Fachtagung Vorratsdatenspeicherung am 17. September in Berlin

Unter dem Titel: “Das Ende des Informanten- und Datenschutzes?” lädt die Humanistische Union in Berlin am Montag, 17. September lädt zu einer Fachtagung zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland ein. Um Anmeldung wird gebeten.

Aus der Einladung:

Am 17. September 2007 veranstaltet die Humanistische Union eine rechts- und medienpolitische Fachtagung zur Vorratsdatenspeicherung. Dort sollen die europa-, verfassungs- und strafrechtlichen Bedenken gegen die Erfassung des Kommunikationsverhaltens diskutiert werden. Die Tagung findet in Kooperation mit zahlreichen Medien- und Journalistenverbänden statt.

Argumentationshilfe gegen den Ãœberwachungsstaat

Heribert Prantl schreibt in der Neuen Züricher Zeitung über den schleichenden Einstieg der westlichen Demokratien in Präventions- bzw. Überwachungsstaaten:

(…)

Jede einzelne der vielen neuen Massnahmen mag, für sich genommen, noch für tolerabel gehalten werden. Von einer einzelnen Videokamera geht keine Gefahr aus, von einer einzelnen Speichelprobe, die von einem völlig unverdächtigen Menschen genommen wird, auch nicht. Wenn der Mensch aber überall mit Videokameras beobachtet wird, wenn mit Erfassungssystemen festgehalten wird, wo und wann er welche Strassen benutzt, wenn die Daten seiner Flüge registriert, seine dortigen Essgewohnheiten festgehalten, seine Computer elektronisch durchsucht, seine Bankkonten staatlich visitiert, seine Persönlichkeitsdaten, seine Krankheiten und Gebrechen zentral abrufbar werden, dann ergibt sich die gefährliche Totalität aus der Summe.

(…)

Lesenswert.

Veranstaltung: Kriminalität und Raum

Am Leipniz-Institut für Länderkunde findet am 14. und 15. September die Tagung “Kriminalität und Raum – das Projekt einer kritischen Kriminalgeographie” statt – und anderem mit einem Vortrag zum Videoüberwachungsprojekt aus Hamburg. Mal sehen, wie so eine Kriminalgeographie aussieht….

Eine „kritische Kriminalgeographie“ stellt sich und muss sich (insbesondere zwei) andere Fragen stellen: Erstens: Welche Bedeutung hat Raum für die Definition/Konstruktion einer Handlung, Person oder Gruppe als deviant/kriminell? Zweitens: Welche Bedeutung haben Devianz/ Kriminalität für die Konstruktion/Produktion von Raum?

Britische DNA Datenbank fehlerhaft

Großbritannien hat laut Eigenwerbung die wohl umfangreichste DNA-Datenbank der Welt. Seit Gesetzesänderungen 2001 und 2004 kann dort von jedem, den die Polizei als Verdächtigen festhält, ein DNA-Profil hinterlegt und auf unbegrenzte Dauer gespeichert werden – selbst wenn sich der Festgenommene als unschuldig erweisen sollte. So sind mittlerweile mehr als 5 Prozent der Bevölkerung dort verzeichnet, in knapp 4 Millionen Einträgen. Oder so in etwa. Denn wie die Tageszeitung Independent nun berichtet (siehe auch heise.de), sind rund eine halbe Million Einträge davon doppelt, weil sie von nachlässigen Beamten unter falsch geschriebenen oder nicht existenten Namen abgelegt worden sind. Demnach sind rund ein Siebtel der Einträge Kopien.

Anti-Ãœberwachungsdemo am 22.09.

Gerade bei Meike gesehen:

Anti-Ãœberachungs-Demo

Berlin, 22.9.2007, 14:00 Uhr

Am 22.9.2007, 14:30 Uhr startet vor dem Brandenburger Tor in Berlin die große Demonstration gegen den Überwachungswahn. “Freiheit statt Angst” lautet der Titel. Der FoeBuD mobilisiert dazu zusammen mit vielen weiteren Organisationen, die sich im “Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung” zusammengeschlossen haben.

Mit der Vorratsspeicherung der Telekommunikation und Online-Durchsuchungen von Computern stehen weiter verschärfte Sicherheits- und Überwachungsbefugnisse auf der unersättlichen politischen Agenda. Dabei bewirkt die zunehmende elektronische Erfassung und Überwachung der gesamten Bevölkerung keinen verbesserten Schutz vor Kriminalität, kostet Millionen von Euro und gefährdet die Privatsphäre Unschuldiger. Wo Angst und Aktionismus regieren, bleiben gezielte und nachhaltige Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheit ebenso auf der Strecke wie ein Angehen der wirklichen, alltäglichen Probleme der Menschen (z.B. Arbeitslosigkeit und Armut).

Hinzu kommt: Wer sich ständig überwacht und beobachtet fühlt, kann sich nicht mehr unbefangen und mutig für seine Rechte und eine gerechte Gesellschaft einsetzen. Es entsteht allmählich eine unkritische Konsumgesellschaft von Menschen, die “nichts zu
verbergen” haben und dem Staat gegenüber – zur vermeintlichen Gewährleistung totaler Sicherheit – ihre Freiheitsrechte aufgeben. Eine solche Gesellschaft wollen wir nicht!

Um gegen Sicherheitswahn und die ausufernde Ãœberwachung zu protestieren, gehen wir am Samstag, den 22. September 2007 in Berlin unter dem Motto “Freiheit statt Angst – Stoppt den Ãœberwachungswahn!” auf die Straße. Treffpunkt ist der Pariser Platz (Brandenburger Tor) um 14.30 Uhr. Der Protestmarsch durch die Stadt wird unter anderem über den Alexanderplatz führen, bevor er mit einer großen Abschlusskundgebung vor dem Brandenburger Tor enden wird.

Weitere Infos unter www.FreiheitStattAngst.de

Reports: CCTV and Identity Theft

1. ACLU-Report und Wired-Artikel

Under the Watchful Eye, a new report issued by the California ACLU affiliates, examines the justifications for and consequences of this dramatic expansion in government video surveillance of public space at the local level.

2. Report des National Institute of Justice (USA) on Identitiy Theft

Identity theft has become perhaps the defining crime of the information age, with an estimated 9 million or more incidents each year.[1] Publicity regarding severe cases of identity theft in the print and electronic media and portrayal of the risk of identity theft in a number of effective television commercials have raised public awareness about identity theft. Arguably, however, few persons are aware of the complexities of the many issues involved with this crime, which is really a large set of fraudulent activities ranging in size from minor swindles to major crimes using stolen identities. These fraudulent actions are perpetrated by a broad spectrum of offenders, from family members to shadowy, international criminal gangs.

Die neue Vermessung der Welt

Kartographie ist offenbar auf dem Vormarsch. So bringt die ZEIT jede Woche eine neue Karte zu Deutschland heraus (leider habe ich noch nicht herausfinden können, wo alle in einer Ãœbersicht aufgeführt sind) – die letzte zu den 50 reichsten Deutschen. Welch tieferer Sinn dahintersteckt erschließt sich mir noch nicht, gehen doch diese Karten über eine bloße einfach beschreibende Funktion nicht hinaus. Aber auch hier – ein neues Bild der Wirklichkeit, dass sich anzusehen lohnt. Vielleicht sollte man diese Karte einmal mit den Sicherheitsaufkommen in den Städten, den Ausgaben für Sicherheitstechnik o.ä. vergleichen – dann wären wir einen Schritt weiter…

Nun hat die Welt einen Artikel zu Ich-Geografie veröffentlicht – Die neue Vermessung der Welt. Darin geht es um Kartendienste im Internet, mit denen die Nutzer ihre eigenen Karten der Welt (ihre Weltbilder ?!?) machen bzw. darstellen können. Welt wird organisiert, allen mitgeteilt und offensichtlich überwacht. Da die Karten allen zugänglich sind, bildet sich ein sehr buntes Bild der Welt heraus, welches mehr als Atlanten persönliche Bilder der Welt repräsentieren.

Zwei neue Bücher zu Überwachung

Hier eine kleine Vorschau auf zwei Bücher zum Thema Überwachungstechnologien, die im September bzw. Dezember erscheinen sollen.

1. Rosol, Christoph
RFID. Vom Ursprung einer (all)gegenwärtigen Kulturtechnologie
Kulturverlag Kadmos, erscheint voraussichtlich im September 2007 (Titel kann vorbestellt werden) – ISBN: 978-3-86599-041-9

2.Sandro Gaycken, Constanze Kurz (Hg.)
1984.exe – Gesellschaftliche, politische und juristische Aspekte moderner Ãœberwachungstechnologien, transcript.
erscheint im Dezember 2007 – ISBN: 978-3-89942-766-0

Sofsky und die Privatsphäre

Wolfgang Sofsky, Soziologe und seit einigen Jahren schon ein zumindest interessanter Denker, hat sich seit einiger Zeit auch zum Thema Ãœberwachung und Kontrolle geäußert. Zuletzt am Sonntag in der FAS mit dem Essay “Im Innern der Zitadelle ist alles erlaubt. Moralprediger, Toleranzprüfer, Steuereintreiber: Sie alle greifen die Privatsphäre an. Dabei ist sie der Hort der Freiheit.”

Es sind alllemal interessante Gedanken und Perspektiven, mit denen er dass Thema Privatsphäre anpackt und so als Denker auch für die Surveillance Studies wichtig wird. Allein dass er Privatheit als solche wie eine Festung betrachtet, die es zu schützen gilt, ist zumindest in der Wortwahl eine andere Wendung und Sichtweise davon.

Wie jede Freiheit ist Privatheit zuerst negativ. Die Mauern sind Bollwerke gegen äußere Eindringlinge und innere Verräter. Sie werden verteidigt, indem man seine Geheimnisse wahrt, fremder Einmischung Schranken setzt, ein Glacis sozialer Distanz planiert. Der Privatier legt Wert auf Abstand. Weil Menschen jederzeit verletzbar sind, können sie einander stets gefährlich werden. In der physischen Konstitution des Homo sapiens findet Privatheit ihren letzten Grund.

Ist Paranoia also gut – und wenn ja, welche? Privatshäre bzw. ihre Verteidigung kann also durchaus verschiedene Gründe haben – ein Geheimnis bewahren, eine Verschwörung planen, seine Integrität schützen oder einfach nur in Ruhe gelassen werden. Es geht immer um das Private auf der einen und immer häufiger den Staat auf der anderen (und andere Akteure, die an unsere Daten und unsere Gedanken wollen).
Es kommt wenig aus deutschen Landen zu dem Thema auf den Tisch, dass nicht mit Datenschutz oder Recht zu tun hat, Sofsky liefert bestimmt eine andere Perspektive, die theoretisch neues Futter bietet.

Buch: Wolfgang Sofsky: Verteidigung des Privaten. Eine Streitschrift. 2007.

Kontrolle der Wissenschaften

Der Fall des Berliner Stadtsoziologen Andreij H. sowie zwei weiterer Personen ist nicht neu. Jetzt hat die Zeit ein Interview mit Hartmus Häußermann und den Hintergründen der offensichtlichen Justiz-Farce. Unterstützung kann auf der Webseite freeandreij bekundet werden – dort steht auch der offene Brief der Wissenschaftler zu dem Fall. Außerdem erhebt die Anwältin des Beschuldigten schwere Vorwürfe gegen die Bundesanwaltschaft.
Nach dem fehlgeschlagenen Versuch dei Journallie einzuschüchtern, sind nun die Wissenschaftler an der Reihe – was immer an dem Fall dran ist oder wohl eher nicht – eine Unschuldsvermutung scheint unter den gegenwärtigen Sicherheitsdiskursen nicht zu gelten. Und ob Sympathiebekundungen oder einfach nur der Umstand, darauf aufmerksam zu machen, bereits für einen weiteren Verdacht reichen, wird sich in Zukunft zeigen.

Das Kritiker diverser Überwachungsmaßnahmen offen und durch die Blume von Politikern und anderen Wortführern bereits in der Vergangenheit mehrfach als Terrorsympathisanten bezeichnet wurden ist nicht neu, aber immer noch infam und obszön. Irgendwas scheint sie ja doch zu stören, auch wenn sie ansonsten die meiste wissenschaftliche Kritik eher ignorieren oder lächerlich machen. Jetzt aber wurde ein Schritt zu weit gegangen. Ich hoffe sie verlieren wie im Falle der Journalisten ebenso deutlich und der Richter macht sich schlau, welche Fremdworte so üblich sind in der Wissenschaft (Anarchie wäre wahrscheinlich auch so ein Reizwort) schaun mer mal wie der KaiserFranz sagt, wer oder was so als nächstes dem Sicherheitswahn und der paranoiden Angst der Ermittlungsbehörden zum Opfer fallen wird.