Category: Videoüberwachung / CCTV / BodyCams

Videoüberwachung und Demonstrationen

Ein altes Thema, aber schon  lange nicht Neues mehr davon gehört. Jetzt haben Peter Ullrich und Philipp Knopp einen Aufsatz im Berliner Journal für Soziologie dazu veröffentlicht.

Abschreckung im Konjunktiv. Macht- und Subjektivierungseffekte von Videoüberwachung auf Demonstrationen

Die polizeiliche Videoüberwachung von Demonstrationen wird vor allem für die vermutete Abschreckungswirkung auf die Teilnahmebereitschaft an Demonstrationen kritisiert. Die vorliegende empirische Untersuchung zeigt, dass ihre Wirkungen deutlich komplexer sind. Auf Basis von Gruppendiskussionen mit rechten, linken und (links-)liberalen Demonstrierenden sowie Fußballfans werden die Macht- und Subjektivierungseffekte von Videoüberwachung systematisch in einem Grounded-Theory-Design untersucht.

(und es ist open access, der Artikel also frei verfügbar)

Der illegale Film

Das Bild an sich ist auch ein Teil vieler Überwachungsdiskussionen. Das Bild ist nicht Überwachung, aber die Beherrschung der Bilder, die Frage der Verfügungsgewalt über sie, ihre Ausgestaltung und nicht zuletzt die Technologien, mit denen sie gemacht, verbreitet, bearbeitet und gesammelt sowie analysiert werden, sind auch immer Fragen und Aspekte der Überwachung mit verbunden.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Martin Baer und Klaus Wischmann haben dem Bild nun einen Film gewidmet – und was auf den ersten Blick (!) ironisch in der Formulierung anmuten mag, ist dennoch sehr konsequent, auch und gerade in unserer bildgewaltigen Welt, in der das Bild an Wahrheitsgehalt immer mehr verliert, wenn es denn je wahr gewesen ist.

Corner-Surveillance + 24/7 Photography

Alexander Steig
Corner-Surveillance + 24/7 Photography
3-Kanal Closed-Circuit Videoinszenierung, Artothek München, 18.01. – 23.02.2018

Drei Überwachungskameras werden ihrer Funktion durch eine 180-Grad-Drehung enthoben; sie übertragen nun die Raumecken auf drei Projektionsflächen im Ausstellungraum. Das Bild wirkt geometrisch abstrakt und changiert optisch zwischen Zweidimensionalität und dreidimensionaler Konkavität und Konvexität. Dass durch die Echtzeitübertragung auch die vierte Dimension der Zeit ins Bild gesetzt wird, dehnt das einfache Sujet Richtung unendlich. Es handelt sich bei der Arbeit also um den Versuch, die Verschränkung von Malerei, Bildhauerei (Architektur) und Video in Bezug auf die Raumzeitachse und den Ortsbezug zu inszenieren.

Webcams überkleben, Mikros überhören

Nur ein spontaner Post: Alle reden einem gut zu, die Webcam zu bekleben, will man sich (halbwegs) sicherer und unausgespäht fühlen, z.B. dieser (2017) SZ-Artikel. Sogar die Regierung verschickt Webcam Sticker und Laptop-Hersteller bieten eingebaute Webcam-Schieber an.

Alles schön und gut, aber wie klebt man sein Mikrofon ab? Auch der oben zitierte SZ-Artikel erwähnt mit keinem Wort, dass im zitierten Tweet von @topherolson ausdrücklich steht: “Mic jac covered with tape”. Und das, obwohl ein Lauschangriff aufs gesprochene Wort wohl wesentlich effektiver und ergiebiger ist für Geheimdienste und alle sonstigen Spitzel (und wie effektiv ist es eigentlich, ein Mikro abzukleben?).

Ist für mich (mal wieder) ein Beispiel der “Bilder der Überwachung”, sprich: der Blindheit (Taubheit), die diese Bilder bei uns offenbar hervorrufen.

KFN-Studie zu Videoüberwachung

Das KFN in Hannover hat eine Studie zur Wirksamkeit von Videoüberwachung veröffentlicht, genauer: Ergebnisse der Evaluation der polizeilichen Videobeobachtung in Nordrhein-Westfalen gema?ß § 15a PolG NRW.

Darin werden eine Menge von Studien zitiert, auch meine Ergebnisse von 2007 und andere. Die Ergebnisse sind kaum überwältigend, sondern bestätigen wie so oft, dass die Kameras im Ergebnis wenig bringen.

Der Freiheitsfoo hat ein paar Ergebnisse herausgearbeitet und kommentiert. Das ist sehr hilfreich, danke dafür.

Ich würde auch dieses Mal wieder behaupten, dass Kamerasüberwachung im öffentlichen Raum zur Kriminalitätsreduzierung ein politisches Mittel sind, auf das Hoffnungen eher projiziert werden, als Kriminelle abgeschreckt, wenn denn eine solche Gleichung so einfach möglich ist.

Angst und Gesellschaft

In der Reihe “Die 100 großen Fragen des Lebens” im Hamburger Abendblatt bin ich Teil eines Interviews mit dem Titel: Wann wird die Angst zu einem Problem? 

Erschienen am 6. Oktober 2018 im Abendblatt. Die Fragen stellte Lars Haider, Chefredakteur des Hamburger Abendblattes.

(Überwachung ist das nur am Rande und um drei Ecken, aber ich habe die Kamera als Symbol mit zum Fototermin gebracht, dass muss für dieses Mal reichen.)

Libellenaugen: Film aus Überwachungsbildern

Vimeo

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Vimeo.
Mehr erfahren

Video laden

Ein Film ausschließlich aus Bildern öffentlich zugänglicher Überwachungskameras – zusammengestellt aus 11.000 Stunden Material vom chinesischen Künstler Xu Bing.

Texte zu Polizei und Videoüberwachung

Der geschätzte Kollege Peter Ullrich vom Berliner Institut für
Protest- und Bewegungsforschung hat zwei neue Texte online gestellt, die es zu lesen lohnt.

  1. Ullrich, Peter. 2018. Researching Police in/under Protest. Police Research as a Journey of Discovery with Obstacles. Berlin: Institut für Protest- und Bewegungsforschung.
  2. Ullrich, Peter. 2018. Videoüberwachung von Demonstrationen und die Definitionsmacht der Polizei. Zwischen Objektivitätsfiktion und selektiver Sanktionierung. Berlin: Technische Universität

James Bulger und die Videoüberwachung

Es ist sicherlich kein schönes Jubiläum, aber nach 25 Jahren durchaus ein Anlass daran zu erinnern. Der Fall des Kleinkindes James Bulger, der von zwei 10-Jährigen aus einer Shopping Mal entführt und auf Bahngleisen getötet wurde hat nicht unwesentlich zur Ausweitung der Videoüberwachung in Großbritannien geführt. Ob es geholfen hat, steht auf einem anderen Blatt.

Radio Bremen erinnert daran (bereits am 12.2.2018) in seiner Reihe “As time goes by”. Direktlink: 12.2.1993: Kinder begehen grausames Gewaltverbrechen.

Die Hintergründe kann man auch im Guardian aus dem gleichen Anlass lesen. Die mittlerweile Erwachsenen Täter sind inzwischen frei, die Überwachung explodiert, und es bleibt weiterhin fraglich, ob solche zugegebenermaßen sehr seltenen Verbrechen dadurch verhindert werden können. Anlass für den ohnehin vorhandenen Wunsch, den öffentlichen Raum zu überwachen, werden sie auch in Zukunft bleiben, wie andere auch. Gelöst hat die Videoüberwachung diese Art gesellschaftlicher Verwerfungen nicht und wird es auch in Zukunft eher nicht tun.

BodyCams und der function creep

In den Diskussionen über BodyCams wird hierzulande, auch von mir, immer wieder darauf hingewiesen, dass diese in den USA vor allem dazu verwendet werden, das Verhalten der Polizei zu beobachten und diese damit zur Rechenschaft gezogen werden können. Das erscheint angesichts der Situation und dem Verhalten der Polizei in den USA auch folgerichtig.

Aber warum sollte nicht auch hier ein Funktionswandel stattfinden (function creep), wie er in dem Artikel In Practice, Police Accountability Is Not The Main Function Of Body Cameras beschrieben wird.

As we near the end of the year, we’re re-upping some stories worth a second look. This year, police body cameras made the transition from experimental tech to standard equipment. Sales exploded after the 2014 Ferguson protests as police departments scrambled to refute claims of abuse. Now the cameras have become routine, but they’re not making a significant dent in the number of people shot and killed by police. (NPR 24.12.2017)

Kunstprojekt zu Videoüberwachung

Ein Buch zum Projekt Visus Visere (Ausstellung und Symposion im Kunstraum München, 02.-31.07.2011.) ist im Icon-Verlag (2017) erschienen.,

Mit dabei auch ein  Interview das die Journalistin Ilka Kreutzträger dafür mit mir geführt hat.

… Videoüberwachung soll als Präventivmaßnahme zum Schutz der Bevölkerung in der Öffentlichkeit dienen; zur Überführung von Straftätern wird sie als Aufklärungsinstrument herangezogen. Plätze, Straßen, Bahnhöfe, aber auch merkantile Einrichtungen und das private Umfeld bis zur eigenen Haustür finden Eingang in die allzeit wachsamen Augen unzähliger Kameras; ob gleichzeitig ein Augenpaar am Bildschirm diese Informationen bewertet (und im Falle einer Besonderheit »entsprechende Maßnahmen« einleitet) oder die Bilder digital gespeichert (und bei Bedarf rückwirkend eingesehen) werden, hängt von Faktoren wie Gefährdungslage, Relevanz des Ortes und finanziellen Mitteln ab. … Aus dem Vorwort von Alexander Steig

Mit Beiträgen von Ilka Kreutzträger (Interview), Nils Zurawski, Patricia Drück, Simon Frisch und Slavko Kacunko (Texte)