Category: Stadt/Urbanismus/Architektur

Zur Zukunft der polizeilichen Videoüberwachung in Hamburg

Die Ãœberraschung war groß. CDU und Bündnisgrüne haben in Hamburg die erste schwarz-grüne Koalition besiegelt. Einig war man sich, dass die polizeiliche Videoüberwachung – Hamburg ist mit 17 Kameras auf der Reeperbahn und am Hansaplatz bundesweit Spitze – fortgeführt werden soll. Hierzu der Koalitionsvertrag etwas kryptisch:

An der Videoüberwachung im öffentlichen Raum an Kriminalitätsschwerpunkten wird unter besonderen Rahmenbedingungen grundsätzlich festgehalten. Zur bevorstehenden Evaluierung der praktischen Umsetzung der Videoüberwachung werden insbesondere die Empfehlungen des Datenschutzbeauftragten im schweizerischen Kanton Zürich – wie beispielsweise die Prüfung von Alternativen oder die Möglichkeiten eines nur temporären Einsatzes – als Kriterien herangezogen. Bis Ergebnisse vorliegen, wird auf die Ausweitung der Videoüberwachung an neuen Standorten verzichtet.

Was die “besonderen Rahmenbedingungen” sind, wer, wie evaluiert und warum nun trotz langjähriger Beschäftigung deutscher Datenschützer mit dem Thema und jüngerer Empfehlungen des Europarates ausgerechnet der Züricher Datenschutzbeauftrage als Kronzeuge herhalten muss … dies alles bleiben offene Fragen. Insofern dürfen wir gespannt sein, wie lange der Verzicht auf die Ausweitung anhält. Als die Grünen im Jahr 2000 zähneknirschend der Videoüberwachung in Nordrhein-Westphalen zustimmten, hieß es noch, sie seien von der SPD “erpresst” worden. Hiervon kann in Hamburg wohl keine Rede sein. Klingt eher nach einem Tauschhandel: Die Fortführung der Videoüberwachung als Zugeständnis für eine vermeintlich sozialere städtische Sicherheitspolitik. Heißt es doch einen Absatz über der Vereinbarung zur Videoüberwachung:

Im öffentlichen Raum wird es keine Verdrängung sogenannter randständiger Gruppen geben. Die bestehenden ordnungsrechtlichen Regelungen bieten eine gute Handhabe gegen Störungen im öffentlichen Raum und sollen nicht weiter ausgeweitet werden.

Angesichts der Großen Anti-Bettler-Koalition aus konservativen Leistungsmoralisten, Handelskammer, Business Improvement Districts, parternalistischer Sozialverwaltung und sozialdemokratischen Bezirkspolitikern besteht der politische Erfolg der Grünen wohl hauptsächlich darin, dass auf eine Eskalation der Anti-Armen-Politik verzichtet werden soll. Also: Business as Usual in Hamburg …

BIDs – ein anderes Instrument der Ãœberwachung

Technische Ãœberwachung steht zwar nicht im Zentrum, spielt aber auch eine
Rolle:

Töpfer, Eric, Volker Eick & Jens Sambale (2007): “BIDs – neues Instrument
für Containment und Ausgrenzung? Erfahrungen aus Nordamerika und
Großbritannien”
, in: Prokla. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft,
Nr. 149 (4/2007), S. 511-528.

Workshop: Spacecowboys

Spacecowboys – a workshop about hybrid spaces :: May 6-7, 2008 ::
Z33, Hasselt, Belgium :: 15-20 participants within a wide range of disciplines
Free.

Our feeling of space and place changes and refreshes constantly through the
interaction and communication possibilities of new media. Locations and
environments may be altered from public to a private and from concrete to
virtual through mobile technologies. These hybrid spaces create emotional
and aesthetic possibilities for artists to experiment with. How do artists
work with hybrid space and how do they make us aware of the social and
cultural implications?

This workshop will be moderated by John Hopkins. Speakers & guests: Armin
Medosh, Anne Nigten, Jeanne van Heeswijk, Eric Kluitenberg, Kurt Vanhoutte,
Peter Westenberg, Maja Kuzmanovic and Pieter van Bogaert.

Erfurt und die Stasi im Stadtraum

Gerade habe ich einen Bericht über ein Projekt zur Stasi in Erfurt gehört (auf dradio) – darüber hatten sie bereits schon einmal berichtet. Von Interesse dann – die Geografie der Stasi. Berichtet wurde von einem Kunstprojekt , “mit dem deutsche, englische und schwedische Künstler die “Architektur der Ãœberwachung” ergründen wollen”. Wenn auch älter, so finde ich das immer noch höchst interessant, auch weil hier räumliche Verbindungen der Akteure und Objekte der Ãœberwachung gezogen werden und die vermeintliche neutrale Welt der Architektur mit einbezogen wird. Räume werden eben konstruiert – auch die der Ãœberwachung, zwingend sogar, um überhaupt erst die Vorraussetzung für Beobachtung, Spionage, eventuell auch Disziplin und Sicherheitsbedürfnis zu schaffen.

L.A. / USA: Kartieren der muslimischen Einwohner

Die Los Angeles Times berichtete vor ein paar Tagen von einer doch sehr merkwürdigen Initiative der Polizei von Los Angeles – sie wollen die muslimischen Bewohner LAs auf einer Karte festhalten und einen besseren Ãœberblick und einen Schutz vor Terror effektiver zu machen:

Los Angeles Police Department Deputy Chief Michael P. Downing, who heads the bureau, defended the undertaking as a way to help Muslim communities avoid the influence of those who would radicalize Islamic residents and advocate “violent, ideologically-based extremism.”
“We are seeking to identify at-risk communities,” Downing said in an interview Thursday evening. “We are looking for communities and enclaves based on risk factors that are likely to become isolated. . . . We want to know where the Pakistanis, Iranians and Chechens are so we can reach out to those communities.”

Der Spiegel fragt sich zurecht, ob das auch für deutsche Städte eine Option sein kann und ob es überhaupt sinnvoll ist. Politiker und Sicherheitsexperten (wer auch immer das so ist in solchen Artikeln… ) halten diese Idee für Unsinn und für Deutschland nicht anwendbar. Das ist ein schönes Beispiel wie Raum konstruiert und möglicherweise kriminalisiert bzw. margiinalisiert wird. Die Wirkung solcher Karten in der Öffentlichkeit ist nicht absehbar, könnte aber – je nach Darstellung – unkalkulierbare Folgen für urbanen Raum und das Zusammenleben von Menschen haben. Die Diskriminierung von Stadtvierteln über die potentielle Verdächtigung von bestimmten Bevölkerungsgruppen durch eher pauschale Darstellungen – Muslime -> Terrorgefahr – wäre eine Folge. Einen Schutz vor Terror kann man sicher auch anders regeln, ohne solch pauschalen Verdächtigungen mit all ihren (unabsehbaren) Konsequenzen

cfp: Surveillance at Mega Sports Events

CALL FOR PAPERS

We invite scholars to submit papers for the following one-day conference:
Security and Surveillance at Mega Sport Events: From Beijing 2008 to London 2012
April 25th 2008, organised by
– Institute of Hazard and Risk Research, Durham University
– School of Government and International Affairs, Durham University
– Centre for the Study of Cities and Regions, Department of Geography, Durham University

Conference Website

Fernüberwachung mit Drohnen und Robotern

Wie bei telepolis nachzulesen ist, testet die französische Regierung Flug-Drohnen zur Überwachung der Banlieues. (siehe auch einen Bericht zu den franz. Vorstädten im Weltspiegel)

…. das bedeutet aber nicht, dass etwa der Sicherheitsapparat die damaligen Ereignisse “vergessen” oder ad acta gelegt hätte. Er bereitet sich im Gegensatz geradezu fieberhaft darauf vor, für die Zukunft neue, technische Lösungen für eventuelle Krisen in den ausgedehnten Sozialghettos zur Verfügung zu stellen. (……. ) bereitet man sich offenkundig darauf vor, sie mit militärisch-technologischen Mitteln besser zu beherrschen. Und idealerweise aus der Ferne zu überwachen. (…… ) “Der Star” in diesem Zusammenhang heißt ELSA. Der vermeintliche Frauenname ist die Abkürzung für “Engin léger pour la surveillance aérienne”, also “Leichtes Gerät für die Luftüberwachung”. Es handelt sich bei diesen Apparaten um so genannte Drohnen, also kleine unbemannte Flugzeuge.

In diesem Zusammenhang ist auch der DARPA Wettbewerb “Urban Challenge” zu selbst fahrenden Fahrzeugen interessant, der gerade in den USA stattgefunden hat – Artikel bei Zeit Online – ein kurzes Video bei ARD.de/Weltspiegel. Bei aller technischen Faszination für die Disziplin der Robotik, sollte nicht vergessen werden – auch von den Forschern nicht – wer den Preis auslobt und zu welchen Zwecken diese Vehikel eingesetzt werden sollen: Es geht um Krieg und die Rüstungsindustrie – DARPA ist die Forschungsstelle des Verteidigungsministeriums in den USA, welches unter anderem auch das Internet in seiner Urform ausgetüftelt hat…
Mit solchen technischen Lösungen wäre nicht nur die Fernüberwachung garantiert – das wäre nicht neu – aber gleichzeitig auch eine direkte und für die kontrollierende Seite “ungefährliche” Eingriffsmöglichkeit geschaffen. In einem Krieg noch halbwegs nachvollziehbar – die Anwendung in den sozialen Brennpunkten rund um die Welt, wäre in der Tat eine neue Dimension von Sozialpolitik, Ãœberwachung und urbaner Planung.

PARCITYPATE – Künstlerische Interventionen und urbaner Raum

Das Symposium “PARCITYPATE – Künstlerische Interventionen und urbaner Raum” könnte auch im Kontext von Ãœberwachung interessant sein.

ParCITYpate eröffnet einen Diskurs über urbane Möglichkeitsräume, Praktiken städtischer Innovationen und neue interdisziplinäre Schnittstellen. Ziel des Symposiums ist es, künstlerische Strategien der Aneignung von urbanem Raum und daraus resultierende Formen der Partizipation und Stadtentwicklung zu untersuchen.

Besonders interessant finde ich eine Diskussion am Samstag (die auf der Webseite irgendwie nicht zu finden ist…. ) von 11.12.30 Uhr, u.a. mit Martina Löw (“Raumsoziologie”) und Edward Soja (“Postmodern Geographies”).  Stargast der Veranstaltung ist Daniel Liebeskind, der  Architekt.

Mannheim: Kameras werden abgebaut

Es passiert selten, aber es passiert: Videokameras im öffentlichen Raum werden abgebaut, weil der Ort nicht mehr als Kriminalitätssschwerpunkt gilt. Die Diskussion, die in Mannheim jetzt allerdings losgeht, offenbart die wahren Gründe für die Begeisterung der Kameras, zumindest bei den Einzelhändlern, die mit dem Element Sicherheit Geschäfte machen wollen.

Die Werbegemeinschaft City findet das “gar nicht gut”, wie Vorsitzender Lutz Pauels beklagt. Generell verstehe er Bedenken gegen eine überzogene staatliche Ãœberwachung. “Aber in der Innenstadt sind die Kameras notwendig und sinnvoll, hier haben sie sich bewährt”, betont Pauels. Die Sicherheit sei ein “enorm wichtiges Argument für den Einzelhandelsstandort”, hebt er hervor. “Stadt und Polizei hatten das bisher gut im Griff, jetzt besteht die Gefahr, dass alles wieder losgeht. Darauf sollte man nicht warten”, fordert Pauels ebenso wie der Bürger- und Gewerbeverein östliche Innenstadt. Beim “MM”-Bürgerbarometer 2002 befürworteten 84 Prozent der Befragten die Kameras.

Sicherheit vor wem ist dann die Frage – vor denen, die nichts kaufen und die anderen Kunden verschrecken, vor den Unliebsamen, den Pennern, Bettlern, Junkies, Jugendlichen, Skatern usw…. oder vor den Ladendieben und Kleinkriminellen, die die Kunden bedrohen. Die Polizei sieht das herzerfrischend pragmatisch und tut was sie gesagt hat: Kein Kriminalitätsschwerpunkt mehr – die Kameras kommen ab! Wie es weitergeht warten wir dann mal ab. Eine Innenstadt aber nur wegen des Einzelhandels zur Sicherheitszone zu erklären, wäre dann doch etwas zu viel des Guten und zum Glück hier nicht so einfach durchsetzbar. Aber auch da wird dem Vorbild England nachgeeifert und es werden so genannte Business Improvement Districts (IHK infosWikipedia-Eintrag, sieht nach IHK aus – Wikipedia engl. ) implementiert. Damit wird aber öffentlicher Raum zunehmend privatisiert und dann bedarf es auch irgendwann nicht mehr der Zustimmung der Polizei, ob Kameras hängen dürfen oder nicht. –>> Zum Phänomen der BIDs hier noch ein kritischer Beitrag von Georg Glasze.

Schön ist natürlich zu sehen, wie andernorts dann gleichzeitig, offenbar ohne Würdigung der Erkenntnisse der Kollegen Videoüberwachung ausgebaut wird – mit dem Zusatz “…. hofft bei der Verbrechensbekämpfung…. ” – das ist doch ganz schön vage für so harte Innenpolitiker.