Category: Kommentar

Überwachung: Wer verändert was oder wen?

The Conversation hat vor ein paar Wochen einen Artikel zum ewigen Thema “Data surveillance is all around us, and it’s going to change our behaviour” publiziert.

Aber warum die Frage nicht einmal umdrehen: Ändert unser Verhalten nicht auch die Überwachung? Sonst sind wir nur die amorphen Anhängsel technologischen Entwicklungen und das wäre zu kurz gedacht und würde auch jede Alternative, Gegenwehr oder widerständiges Verhalten obsolet werden lassen.

Doping, Sport und Überwachung

Seit gut 5 Jahren forschen wir nun zu Dopingkontrollen und Privatsphäre, oft wurden wir dabei kritisch beäugt, vor allem von den Dopingschützern und den Leuten, die kritisch zu Doping berichten. Die Privatsphäre spielte oft keine große Rolle, Dopingkontollen als Überwachung zu sehen, war eher hinderlich im Kampf gegen und der Entrüstung wegen Doping. Spätestens seit dem Hack des ADAMS durch russische Hacker ist aber klar, dass die dort vorgehaltenen Daten unsicher sind, – z.B. Auch Daten deutscher Athleten gehackt (DLF, 15.9.2016).

Darüber, dass die Sportler überwacht werden, dass das System nicht perfekt ist und die gesammelten Daten zum Nachteil der Sportler sein könnten, darüber regen sich erstaunlich wenig Leute auf. Der Aufreger ist, dass nun rauskommt, was viele ahnten oder wussten: Sportler dopen legal. Besser: Sie nutzen Ausnahmegenehmigungen für auf der Dopingliste stehende Mittel. Nichts Neues, aber nun ein Aufreger.

Studie zu Privacy in USA und Canada

Ein Vergleich US-amerikanischen Datenrechtes mit dem kanadischen: Priscilla M. Regan, Colin Bennett & Robin Bayley: If These Canadians Lived in the United States, How Would They Protect Their Privacy? The Functional Equivalence of Privacy Redress Mechanisms in Canada and the US

Die Autoren garantieren für eine gute Analyse. Interessant ist bei dem Artikel ein Seitenaspekt, nämlich, dass das Social Science Research Network (SSRN) jüngst von Elsevier gekauft wurde. Also eine open access Plattform von einem der großen Publikationsheuschrecken in der Wissenschaft, die vielfach kritisiert wird, aber deren Geschäftsmodell wir alle mit dem Wunsch nach Publikationen und dem Bibliometrie-Unsinn mitmachen. Dazu gibt es zahlreiche kritische Kommentare, hier einer: SSRN has been captured by the enemy of open knowledge.

GPS gegen Fahrraddiebstahl?

In der taz vom 8. Mai gab es einen Artikel zu GPS als Mittel gegen Fahrraddiebstahl, eine Art Selbstversuch der Redakteure. Beschattung eines Fahrraddiebstahls. Fang den Dieb. Amüsant zu lesen, interessant aber war am Ende diese Bemerkung, die so in anderen Blättern nicht gestanden hätte bei solchen Themen, die sich dann eher an der Technik begeistern und dafür werben, mehr Kriminalitätskontrolle dieser Art zu installieren.

Auch wer Überwachungstechnik für die richtige Antwort auf Armutskriminalität hält und als Kind einen Detektiv-Club gegründet hat, wird seinen Spaß haben.

Schöner Satz und Fazit!

Mehr “chilling effects” durch die NSA

Es gibt eine weitere Studie zu den so genannten chilling effects, die sich durch die Enthüllungen durch die NSA eingestellt haben sollen. Jon Penney: Chilling Effects: Online Surveillance and Wikipedia Use, in Berkeley Technology Law Journal, 2016.

Ich bin nach wie vor skeptisch bei diesen Ergebnissen, die einen, ja den Beweis gefunden haben wollen. Ich streite nicht ab, dass es Effekte geben kann, die Internet-Nutzer/innen dazu veranlassen, bestimmte Inhalte nicht zu suchen oder Begriffe nicht zu verwenden. Aber es sprechen ein paar Dinge dafür, sich zumindest kritisch damit zu befassen, u.a. der Zeitpunkt der Studie:

Techie’s tourist dictionary for NSA

CgjQUEsWsAAsq8nLetzte Woche war ich in Barcelona auf der Surveillance & Society Konferenz. Wie immer interessant, aber leider zu viele Eindrücke, um sie hier kurz wiederzugeben. Ich versuche ein paar Eindrücke mit Hinweisen zu verbinden. Hier ist einer. Während ich einem spannenden Vortrag von Duncan Campbell lauschte, kam mehr oder weniger die Nachricht über den Ticker, von deren Enthüllung er gerade sprach. Spies’ ‘staggering’ data requests revealed, (BBC 21.4.2016)

Eine schöne Syncronität der Ereignisse. Auch wenn der Vortrag nichts akademisch Neues enthielt, so waren ein paar Infos doch sehr vielsagend – sehr schön das Glossar zur Sprache der NSA.

“Geheimdienste wittern Morgenluft”

Der verehrte Kollege Reinhard Kreissl im Interview zu den Sicherheits- und Überwachungsdiskussionen nach Paris (gilt aber auch nach Brüssel noch) mit den Filmemachern Clemens und Katja Riha (candoberlin).

Wir haben uns mit dem Wiener Kriminalsoziologen und Feuilletonisten der Süddeutschen Zeitung über die Reaktionen der Politik auf den Terror in Paris unterhalten. Er sagt, dass die Geheimdienste nun Morgenluft wittern und die Kritik an ihnen in Zukunft schwerer sein wird. Was bringt Sicherheit? Und warum ist es immer dasselbe Spiel – schärfere Gesetze, höhere Überwachung, Aufstockung der Etats für Polizei, Armee und Sicherheitsmaßnahmen.

(leider lässt sich das Video nicht einbetten)

Nachtrag: Studie zu Überwachung

Bei Telepolis hat Florian Rötzer einen sehr differenzierten Bericht zur Studie von Elizabeth Stoycheff veröffentlicht. Die Aussagekraft der Studie ist begrenzt, auch wenn wir es gern anders hätten. Allein die Frage, warum die Überwachung zu einer Zensur bei Journalisten oder Schriftstellern führen soll, die eh öffentenlich publizieren, wie es der PEN mutmaßte, kann damit z.B. nicht beantwortet werden. Da wären Repressionen, wie in der Türkei oder anderswo geeigneter – und sind es ja auch.

Brüssel und die Sicherheit

Es gäbe einiges zu sagen zu den Anschlägen, zur Sicherheit, zu den Verlautbarungen vieler Experten und Berufener. Ich brauche noch etwas Zeit um die Gedanken zu ordnen. Ein paar habe ich schon mal kund getan bei jetzt.de, dem Jugendmagazin der Süddeutschen in einem Interview zum Thema: Warum Deutschland vom Terror bislang verschont geblieben ist? (24.3.2016)

Wie es immer so ist in Interviews, ich sage mehr als gedruckt wird, daher könnten manche Thesen etwas steil ein, aber insgesamt geht das so in Ordnung von mir aus.

Literatur und Surveillance Studies

Ich war einen Tag bei der sehr gelungenen Tagung Surveillance | Society | Culture in Göttingen. Es gab für mich sehr ungewöhnliche Perspektiven zu Überwachung zu hören, was vor allem damit zu tun hat, dass dort fast ausschließlich Kulturwissenschaftler/innen, besonders Literaturwissenschaftler/innen und die American Studies vertreten waren. Die Frage, die mich beschäftigt ist: Was haben diese Perspektiven, ihre Interpretationen von Romanen, Filmen und anderen Quellen den etablierteren zu sagen: der Soziologie, Politikwissenschaft, Kriminologie, Anthropologie, Recht etc.? Wie können wir ihre Ergebnisse nutzbar für unsere Forschung machen?

Eine Verbindung fiel mir beim Grübeln ein: In 3 Days of the Condor liest der von Robert Redford gespielte Charakter Bücher …

Das digitale Manifest….

…nun ja, weniger geht manchmal halt nicht, da muss es schon ein Manifest sein. Unter dem Titel Digitale Demokratie statt Datendiktatur fordern 9 Kollegen ein neues Umgehen mit der Digitalisierung und ihren Gefahren. Das ist löblich, aber auch spät und erscheint mir doch eher die Diskussion, die auch hier im Blog abgebildet wird – und bei allen, die sich mit dem Thema schon länger beschäftigen – zusammenzufassen, denn neu anzustoßen. Das Bild, dass von der Gesellschaft im Zeichen der Digitalisierung gezeichnet wird, ist doch sehr technizistisch.

Das veranlasst auch Ulf von Rauchhaupt dieses Manifest kritisch zu kommentieren – sein lesenswerter Artikel ist in der FAS vom 3.1.2016 erschienen in der Rubrik Soziale System (leider nicht online).

Das Manifest ist einen Blick wert, aber für alle, die sich mit dem Thema schon länger beschäftigen, bleibt es doch hinter den Diskussionen, wie wir sie führen zurück.