auch hier fehlt der Ruf nach mehr Sicherheit nicht. Nur manchmal sollten sich die Experten vor informieren, bevor sie etwas fordern, das es schon längst gibt.
Im Kölner Stadtanzeiger steht zu lesen:

CDU-Innenexperte Clemens Binninger sprach sich im Gespräch mit der “Passauer Neuen Presse” für eine durchgängige Videoüberwachung mit Aufzeichnung auf Bahnhöfen aus. Dies sei “sinnvoll und rechtlich möglich”.

Das wird doch alles bereits gemacht – zumindest auf den mittleren und großen Bahnhöfen in Deutschland. Ob man mehr davon aufhängt, bleibt der Bahn überlassen – offensichtlich haben die vorhandenen nichts aufgezeichnet. Und ob man tatsächlich Kontrollen wie auf Flughäfen einführen sollte, weiß ich nicht – es würde die noch immer weitgehend offene Atmosphäre von Bahnhöfen zerstören, zu ähnlichen Zeitkatastrophen wie auf Flughäfen kommen – die schnelle und spontane Nutzung von Zügen wäre dann nicht mehr möglich. Das scheint auch die Bahn selbst so zu sehen, wie im Tagesspiegel zu lesen war:

Die Bahn jedenfalls hat nach den Bombenfunden die Sicherheitspräsenz verstärkt, wie ein Konzernsprecher dem Tagesspiegel sagte. Dabei werde eng mit der Bundespolizei zusammengearbeitet. Seit einem Jahr gibt es zudem in Berlin ein Sicherheitszentrum, von dem aus die Zusammenarbeit der bahneigenen Sicherheitskräfte und der Sicherheitsbehörden des Bundes koordiniert wird – insbesondere für solch eine Situation, wie sie jetzt eingetreten ist. „Wir sind aber ein offenes System, da ist keine absolute Sicherheit herzustellen. Wir können nicht jeden Fahrgast kontrollieren“, hieß es bei der Bahn.

Der Verweis auf das verheerende Attentat von London, wie von einigen Politikern gemacht, hilft dabei nicht weiter – schon gar nicht in Bezug auf Videoüberwachung, denn die existiert in viel großerem Maße dort und hat die Anschläge leider auch nicht verhindert… wohl aber zu deren Aufklärung beigetragen. Das aber kann keine Sicherheit versprechen.

Weitere Koffer und Bombenwarnungen gab es in Hamburg, NDR Online

Die Geschichte der Autobombe

Nur am Rande hat die Autobombe etwas mit Ãœberwachung zu tun – der Artikel ist aber so interessant das ich ihn weiter verbreiten will… nicht zuletzt haben die Autobomben der IRA in den 80er und 90er Jahren dafür gesorgt, dass in London Videokameras zur städtiischen Raumüberwachung im damaligen Anti-Terrorkampf installiert worden sind…. heute heißt der Feind Islam und die Bomben sind auch schon wieder hochgegangen…. (z.B. am 7.7.2005 in London).

Mike Davis (City of Quartz, Ökologie der Angst u.a., Ãœber Davis bei Wikipedia) hat auf tomdispatch.com eine kritische Geschichte der Autobombe geschrieben, die sich aus verschiedenen Gründen lohnt zu lesen… die Anknüpfungspunkte sind zahlreich… auch für die Ãœberwachungsforschung… denn letztlich ist die Autobombe – die Bombe des kleinen Mannes – fast nicht zu verhindern… schon gar nicht durch Kameras…
Teil 1 “The poor man’s airforce”
Teil 2 “Return to Sender”

Auf Deutsch ist der Artikel in LETTRE erschienen (Auszüge online)

85 Jahre nach jenem ersten Massaker an der Wall Street sind Autobomben auf der Welt fast so allgegenwärtig wie iPods und Aids. Von Bogotá bis Bali reißen sie tiefe Krater in die Straßen der Großstädte. Inzwischen sind auch die Selbstmordattentate mit Autobomben kein unverwechselbares Markenzeichen der Hisbollah mehr, sondern längst auch für Sri Lanka, Tschetschenien, Rußland, die Türkei, Ägypten, Kuwait und Indonesien lizensiert. In jeder statistischen Darstellung des urbanen Terrorismus steigt die Kurve der Autobomben sehr stark – beinahe exponentiell – an. Der Irak hat sich unter amerikanischer Besatzung zu einer wahren Hölle des Autobombenkrieges entwickelt.

als aktuelle Fußnote dazu – Anschlagsserie in Thailand
Fast hundert Bomben und Brandsätze in einer Nacht
bei tagesschau.de

und fast täglich im Irak. Anschlag im Zentrum von Bagdad bei tagesschau.de

Auch in Bagdad verübten Aufständische gestern einen Anschlag. Vor einer Bank explodierte eine Autobombe, als sich im Gebäude Sicherheitskräfte ihr Gehalt auszahlen ließen. 14 Menschen starben, darunter acht Zivilisten.

Karten und unsere Welt

Das Karten seit je her Dokumente der Macht sind, um die es Streit, ja sogar Kriege gegeben hat, ist nichts neues – daher wundert es auch nicht, wenn sich Unternehmen wie Monsanto dagegen wehren, dass ihre Testfelder mit genmanipuliertem Getreide über Google Map für jedermann einsehbar sind: Google Map mit GMO-Feldern unerwünscht.

Greenpeace Frankreich darf nach einem Urteil eines französischen Gerichts vom Mittwoch auf einer Website mithilfe von Google Map nicht die Lage von Feldern der Öffentlichkeit bekannt machen, auf denen genveränderter Mais von Monsanto angebaut wird. Nach Ansicht der französischen Regierung hat die Öffentlichkeit keinen Anspruch auf Information über die Lage der Felder.

Dazu passt auch mein Artikel zum Mapping allgemein, der ebenfalls bei Telepolis erschienen ist…. Mit Karten die Welt(en) verstehen

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Bild: SASI Group

Cultural Surveillance

Das Journal Cultural Studies hat in seiner neuesten Ausgabe (September 2006, vol. 20) einen Schwerpunkt zu Ãœberwachung… u.a. mit Beiträgen zu…

INTRODUCTION: Toward an analytic of governmental experiments in these times:
homeland security as the new social security – James Hay, Mark Andrejevic
DESIGNING HOMES TO BE THE FIRST LINE OF DEFENSE: Safe households, mobilization,
and the new mobile privatization – James Hay
BECOMING BOMBS: MOBILIZING MOBILITY IN THE WAR OF TERROR – Jeremy Packer
WATCHING OURSELVES: Video surveillance, urban space and self-responsibilization – Bilge Yesil
SURVIVING THE INEVITABLE FUTURE: Preemption in an age of faulty intelligence – Greg Elmer, Andy Opel

Surveillance studies at ISA World Congress

On Tuesday and Wednesday the adhoc-session on Surveillance, Security and social sorting at the Sociology World Congress in Durban was being held. 12 papers were presented that had shown the wide range of surveillance studies and importance in many fields of the sciences and in society as such. Instead of dwelling on each individual paper I will try to give you an impression of the threads that ran through both of the sessions and highlight some aspects in particular.
The session was kicked off by David Lyon asking the speakers to watch out for commonalities throughout the papers – giving a working definition of surveillance that indeed the talks were able to follow

Surveillance should be seen as the routine and systematic attention/checking of personal data (through screening, recording etc.) for the purpose of control, management, entitlement, influence, access etc.

This is a loose quote of what he said – but something scholars of surveillance phenomena should debate and refine when discussing surveillance issues. Now to the papers…..

Yet more security in Durban

As the conference is moving forwards, we learned more about security issues in Durban. Two tours brought us to see the control rooms of the city’s own CCTV system and it cameras scattered all around town – and to that of the Suncoast casino’s… a highly efficient and very professional surveillance system that leaves little left to wish for… what I found a little disturbing though was the sign at the entrance to the casino.. not so much for the casino but for the general atmosphere in Durban or South Africa for that matter.

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Sociologists under Securveillance

Two days into the conference and you hear everybody talking about the ones that have been mugged. i have heard that around ten people have been held up at knife point and robbed of their money. Whereever you go you will get the advice to be either vigilant or not to go at all … take a taxi, do not walk there, take the shuttle bus.

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Doing surveillance in Durban

Even before the conference started I was doing some surveillance outside Durban – in Kwa Zulu Natal’s Hluhluwe Game Resort… Zebras, buffalos, wildebeests, warthogs, rhinos and other fantastic animals can be spotted there… here we watched some zebras and warthogs in the savannah….

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Next will be about cameras and security in Durban…

Sicheres Reisen, Flüchtlinge und anderes

Die aktuelle ZEIT (Nr.30) scheint auf zufälliige Weise zu einer Ãœberwachungs-Sonderausgabe geworden zu sein. Vor dem Hintergrund Südafrikas, wo ich mich gerade aufhalte, ist der Artikel in der Reiseabteilung höchst interessant. In sicherem Gewahrsam gibt schöne Momentaufnahmen von Urlaub hinter unsichtbaren und sichtbaren Zäunen in Südafrika (Sun City) Ägypten und auf einem Kreuzfahrtschiff. Passend dazu wird im Dossier gezeigt, wohin all diejenigen gehen, die keinen Zugang zu den Ferienparadiesen haben bzw. nicht davon profitieren. Gestrandet in Europa zeigt die absurden und gefährlichen Ãœberfahrten afrikanischer Flüchtlinge nach Teneriffa – ins sichere Europa.

Zusätzlich bietet die Zeit noch etwas zum Thema Kartierung, Ãœberwachung und Konsum an…. Deutschland privat

Adressenhändler und Unternehmen sammeln Daten über jeden von uns und verknüpfen diese jetzt mit digitalen Landkarten. Das lässt unsinnige und gefährliche Schlüsse zu.

Karten, das kann man schon anhand der präsentierten Beispiele sehen, geben nicht nur Auskunft über unsere Umwelt, sondern auch über die Produzenten der Karten… mehr dazu ein anderes Mal. Nur noch dies: Der Spiegel hatte in der letzten Woche einen Artikel zum Web 2.0… zum neuen Hype und warum dieses Mal alles klar geht mit der neuen Welt und vor allem mit dem Erfolg und dem Geld… nur dass sie die Frage nach dem “Wie machen wir Geld damit?” nicht beantworten konnten, und auch keiner der Akteure, wundert mich…. Daten Daten Daten. Soviel haben wir alle noch nie freiwillig und für die Ewigkeit von uns preisgegeben. Karten lassen sich im übrigen auch prima daraus erstellen. In typischer Spiegel-Manier sehen die Autoren schon wieder ein neues Zeitalter herbeiziehen… und übersehen die Kontroll- und Marketingaspekte und deren Gefahren voll und ganz…

Beginnt eine eine neue Ära des Internet, im Szenejargon Web 2.0 genannt? In diesem neuen Web-Zeitalter spielen die Nutzer, die User, die Hauptrolle: Aus passiven Konsumenten werden höchst aktive Produzenten. Millionen Leser, Radiohörer und Zuschauer schaffen die Inhalte für sich und ihresgleichen selbst.

Kongress in Durban, Südafrika

Liebe Blog-Leser,

es ist Sommer und da verreist man schon mal… so auch ich und zwar zum XVI ISA World Congress of Sociology nach Durban. Teil des Kongresses ist u.a. eine adhoc-Gruppe von David Lyon zu Surveillance, Security and Social Sorting. Ich werde versuchen von dort hier zu berichten. Eingeladen dieses zu tun habe ich auch andere Teilnehmer der Session – daher wird die Berichterstattung dieses Mal in Englisch stattfinden… auch um die internationale Surveillance Studies Gemeinde mit einzubinden. Ich bitte um Verständnis für diesen Versuch.

Ich werde versuchen Photos zu posten – auch von den Ãœberwachungstouren, die wir dort machen… die Stadt, das Casino… einiges ist geplant.

einen schönen Sommer und am 1. August geht es dann wie gewohnt weiter..

beste Grüße

nilz

Die Erde unter Beobachtung

Die Zeit (13. Juli) enthält einen interessanten Artikel zur Lage und Bedeutung der Satellitenüberwachung unserer Erde. Was unter dem Aspekt des Naturschutzes und der Vorhersage von Naturkatastrophen noch eindrucksvoll klingt, sollte bei anderen Anwendungen bereits die Warnglocken klingen lassen. Von den finanziellen Aspekten der Nutzung und des Zugangs einmal ganz abgesehen. Geoss ist ein Riesenprojekt, welches auch unter Überwachungsaspekten genauer angeschaut werden sollte.

Zwar hätten alle EU-Bürger ein gesetzlich verbrieftes Recht auf freien Zugang zu den gesammelten Umweltinformationen, an manchen Stellen sei trotzdem Geheimhaltung gefragt. So wird die Beobachtung von Ölspuren hinter Tankschiffen zunächst an die zuständigen Behörden weitergegeben, damit sie die ertappten Umweltsünder noch auf hoher See stellen können. Auch die aus dem All entdeckten Pfade von Menschen- und Drogenschmugglern bekommt nur die Polizei zu sehen.

Auch viele arme Länder in Afrika und Asien zögern noch. Sie können sich den Aufbau der technischen Infrastruktur für die Weitergabe ihrer eigenen Daten kaum leisten. Für die Nutzung dessen, was andere über sie sammeln, fehlen die Fachleute. Und sie fragen sich, ob das Buschfeuer im guineischen Hinterland oder das dräuende Unwetter auf den Kapverden etwas ist, was zuerst Europa und die USA angeht. Schließlich bedeutet solches Wissen Macht – und Geld. Wer in der globalisierten Welt als Erster von einer drohenden Missernte der Kakaobauern in der Elfenbeinküste erfährt, macht an der Warenterminbörse den größten Profit.