Category: Kommentar

Freie oder dopingfreie Gesellschaft?

Offensichtlich geht nicht beides. Die FAZ berichtet über das Dilemma der Dopingfahnder, die nach dem neuen WADA-Code sich selbst ad absurdum führen könnten, denn was darin festgehalten ist, ist die lückenlose Totalüberwachung mit ausgesprochenem Generalverdacht der betreffenden Sportler. Videoüberwachung und die Vorratsdatenspeicherung sind bezogen auf die Gruppe der betroffenen Sportler so als ob ein Mutter ab und zu in den Hof den Kindern zuruft “seid ihr alle da? Macht ja keinen Unsinn!”

Die Kritik der Sportler ist berechtigt, die der Datenschützer und Juristen ebenfalls. Dass aber Radsportler in Belgien klagen und sich deutsche Mitglieder der Regierung sich aber ausgerechnet zu Wort und Bedenken anmelden, ist schon bizarr. Die Regierung hatte bisher wenig Probleme damit auch noch jedes Grundrecht einzuschränken oder zumindest den Versuch zu machen. Und Doping ist kein Einzelfall, sondern systematisch und Teil des Profisports, mit seinen Sponsoren, den Fördermitteln des Bundes, dem chauvinistischen Geheul bei Olympia und einem vielen Heuchlern, die gern im Glanze der Sportler stehen und diese nur beschränkt unterstützen und so tun, als gäbe es das alles nicht. Es bleibt aber die Frage nach den Möglichkeiten ein Dopingkontrollsystem der Fairness zuliebe zu schaffen, welches gleichzeitig die Bürgerrechte und die Privatsspäre weitgehend achtet. Was wäre zu tun?

Ein wie ich finde sehr interessantes Thema, was hier nicht zum letzten Mal (oder ersten Mal) auftauchen soll. Und sicherlich auch ein ergiebiges Feld der Forschung. Ich freue mich auf Anregungen und Kommentare.

Noch ein Skandal? – Journalisten heimlich gefilmt

Die Frage würde ich mit nein beantworten. Die Bespitzelungen sind keine Skandale mehr, sondern Alltag, gewöhnliche Frechheiten und Maßlosigkeiten im Umgang mit Kritik, weil es so tolle Möglichkeiten gibt und anscheinend das Gefühl für den verantwortungsvollen Umgang mit Daten, Kritik und der Privatsspäre anderer abhanden gekommen ist.

Hier nun also ein Fall aus Frankfurt: Datenschützer rügt Fraport.

Corpus delicti

Ich kenne weder das Buch, welches dieser Tage erscheint, noch das Theaterstück, was vor 2 Jahren uraufgeführt wurde. Zur literarischen Qualität kann ich also nichts sagen, aber das kann ich ja nachholen. Aber die Begeisterung (“Das Buch der Stunde”, die Zeit, 26.2.2009) über das von Julie Zeh gewählte Thema und die Umsetzung in einer Dystopie verlegt ca. 50 Jahre in Zukunft ist schon beachtlich., ja tut so als würde sie das Problem gerade als erste erkennen. Selbst für die Literatur tut sie das nicht, wohl aber als eine der wenigen Autoren der Gegenwart nimmt sie sich eines Themas an, welches – so sagen wir Wissenschaftler, Aktivisten und Datenschützer – seit Jahren heiß ist, welches aber nicht genut Beachtung findet. Erst wenn die Post, Telekom und die Bahn ihre Mitarbeiter beschnüffeln, dann regt es plöthlich alle auf – vorher wird uns Panikmache attestiert.

Wie auch immer. Es zeigt sich einmal mehr: Wir brauchen die Kunst, um auf Themen aufmerksam zu machen, die unter uns seit Jahren diskutiert werden, die keinem wirklich neu sind und dennoch keine Beachtung gefunden haben. Gesundheit und Hygieneideologien als faschistische Ansätze einer Kontrollgesellschaft werden schon länger diskutiert, das Verhältnis von Disziplin und Körper seit Jahren in den Seminaren zu und um Foucault und die Gesundheitskarte steht in der Kritik, wenn sie auch keiner hören will. Jetzt also ein Buch dazu, was gefeiert wird – ob es den gewünschten Effekt haben wird, bleibt abzuwarten – vielleicht kann Literatur dann doch nicht so viel.

Tarnkappe gegen Videoüberwachung

Eine einigermaßen schräge Idee kommt aus den Laboratorien von HP – dort wurde eine Art Schutz vor Kameras entwickelt, vor der man sich allerdings registrieren muss, damit man dann auch geschützt ist…. Der Standard hat dazu einen Artikel, in dem er der – gutwillig gesagt – grotesken Idee tatsächlich mit Ernsthaftigkeit begegnet und auch Datenschützer und andere Kritiker zu Wort kommen lässt. Das ist richtig, versteht mich nicht falsch, aber der Ansatz von HP ist so absurd, dass jede weitere Diskussion sich eigentlich von allein erledigt.

Kein Datenskandal bei der Bahn

…, sondern ein Fall von unverhohlener Schnüffelei und die Missachtung von existierenden Gesetzen sowie dem Abhandenkommen jeden Maßes. Ich bin etwas unzufrieden mit der Gewichtung der Bahn-internen Anti-Korruptionskampagne in der Presse ( auch: die Zeit; Spiegel Online u.a.)  Nicht weil sie alle Recht haben, darüber in aller Schärfe zu berichten und dabei auch gute Berichte und Analysen sind, sondern weil es immer auf den Datenschutz hinausläuft und wie man den mit neuen Regeln besser schützen kann. Das ist auch der Tenor des Interviews von tagesschau.de mit Constanze Kurz vom CCC.

Ihre Argumente und Bedenken sind ohne Zweifel angebracht und richtig, aber sie treffen nicht den Punkt und den Kern der Sache. Ein verbesserter Datenschutz mit noch mehr Regeln auch für die Arbeitnehmer, Kontrollinstanzen usw. nützen alles nichts, wenn der Wille vorhanden ist, das alles nicht zu beachten und sich zu benehmen als wenn man selbst bestimmen würde, was Recht und was Unrecht ist. Die Bahn und vor ihr die Telekom haben einfach jedes Maß verloren. Da von einem Datenskandal zu sprechen ist nicht genug. Das trifft eher auf den putzigen Fall des Weihnachtsstollens zu, nicht aber auf das Verhalten im Bahn oder Telekomfall.

Es schient, als wenn die Möglichkeiten der Technologie genutzt werden, weil sie da sind und die Bespitzelung von Mitarbeitern eine normale Prozedur wäre. Der Verdacht ist ohnehin immer im Raum in diesen Zeiten (Der Freitag, 11.2.2009) – jeder ist verdächtig, gleich ob Terror, Korruption, falsche Gesinnung oder Sozialbetrug – da heißt es halt wehret den Anfängen, oder?

Und natürlich ist es eine Groteske, dass sich der Innenminister als Schutzheiliger in die Debatte einschaltet, hat er doch seit Jahren für ein Klima des Verdachtes gesorgt und die massenhafte Verdächtigung hoffähig gemacht. Warum sollen Firmen sich an Gesetze gebunden fühlen, deren Inhalt der Staat kontinuierlich aushöhlt. Immerhin ist er gegen ein Verbot von Datenabgleichen…..

Kameras, Kameras, Kameras

Zum Relaunch von Surveillance & Society hier ein paar Meldungen und Vermischtes zum Thema Kameras. In Hamburg hat die Polizei stolz vermeldet, dass sie einen Fahrraddiebstahl mit Hilfe von Kameras aufgeklärt hat. Und das schon kurz nach dem Diebstahl. Irre, was alles als Erfolgsmeldung herhalten muss.

In Wien sollen im Gemeindebau in Zukunft Kameras die Hausordnung einhalten helfen. Widerstand regt sich bereits, die Testphase ist teuer und offenbar ineffektiv. Die Wiener Presse fragt da auch gern mal einen Deutschen Datenschützer, der dann auch erklärt, dass die Videoüberwachung teuer und ineffektiv ist und dabei auf die englischen Erfahrungen verweist. Es gibt aber auch Interpretationen, wonach die Mieter sich genau diese Überwachung wünschen.

Angesichts der gegenwärtigen Terrorlage (die Bedrohung nimmt zu) will auch die Bahn die Sicherheitsmaßnahmen verstärken. Dagegen ist ersteinmal nichts zu sagen. Nur, das die Bahn mit mehr Polizei und Videoüberwachung auch auf die allgemein gestiegene Gewalt reagiert wundert doch. England, das Großeinsatzgebiet der Kameras in Europa, hat auch eine der höchsten Kriminalitätsraten Europas, besonders auch bei der Jugendkriminalität. Allein die Videokameras können es wohl dort nicht richten. Und das wundert nun doch. Allerdings könnten die geplanten Kameras in den Zügen tatsächlich etwas verbessern – nur lässt es sich wieder schwer messen, es wird unklar formuliert und verletzt bestimmt auch einige Rechte der Kunden. Aber schauen wir mal – es wird nicht die letzte Kamera sein, die aufgehängt wird.

Oscarnominierung für Überwachungsfilm

Die Nominierungen für die 81. Verleihung des Academy Award of Merit, besser bekannt als “Oscar”, sind bekannt gegeben worden. Einer der Anwärter in der Kategorie Bester Kurzfilm ist Auf der Strecke (On the Line) des Schweizer Filmemachers Reto Caffi. In dem 30minütigen Film, der schon zahlreiche Preise auf Filmfestivals abgeräumt hat, hat ein Warenhausdetektiv heimlich ein (elektronisches) Auge auf eine Verkäuferin geworfen und beobachtet sie mit Hilfe des hauseigenen Videoüberwachungssystems. Den Trailer gibt es hier zu sehen.

Ãœberveillance – muss das sein?

In Australien steht der Begriff Uberveillance zur Auswahl zum Wort des Jahres.

noun. an omnipresent electronic surveillance facilitated by technology that makes it possible to embed surveillance devices in the human body. Also, überveillance

Drs Michael and Michael had been researching the trajectory of ‘beneath-the-skin’ surveillance technologies that could identify and locate individuals.
The duo said the word simply ‘came out’ in a moment of inspiration, when Michael was searching for words to describe the embedded technologies. They said the term “surveillance” didn’t describe the full extent of the technological capabilities available today.
“Michael could find no other term but to bring together the German prefix “über” with the French root word “veiller” to describe the exaggerated surveillance conducted by governments in the name of national security,” Dr Katina Michael said.

Ich frage mich, ob es wirklich eines so komischen Wortes bedarf, um zu beschreiben worum es sich handelt. Denn auch das französische Prefix “sur” heißt “über”, veiller kommt von lateinisch vigilare = wachen. Ist das nur ein Hype oder kann man damit in der Forschung wirklich besser arbeiten – auch wenn der Begriff surveillance / deutsch: Ãœberwachung längst nicht alle Phänomene adäquat beschreibt, die darunter gefasst werden. Es wird nicht besser mit “überveillance”, oder doch?

25c3 – Nothing to Hide – aber eine Menge zu verlieren

Danke an Marco für die Eindrücke vom CCC Kongress. Die vorgestellten Thesen sind in der Tat etwas, dass meinen Kommentar herausfordert. Schwierig ist, dass ich den Vortrag nicht gehört habe und endgültig wohl warten muss, bis er online verfügbar ist, dennoch hier ein paar Bemerkungen.

Zum einen sind die Thesen so neu nun auch wieder nicht. Und der Privacy-Aktivist John Gilmore hat es in seiner Eröffnungsrede ja auch gesagt – es sind die Thesen von David Brins Transparent Society, die dieser bereits vor 10 Jahren aufgestellt hat. Ein schwieriges Buch. Der Ansatz ist klasse – mehr Transparenz. Wenn der Staat von uns so viel erfahren will, dann soll er im Gegenzug auch von sich alles preisgeben. Der Schluss dann alles öffentlich und einsehbar zu machen ist allerdings falsch, bestenfalls problematisch – denn diese Gleichung kann es zwischen dem Staat und seinen Bürgern nicht geben. Der Staat darf diese Rechte nicht von seinem Bürger einfordern, während der Bürger sehr wohl auf ein mehr an Transparenz Anspruch haben sollte.

Die totale Offenheit, die in den Thesen mitschwingt, ist der Tod von Gesellschaft – ein Blick in Heinrich Popitz’ “Ãœber die Präventivwirkung des Nichtwissens” ist da hilfreich und sehr lohnend (in ders. Soziale Normen, FfM 2006).

Die unheimliche Ironie der Ãœberwachung

Wie Cory Doctorow, Autor von Little Brother im Weblog Boingboing meldet, machen in Brighton “unheimliche” Plakate Werbung für Videoüberwachung mit dem Slogan More CCTV means more security for you. Doctorow kommentiert das Plakat wie folgt:

These unbelievably creepy pro-spy-camera ads have gone up in the Brighton, England train-stations. It’s like they’re not even trying anymore. (Or maybe it’s a prank? Could someone really have put this up in a public place this with a straight face?)

(Für eine ausführlich Erläuterung, warum Plakate, die für Videoüberwachung werben, notwendigerweise unheimlich wirken und unter dem Verdacht stehen müssen, ein Prank, eine Fläschung in subversiver Ansicht zu sein, siehe die Seiten 246-249 in meinem Buch Bilder der Überwachung, wo ich ausführlich auf die Rezeption dieses schönen Plakates eingehe. Siehe auch hier und hier. Für ein anderes Beispiel hier.

Nachtrag: Man vergleiche das Design des Plakats mal mit diesem Cover.

Nichts zu verbergen, nichts zu befürchten?

Eine kleine Erinnerung an das Volkzählungsurteil von 1983 von Claudia Venohr, NDR Info, bei tagesschau.de.

Nichts zu verbergen, nichts zu befürchten?

Mal schauen, was es 2011 so gibt mit der neuen Volkszählung – aber eine solche Erhebung scheint nichts zu sein zu dem, was ohnehin schon an Maßnahmen, Kontrollversuchen, Datenlecks und Sammlungen vorhanden ist. Auch wenn sich die Regierung gerade als größte Datenschützer der Welt gerieren – und an anderer Stelle genau das Gegenteil davon tun.