Author: Nils Zurawski

Dr. habil. Nils Zurawski, ist Soziologe und Ethnologe und Initiator des Forschungs-Netzwerkes Surveillance-Studies. Er arbeitet als Wissenschaftler am Institut für kriminologische Sozialforschung an der Universität Hamburg sowie als freier Mediator/Moderator/Konfliktberater. Hier gibt es mehr Informationen zu seiner Arbeit: https://www.surveillance-studies.org/zurawski

Was können Kameras?

Christiane Schulzki-Haddouti hat eine informativen Artikel zu den technischen Möglichkeiten von Videoüberwachungs-Kameras bei Focus Online geschrieben – Verdächtige am Verhalten erkennen (23.8.2006)

In diesem Zusammenhang kann man sich auch mal bei den Herstellern selbst umschauen, was die so im Sortiment haben und was es alles so gibt – da bleiben wenig Wünsche offen.

Extreme CCTV – performance – whereever, whenever
Blueeyevideo – the Smart Video Sensor Company

Zapp: Fahndung mit Videos

Das Medien-Magazin des NDR mit mit einem Beitrag zur Video-Hysterie nach den Fahndungserfolgen.
Mittwoch, 23. August umd 23.00 Uhr im NDR Fernsehen.

Hintergründe auch bei tageschau.de (unsere Projektmitarbeiterin Ilka Kreutzträger hat dort die rechtliche Lage ein wenig zusammengefasst). Fie FAZ weiß über die Einigkeit bei der Ausweitung der Videoübewachung zu berichten. Ansonsten gibt es viel, aber nicht viel neues zu dem Thema – und dann noch mein Glossar zu Videoüberwachung bei Telepolis.

Konferenz: The New Surveillance

A critical analysis of research and methods in Surveillance Studies

A two day international Conference hosted at the Center for Technology and Society of the Technical University Berlin Thursday November 30th and Friday December 1st.

featuring:
Nick Tilley, Nottingham Trend University, UK
Kevin Haggerty, University of Alberty, Canada
Elia Zureik, Queens University, Canada
Heidi Mork Lomell, University of Oslo, Norway
Clive Norris, University of Sheffield, UK
Gary T. Marx, M.I.T., USA (to be confirmed)
Thomas Mathiesen, University of Oslo, Norway
and others …

Terror, Videoüberwachung und die Phantasien der Politiker

Es ist Montagmorgen… ohne groß überrascht zu sein, nehme ich zur Kenntnis, dass die Terror-Schwachköpfe, die mit selbstgebastelten Kofferbomben die Republik erschüttern wollten, es zumindest geschafft haben, die ohnehin schon schwierige Debatte um die Videoüberwachung (bisher hauptsächlich zur Kriminalitätsbekämpfung) zum absoluten Topthema zu machen. Kritik wird unmöglich! Danke, Super!! Meine Symphatie mit euch war nie hoch und wird es auch nicht werden – ich verabscheue derartige Aktionen ganz gleich wo und wie. Dennoch, die Reflexe der Politiker sind genauso hilflos und vorhersagbar… immer nur Videoüberwachung – und damit ist dann alles geregelt? Hier die neuesten Forderungen.

Innensenator Nagel in Hamburg fordert mehr Kameras bei NDR Online
Videoüberwachung und Railmarshalls in Zügen bei tagesschau.de
Erweiterte Videoüberwachung genehmigt (in Berlin) beim Kölner Stadtanzeiger
Politiker fordern Kameras und Zugbegleiter (bewaffnet!) in der WELT
Kameras halten Täter ab (Bouffier in Hessen) bei Berliner Zeitung
und viele mehr… mit ähnlichen Aussagen und Meinungen.

und dann noch der Spiegel Online mit einem längern Artikel und einigen Aussagen von Wissenschaftlern (die sonst selten zu Wort kommen) u.a. mit Stefan Czerwinski aus unserem Projekt. – und noch mehr zu Videoüberwachung.

Streit um Kameras auf Hamburger Dom

Die Hamburger Innenbehörde hat beschlossen auch beim größten Hamburger Volksfest, dem Dom, an der Videoüberwachung festzuhalten. Die Kameras dort waren im Zuge der Fan-Feste zur Fußball-WM dort installiert worden. Nun regt sich Widerstand in der Hansestadt. Die Grünen halten die Kameras für nutzlos und wehren sich gegen die Ausweitung der Videoüberwachung über die Reeperbahn hinaus. Auch dort gab es schon Kontroversen über deren Zweckmäßigkeit und den tatsächlichen Nutzen.

Infos dazu bei: NDR Online und Taz

Laut einer jetzt veröffentlichten Antwort des Senats auf eine GAL-Anfrage haben die installierten Kameras allerdings bislang kein einziges Mal einen konkreten Beitrag zur Aufklärung einer Straftat geleistet. Damit entfällt in Möllers Augen jede Begründung für einen Dauereinsatz, zumal Innensenator Udo Nagel (parteilos) mehrfach zugesagt hatte, Überwachungskameras nur an absoluten Kriminalitätsschwerpunkten zum Einsatz zu bringen. (taz)

Dagegen hält die Innenbehörte:

Die Innenbehörde wies die Kritik Möllers zurück. Es sei von vornherein geplant gewesen, die Kameras ausschließlich zur taktischen Führung der Polizeikräfte zu nutzen, etwa um Beamte gezielt zu Rangeleien dirigieren zu können, sagte Sprecher Marco Haase zu NDR 90,3. Die Videoüberwachung sei kein Allheilmittel, aber zusammen mit starker Polizeipräsenz durchaus erfolgreich, so der Innenbehördesprecher weiter.(NDR Online)

Insgesamt muss ich feststellen, dass die Diskussion um die Videoüberwachung in Hamburg am Mangel an guten Argumenten leidet. Natürlich können keine Aussagen zum Erfolg der Kameras auf der Reeperbahn getroffen werden – dazu ist es zu früh. Die Kameras auf dem Dom allerdings entbehren einer schlüssigen Begründung ebenso…
Wenn Innenstaatsrat Christoph Ahlhaus (CDU) die Maßnahme damit veteidigt, dem “Schutzbedürfnis der Dom-Besucher” damit “gerecht zu werden” – so ist das einfach Unsinn und hat keine empirische Grundlage. Woher weiß er das??? Mehr als ein Schlagwort ist das Gerede vom Sicherheitsgefühl nämlich hier nicht… Ahnung hat weder die Polizei, noch die Politik was das eigentlich ist und ob es überhaupt so besteht (oder eben nicht) wie immer behauptet wird.

Muslime links – alle anderen rechts!

Wie das Handelsblatt bereits gestern berichtet hat, erwägen die britischen Sicherheitsbehörden, eine gesonderte Kontrolle für Muslime an Flughäfen einzuführen.

Nach Informationen der Zeitung „The Times“ wird im Transportministerium darüber nachgedacht, Passagiere, die sich verdächtig verhalten, einen ungewöhnlichen Reiseweg haben oder einen bestimmten religiösen oder ethnischen Hintergrund haben, besonders zu kontrollieren. Ein Sprecher des Ministeriums sagte, es gebe schon heute „mehrstufige“ Sicherheitskontrollen, die jetzt eventuell angepasst werden müssten. (Handelsblatt)

tagesschau.de hat einige Hintergrundberichte und Audios mit Kommentaren und Reaktionen britischer Muslime.

Letztendlich stellt sich bei alledem die eine wichtige Frage: Wie erkennt man den religiösen Hintergrund von Muslimen (oder anderen), die keine Kopftuch, Bart, Mütze oder den Koran offen auf dem Arm tragen….?? Ohne hier mit Totschlageargumenten zu kommen… die Idee hinterlässt doch einen obszönen Beigeschmack, der an längst vergangen gedachte Zeiten erinnert. HIer findet eine soziale Kategorisierung zur Auslese von Verdächtigen statt, die ihren Weg auch in eine technische Umsetzung finden könnte – denn letztlich sind es Menschen und deren Ideen, die die Parameter für das was gefunden werden soll, in die Computer eingeben. Auch Software ist nicht neutral, sondern das Ergennis eines sozialen und technischen Entwicklungsprozesses. Ein aktueller Bericht (17.8.2006) steht im britischen Guardian: “Terror: EU plan for vetting of air passengers”:

A system for the “positive profiling” of European airline passengers is to be urgently explored in response to last week’s alleged airline terror plot, European interior ministers meeting in London agreed yesterday.
The home secretary, John Reid, insisted that the new system, which would affect all domestic and international flights in and out of Europe, would not involve screening by religion or ethnic background but would be carried out well in advance of flights based on biometric checks – electronic eye or facial scans. (Guardian)

Ob das so stimmt – oder ob das nicht Tür und Tor für andere Dinge öffnet… ?!

Abgesehen davon ist allein die Idee der getrennten Kontrolle nach Religion, ethnischer Herkunft (was heißt das schon) so absurd…. aber wahrscheinlich haben wir das Ende der ganzen Aktion und ihrer Folgen eh noch nicht gesehen…

Bürgerfreiheit statt Überwachungsstaat

Die Friedrich-Naumann-Stiftung veranstaltet ein Online-Seminar zu Fragen der Freiheit und Sicherheit in unserer liberalen Gesellschaft.

Vom 14.08.2006 bis 28.08.20006 kann man online und umsonst dort mitmachen.

Freiheit und Sicherheit stehen für Liberale immer in einem Spannungsverhältnis zueinander. Wesentliche Aufgabe des Staates ist es, Freiheit und Eigentum seiner Bürger zu schützen. Gleichzeitig sind der Schutz der Menschen vor staatlichen Übergriffen und der Schutz der Privatsphäre ein vorrangiges Ziel. In Zweifelsfällen stehen Liberale immer auf der Seite der Freiheit.

Ob auch die FDP und die Liberalen das bei der aktuellen Lage lange durchhalten, bleibt abzuwarten…

(Danke an Marco für den Tipp.)

Keine Angst vor dem Ãœberwachungsstaat

Die Kameraüberwachung der Falschparker wurde in den letzten Tagen an verschiedenen Stellen kommentiert… hier ein schöner Artikel dazu aus der Sächsischen Zeitung (ursprünglich von der dpa…) – die Engländer stören sich an den Kameras so gut wie kaum… komisch, wenn man das Thema ID card dort erwähnt, werden sie äußert schmallippig und sehen ihr Land kurz vor dem Faschismus – so sind wohl die Prioritäten überall anders…

…dennoch, der Schluss des Artikels sollte all den Rufern von Videoüberwachung nach den Kofferfunden bei der Bahn und dem Fahndungserfolg von London zu denken geben… ob’s helfen wird…. ??

Denn selbst nach mehr als einem Jahrzehnt an Erfahrungen ist immer noch strittig, ob die Kameras vorbeugende Wirkung haben. Im Auftrag des Innenministeriums wurden kürzlich die Verbrechensstatistiken von 14 Gebieten vor und nach dem Aufstellen von CCTV-Kameras miteinander verglichen. Ergebnis: Einen deutlichen Rückgang der Straftaten gab es nur in einem einzigen Gebiet.

Ãœberwachung und Doping

Eines der perfektesten staatlichen Ãœberwachungssysteme hat zweifelsohne in der DDR bestanden – die Verbindungen zum Sport waren dabei mehr als eng, wie der Sporthistoriker Giselher Spitzer meint (tagesschau.de). Ãœberhaupt sollte die DDR auch unter Ãœberwachungsaspekten untersucht werden – denn für die Forschung auch in Bezug auf andere Systeme gibt es dort eine Menge zu erforschen und zu lernen. Ein Buchtipp dazu ist: Stasiland von Anna Funder.

Weitere Informationen zur Stasi beim BStU.