Author: Nils Zurawski

Dr. habil. Nils Zurawski, ist Soziologe und Ethnologe und Initiator des Forschungs-Netzwerkes Surveillance-Studies. Er arbeitet als Wissenschaftler am Institut für kriminologische Sozialforschung an der Universität Hamburg sowie als freier Mediator/Moderator/Konfliktberater. Hier gibt es mehr Informationen zu seiner Arbeit: https://www.surveillance-studies.org/zurawski

Krypto und die NSA

Der Sprektrum-Podcast von Detektor.fm befasst sich hier mal mit Kryptografie und dem, was unter dem Namen der Kryptokriege bekannt geworden ist. Wer es noch nicht kennt (hier wohl eher viele, aber dennoch): Der Algorithmus, der die NSA in den Wahnsinn trieb.

Die Frage ob Kryptografie ein Grundrecht sein könnte, ähnlich oder viel drastischer als das Briefgeheimnis, ist eine wirklich interessante Frage, der man aus verfassungsrechtlicher Sicht nachgehen müsste, weniger aus soziologischer. Wobei hier die Frage der sozialen Bedeutung von Geheimnissen und ihrer Funktion in Gesellschaften nicht unwichtig sein könnte.

Eine revolutionäre Idee der Verschlüsselung und ein besorgter Geheimdienst: In den 1970er-Jahren entwickelten Mathematiker eine neue Form der Kryptografie. Wer sicher kommunizieren wollte, veröffentlichte seine Schlüssel. Es war der Beginn eines regelrechten Krypto-Kriegs.

Polizei, Beschwerden, Whistleblowing

Die Polizei war schon immer ein Thema hier im Blog – meistens als Teil von Überwachungsmaßnahmen wie z.B. Videoüberwachung. Das sie auch selbst Objekt der Überwachung sein kann, ist nicht neu, aber als Thema seit ein paar Jahren sehr im Fokus. Darum auch hier. Es geht um die Kontrolle polizeilicher Arbeit durch Beschwerdestellen oder Polizeibeauftrage. Das ist ein weites Feld und so eininges wurde schon darüber geschrieben an verschiedenen Stellen. Nun aus aktuellem Anlass mal wieder hier.

Die Überwacher überwachen

Die Plattform Frag-den-Staat hat in eigenem Interesse eines ihrer Redakteure mal bei der Polizei nachgefragt, welche Suchanfragen über ihn (Arne Semsrott) bei denen so getätigt worden sind. Da die Polizei das rausrücken muss, weiß er nun, welche Infos über ihn abgefragt wurden.

Über Polizei-Datenbanken haben Beamt*innen umfangreichen Zugriff auf Daten der Bevölkerung. Aber die Protokolle der Zugriffe muss die Polizei herausgeben.

Die Recherche zur Informationsfreiheit ist hoch spannend und hat durchaus einen praktischen Nutzen für andere. Für die Polizei Hamburg z.B. kann man die folgende Seite benutzen, auch bei Frag-den-Staat und schon gut vorbereitet für eine Anfrage.

Die Zukunft von gestern, heute

Die Hörspiel-Reihe “Das war Morgen” in der ARD Audiothek ist hörenswert, weil sie anhand von verganenen Zukunftsvorstellungen einen Blick auf gestern und morgen wirft – verwirrend? Einfach Reinhören.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von www.ardaudiothek.de zu laden.

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Das war Morgen” präsentiert Science-Fiction-Hörspiele aus den 1960er bis 1990er Jahren der SDR-Reihen ‚Science-Fiction als Radiospiel‘ und ‚Phantastik aus Studio 13‘.

Simulation und Überwachung

Bei Deutschlandfunk Kultur gibt es einen sehr interessantes und tolles Feature zum Thema Digitalisierung in der Stadtplanung unter dem Titel: Sim City: Wenn ganze Metropolen im Computer leben. Die Kurzbeschreibung lautet dazu wie folgt: “Rathäuser sammeln Daten über ihre Städte und erstellen daraus „digitale Zwillinge“. Das könnte die Stadtplanung revolutionieren.”

Was hat das mit Überwachung zu tun? Erstmal nichts, dann aber viel.

Forschung und Artikel zu Chilling Effects

Der von mir sehr geschätzte Pete Fussey hat gemeinsam mit weiteren Kollegen zwei Aufsätze aus einem Forschungsprojekt zu Überwachung in Uganda und Zimbawe veröffentlicht. Es geht darin um den so genannten und auch hier schon mal thematisierten Chilling Effect.

  • Daragh Murray and others: The Chilling Effects of Surveillance and Human Rights: Insights from Qualitative Research in Uganda and Zimbabwe, in Journal of Human Rights Practice, huad020, https://doi.org/10.1093/jhuman/huad020
  • Stevens, A., Fussey, P., Murray, D., Hove, K., & Saki, O. (2023) ‘I started seeing shadows everywhere’: The diverse chilling effects of surveillance in Zimbabwe, in Big Data & Society10(1). https://doi.org/10.1177/20539517231158631

Das mit dem Chilling Effect, wie er vor alle nach Snowden immer wieder mal vorgebracht wurde, wurde auch von mir schon kritisch betrachtet – in den Aufsätzen wird aber auch hervorgehoben, dass diese Art der Selbstzensur eng verbunden ist mit den realen Konsequenzen in diesen Ländern, wo Kritiker eingesperrt werden, verschwinden oder sich anderen Repressalien ausgesetzt sehen. Das ist dann schon ein Unterschied zu den in westlichen Ländern vermuteten Auswirkungen auf die Selbstzensur, z.B. von Journalist:innen oder Wissenschaftler:innen.. Aber mehr Forschung ist ja immer gut und von daher freue ich mich über neue Beiträge zu der Debatte. Lesenswert!

Die Verdachtsmachine

Die bekannten Vorwürfe gegen Algorithmen und KI, dass sie aufgrund ihrer Trainingsdaten die Einstellungen und Kategorisierungen vornehmen würden (und so rassistisch oder anders diskriminierend sein können, vgl. “Can a machine be racist?” The Conversation 6.3.2023), die auch die sie umgebende Gesellschaft hat und lebt, werden in den Artikeln und Berichten zu dem Thema immer wieder erzählt. Das ist, wenn man sich viel damit beschäftigt, etwas langweilig, aber nie unbedeutend.

Wired hat eine sehr schönen Zugang dazu gefunden, neben einer ästhetisch charmanten Webseite. Der Bericht Inside the Suspicion Machine betrachtet die Kategorisierungen unter dem Aspekt des Verdachts – einem Aspekt sozialem Phänomen, das viel zu wenig thematisiert wird. Wir sprechen immer von den Werbewirkungen, die Kategorisierungen und anhängenden Diskriminierungen, aber selten vom Verdacht. Ich finde zu Unrecht, denn die Figur des Verdachts kann die Argumente nochmal anders einordnen und bewusst machen, worum es bei den Kategorien auch gehen kann und welche Vorstellungen und hierarchischen Vorstellungen möglicherweise hinter KI steht – die alles andere als neutral ist, sondern ja gerade ein Symbol und eine Projektionsfläche für Utopien und Wünsche (auch krude) ist.

Inside the Suspicion Machine. Obscure government algorithms are making life-changing decisions about millions of people around the world. Here, for the first time, we reveal how one of these systems works. Wired, 6.3.2023

Digitaler Konsum, reale Ausbeutung

Dass Lieferdienste aus arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten und gewerkschaftlicher Perspektive nicht ideal sind, ist bekannt. Dass sie App-gesteuert auch Teil der Plattformen und somit eines digitalen Kapitalismus oder Überwachungskapitalismus sind, nicht neu. Sowohl hier in Deutschland als auch in anderen Ländern wird gestreikt, gestritten und berichtet, z.B. Deutschlandfunk, 22.4.2022: Gorillas, Lieferando und Co.Neue Arbeitswelt, altes Arbeitsrecht.

Die Washington Post hat bereits im Mai 2023 einen Bericht gebracht, in dem die Journalisten geschaut haben, was wo bei wem und wieviel hängen bleibt in der Kapitalkette: We ordered over $100 of delivery. Here’s how much the restaurants, drivers and apps made.

Nicht erstaunlich, bleibt am Ende dieser Subunternehmer-Kaskade nicht viel übrig. Am Ende erhalten die Plattformen Geld für fast nichts, während Restaurants sowie die Rider und andere Kuriere hart für wenig arbeiten müssen. Zusätzlich werden sie überwacht – auch das Teil der Strategie, genauso wie das Abgreifen der Kundendaten über die Apps.

Wie Lieferdienste als Wirtschaftsfeld funktionieren, lässt sich in einer Folge von Ist das eine Blase dem Wirtschaftspodcast bei Zeit.de nachhören. Nicht viel Neues, aber mit der Beteiligung von Verantwortlichen solcher Lieferdienste hier in Deutschland.

13 Fragen zu Videoüberwachung

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Es hat großen Spaß gemacht – und ich werde das Thema so richtig nie los. Aber warum auch nicht.

Ein Podcast zu Frieden

Im Wintersemester 2022-23 habe ich an der Uni Hamburg ein Projektseminar angeboten, in dem ein Podcast zum Thema Frieden entwickelt und umgesetzt werden sollte. 5 Student:innen blieben nach der 1sten Phase dabei und haben drei Folgen produziert.

Diese Folgen werden als Gast-Podcast in den Berichten aus Panoptopia veröffentlicht und sind jetzt online und können hier angehört werden. Keine der Student:innen hatte große Vorerfahrungen, dafür hatten alle viel Spaß und waren mit großem Engegement dabei.

Mit hat das Experiment auf jeden Fall viel Spaß gemacht – hört mal rein. Es gibt ein paar gute Geschichten zu entdecken.

Ps. Großen Dank an Daniel Meißner von Geschichten aus der Geschichte und der Journalistin Kyra Funk, die der Gruppe grundlegende Inputs gegeben haben.

Konsum als Hyperrealität

If philosopher Will Durant’s assertion that “we are what we repeatedly do” is true, then let’s face it: we are becoming increasingly machine-like through our near-constant interactions with technology.

Ein beängstigender, aber theoretisch auch sehr interessanter Gedanke. Steven Monacelli denkt in Simulacra & Self-Simulation darüber nach, was es bedeutet, wenn wir angeschlossen an die bekannten Plattformen zu, wie er es nennt, “pattern machines” verwandelt werden – “in turn, our digital addictions fuel data collection systems which catalogue, collate, and convert our lives into mathematical probabilities, and, in the process, threaten to transform us from organic, conscious, and autonomous beings into mindless, unconscious, and dependent pattern machines”.