Author: Nils Zurawski

Dr. habil. Nils Zurawski, ist Soziologe und Ethnologe und Initiator des Forschungs-Netzwerkes Surveillance-Studies. Er arbeitet als Wissenschaftler am Institut für kriminologische Sozialforschung an der Universität Hamburg sowie als freier Mediator/Moderator/Konfliktberater. Hier gibt es mehr Informationen zu seiner Arbeit: https://www.surveillance-studies.org/zurawski

Neues Projekt: Der interaktive Blick

Am Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) in Tübingen gibt es seit April 2023 ein neues Projekt, welches Überwachung aus medienwissenschaftlicher Sicht betrachtet. Noch ist dort nicht viel passiert, aber ich habe dein Eindruck, dass es sich lohnt das zu beobachten.

Der interaktive Blick: Zu Status und Ethik von Überwachungsbildern in digitalen Spielen.

Digitale Spiele repräsentieren und verarbeiten Kontroll- und Überwachungsdispositive. Sie nehmen mitunter kritische Positionen zu Überwachung und ihrer konventionellen Darstellung ein, reproduzieren und verhärten jedoch auch die Überwachungsbildern eingeschriebenen Machtgefälle. Ziel des Projektes ist es, den Status quo von Überwachungsbildern in digitalen Spielen anhand einer qualitativen und quantitativen Analyse zu bestimmen.

Einen zugänglichen Literaturtipp habe ich der Liste auf der Seite schon mal entnommen:

Hennig, Martin ; Piegsa, Miriam: The Representation of Dataveillance in Visual Media : Subjectification and Spatialization of Digital Surveillance Practices (2018)

Keine Auskunft für Wissenschaftler:innen

Kriminologische For­sche­r:in­nen haben in der Regel ein Zeugnisverweigerungsrecht über ihre Gespräche mit Straftäter:innen. Das entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht und verwies auf die Wissenschaftsfreiheit.

taz, 20.10.2023, siehe auch tagesschau.de

Nichts sagen zu dürfen oder gar zu müssen, ist das Privileg einiger Berufgruppen, u.a. von Journalist:innen. Und jetzt auch für Wissenschaftler:innen – zumindest vom Prinzip her, wenn auch nicht im Gesetz so festgeschrieben.

Nichts sagen zu müssen, ist auch eine Möglichkeit sich der Überwachung zu entziehen bzw. diese als illegal zu kennzeichnen. Das ist gut so.

Und es sollte nicht nur für Kriminolog:innen gelten, wie im diesem Fall, sondern generell für alle – auch wenn es nicht für alle wichtig ist in ihrer Forschung, aber auch jeden Fall für mehr Leute als nur Kriminolog:innen, die in Gefängnissen forschen und dann auch noch mit dem IS zu tun haben. Es ist generell gut, denn gerade für qualitative Forscher ist es wichtig in prekären Bereichen den Gesprächspartnern diese Zusicherung machen zu können, neben den ohnehin vorgesehenen eigenen Vorkehrungen der Datensicherung und Anonymisierung, die für die Forschung gelten und eingehalten werden sollten.

Anonymität im Forschungsprozess

Anonymität ist ein Seitenaspekt der Überwachung. Im Forschungsprozess ist es ein wichtiger Aspekt, insbesondere angesichts der Möglichkeiten mit digitalen Mitteln, dem Internet und anderen Hilfsmitteln Menschen möglicherweise zu de-anonymisieren. Forscher:innen beschäftigen sich vereinzelt mit diesem Aspekt, vor allem in der Qualitativen Forschung, aber es gibt eigentlich noch wenig dazu.

Daher hier ein Artikel aus dem Forschung Qualitative Sozialforschung, Vol. 24 No. 3 (2023) mit dem Titel: Foundations, Strategies, and Techniques of Anonymizing Transcripts in Qualitative Research: A Practice-Oriented Introduction

Werner, C., Meyer, F., & Bischof, S. (2023). Foundations, Strategies, and Techniques of Anonymizing Transcripts in Qualitative Research: A Practice-Oriented Introduction. Forum Qualitative Sozialforschung Forum: Qualitative Social Research24(3). https://doi.org/10.17169/fqs-24.3.4067

Urbane Utopien, private Städte

Die Artikel des sehr geschätzten Kollegen Adrian Lobe, heute zumeist in der taz, sind immer wieder lesenswert und für diesen Blog fast immer auch eine Erwähnung wert. Ist ja auch kein Zufall, dass er vor ein paar Jahren den Journalistenpreis hier gewonnen hat.

Der letzte Artikel von ihm mit dem Titel “Die Superreichen proben den Auszug” regt im Zusammenhang mit Überwachung, Überwachungs/Digital-Kapitalismus sowie den Goldgräbern des digitalen Zeitalters (oder könnte man sie auch “Digital Robber Barons nennen?) zum Nachdenken an. In Überwachen und Konsumieren habe ich zur Idee einer Stadt und ihren Möglichkeiten der totalen Kontrolle des Alltags dazu ein paar Bemerkungen gemacht. Man könnte und sollte das auf jeden Fall weiterdenken und vor allem raum- und stadtsoziologisch näher betrachten.

Krypto und die NSA

Der Sprektrum-Podcast von Detektor.fm befasst sich hier mal mit Kryptografie und dem, was unter dem Namen der Kryptokriege bekannt geworden ist. Wer es noch nicht kennt (hier wohl eher viele, aber dennoch): Der Algorithmus, der die NSA in den Wahnsinn trieb.

Die Frage ob Kryptografie ein Grundrecht sein könnte, ähnlich oder viel drastischer als das Briefgeheimnis, ist eine wirklich interessante Frage, der man aus verfassungsrechtlicher Sicht nachgehen müsste, weniger aus soziologischer. Wobei hier die Frage der sozialen Bedeutung von Geheimnissen und ihrer Funktion in Gesellschaften nicht unwichtig sein könnte.

Eine revolutionäre Idee der Verschlüsselung und ein besorgter Geheimdienst: In den 1970er-Jahren entwickelten Mathematiker eine neue Form der Kryptografie. Wer sicher kommunizieren wollte, veröffentlichte seine Schlüssel. Es war der Beginn eines regelrechten Krypto-Kriegs.

Polizei, Beschwerden, Whistleblowing

Die Polizei war schon immer ein Thema hier im Blog – meistens als Teil von Überwachungsmaßnahmen wie z.B. Videoüberwachung. Das sie auch selbst Objekt der Überwachung sein kann, ist nicht neu, aber als Thema seit ein paar Jahren sehr im Fokus. Darum auch hier. Es geht um die Kontrolle polizeilicher Arbeit durch Beschwerdestellen oder Polizeibeauftrage. Das ist ein weites Feld und so eininges wurde schon darüber geschrieben an verschiedenen Stellen. Nun aus aktuellem Anlass mal wieder hier.

Die Überwacher überwachen

Die Plattform Frag-den-Staat hat in eigenem Interesse eines ihrer Redakteure mal bei der Polizei nachgefragt, welche Suchanfragen über ihn (Arne Semsrott) bei denen so getätigt worden sind. Da die Polizei das rausrücken muss, weiß er nun, welche Infos über ihn abgefragt wurden.

Über Polizei-Datenbanken haben Beamt*innen umfangreichen Zugriff auf Daten der Bevölkerung. Aber die Protokolle der Zugriffe muss die Polizei herausgeben.

Die Recherche zur Informationsfreiheit ist hoch spannend und hat durchaus einen praktischen Nutzen für andere. Für die Polizei Hamburg z.B. kann man die folgende Seite benutzen, auch bei Frag-den-Staat und schon gut vorbereitet für eine Anfrage.

Die Zukunft von gestern, heute

Die Hörspiel-Reihe “Das war Morgen” in der ARD Audiothek ist hörenswert, weil sie anhand von verganenen Zukunftsvorstellungen einen Blick auf gestern und morgen wirft – verwirrend? Einfach Reinhören.

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Das war Morgen” präsentiert Science-Fiction-Hörspiele aus den 1960er bis 1990er Jahren der SDR-Reihen ‚Science-Fiction als Radiospiel‘ und ‚Phantastik aus Studio 13‘.