Author: Nils Zurawski

Dr. habil. Nils Zurawski, ist Soziologe und Ethnologe und Initiator des Forschungs-Netzwerkes Surveillance-Studies. Er arbeitet als Wissenschaftler am Institut für kriminologische Sozialforschung an der Universität Hamburg sowie als freier Mediator/Moderator/Konfliktberater. Hier gibt es mehr Informationen zu seiner Arbeit: https://www.surveillance-studies.org/zurawski

Bankraub-Performance

Nicht auf den ersten, aber auf den zweiten Blick hat auch das Thema Bankraub etwas mit Ãœberwachung zu tun….(ähnlich wie Kunst auch immer etwas mit Alarmanlagen zu tun hat… )… Klaus Schönberger und MC Orgelmüller präsentieren ihre Performance zum Bankraub.

Va Banque. Eine etwas andere Einführung in die Volkskunde, Theorie, Praxis und Geschichte des Bankraubs.

Donnerstag, 6. Juli, 2006, 19 Uhr, Institut für Volkskunde der Universität Hamburg, Bogenallee 11, U 15

In Form einer MultiMedia-TheoriePraxis-Performance (Bankraub-Quiz, Film, szenische Lesung, Vortrag etc) laden Dr. Klaus Schönberger (Institut für Volkskunde) und der musikalische Alleinunterhalter MC Orgelmüller (Tübingen/Ludwigsburg) zu einer Reise in die faszinierende Welt des Bankraubs ein.

RFID auf dem Vormarsch

Anlässlich der kleinen Diskussion auf den Beitrag von Dietmar Kammerer hier noch ein paar Infos zur Zukunft der RFID-Technologie. Abgesehen von den wenigen Kritikern der Technologie herrscht eher eine industrielle Aufbruch-Stimmung bei den Chips und ihren Anwendungsgebieten. Heise zitiert einen Staatssekretär, der RFID-Weltmeister werden will. Media NRW sieht in der Technik den Markt der Zukunft. Das Manager Magazin will sogar mit den Chips die EU-Wettberwerbsfähigkeit ankurbeln. Und das Handelsblatt zeigt, dass dieses vielleicht gar keine Hirngespinste sind, sondern RFID tatsächlich auf dem Vormarsch ist – denn die Umsätze steigen.

Und weil das alles von nationaler Bedeutung ist, richtet die Bundesregierung gleich noch eine Fachkonferenz aus.
Einzig der FoeBud e.V. kritisiert das Thesenpapier der deutschen Wirtschaft und warnt vor den Folgen und Nebeneffekten von RFID. Die Verbraucherzentrale berichtet dann noch von den gescheiterten Bemühungen, der Wirtschaft eine Selbstverpflichtung abzuringen. Als ob das jemals zu wirklichen Ergebnissen und zum Schutz der Bürger geführt hätte…

Also: RFID ist auf dem Vormarsch und verspricht Arbeitsplätze… fragt sich nur um welchen Preis und ob das alles so wirklich durchdacht ist.

Beobachtet werden verführt zur Wahrheit

Eine Studie der Universität Newcastle hat in einem Experiment (BBC Online) getestet, welchen Konformitätsdruck bestimmte Bilder erzeugen. Augen und Kameras suggerieren offensichtlich eine Form der Beobachtung, auch wenn diese Augen nicht real sind.

A Newcastle University team monitored how much money people put in a canteen “honesty box” when buying a drink. They found people put nearly three times as much in when a poster of a pair of eyes was put above the box than when the poster showed flowers.

Ein psychologischer Effekt, der allerdings weitreichende Konsequenzen und Anwendungsgebiete verspricht. Und die Ideen werden auch gleich mitgeliefert…

Writing in the journal Biology Letters, the team says the findings could aid anti-social behaviour initiatives.

Angesichts der Diskussion um die Datenschutz- und Freiheitsrechte der Bürger bei Videoüberwachung, scheinen sich hier viel grundlegendere Probleme zu ergeben. Nämlich die Psychologisierung sozialer Kontrolle, welche anscheinend auch kulturell verankert ist. Vielleicht ziehen die Kameras einen Großteil ihrer Wirkung daraus und nicht aus der Tatsache, dass dann die Polizei jede Untat gleich mitbekommt und man selbst zur Rechenschaft gezogen wird. Das ist dann nur das, was die Polizei aus diesem Effekt herauszieht…. und spricht gleichzeitig gegen ihre gängigen Argumente.

mehr auch bei Spiegel Online

Polizei mit Erfolgsmeldungen

Die Hamburger Polizei wird nicht müde ihre Videoüberwachung der Reeperbahn als großen Erfolg darzustellen. Jede Begebenheit, bei der die Kameras helfen, wird als Argument für die Kameras genutzt… auch in eigenen Pressemitteilungen (26. Juni 2006). Eine Evaluation – unabhängig und zieloffen – sollte dann auch untersuchen wieviel ihnen wohl durch die Lappen gegangen ist … und ob es sich tatsächlich um eine angemessene Einschränkung der Rechte auf das eigene Bild und die Datensicherheit des Einzelnen handelt.

Beamte in der Polizeieinsatzzentrale beobachteten gegen 05.00 Uhr
auf dem Videoüberwachungsmonitor zwei Männer, die einen Bauwagen mit
Farbspray besprühten. Die Davidwache wurde umgehend informiert und
entsandte einen Funkstreifenwagen.

Videoüberwachung von Kassiererinnen

Ver.di hat sein Schwarzbuch zum Discounter Lidl ja schon bereits vor einiger Zeit veröffentlicht – nun aber gibt es eine europäische Version und darin wohl einige Stellen, bei denen man sich nur noch an den Kopf fassen kann – wenn es bisher nicht schon geschehen ist… so werden in einigen Ländern die Mitarbeiter auch per Videokameras überwacht – und aus ihnen per Generalvedacht Diebe gemacht.

Infos dazu bei Spiegel Online und der Financial Times Deutschland.

Als besonders skandalös kritisierte die Gewerkschaft Videoüberwachung in französischen Filialen. Damit würden alle Mitarbeiter per se unter Diebstahlverdacht gestellt. Agnes Schreieder von Ver.di verwies darauf, dass es im Lager einer Filiale im französischen Nantes mehr Videokameras als im örtlichen Gefängnis gebe. Zudem ist laut Ver.di der Leistungsdruck bei Lidl so hoch, dass die Vorgaben kaum zu schaffen seien.

Wie absurd muss es denn noch werden…?!

Videoüberwachung macht Helden

Die Welt (26. Juni 2006) berichtet in einem Artikel von einem Ãœberfall in England, der durch Kameras aufgezeichnet wurde. Zwei Jugendliche wurden angegriffen – einer von ihnen starb durch einen Messerstich. Für seine Mutter ist Daniel ein Held, da er sich bevor er selbst verletzt wurde, vor seinen Freund stellte und diesen zu verteidigen versuchte. Das Band wurde in England im Fernsehen ausgestrahlt – zur Abschreckung und um zu zeigen, dass Täter mit Videoüberwachung gefasst werden können. Daniel hilft das alles nicht mehr. Er ist ein fragwürdiger Held und die Rolle der Videoüberwachung scheint mir hier doch sehr überzogen dargestellt zu sein. Daraus Rückschlüsse auf den Erfolg der Kameras zu ziehen, ist unredlich, für die Polizei und andere Befürworter aber nur eine Bestätigung für ihre Wirksamkeit – leider nicht bei der Verhinderung solcher Taten.

“Es war eine schwere Entscheidung”, sagt sie [die Mutter]. “Wir wurden von der Polizei darum gebeten, um zu zeigen, wie CCTV kriminelle Aktivitäten überwachen kann. Dieses Video zeigt die harte Realität der Messerüberfälle in diesem Land. Es war eine grundlose Attacke, und es hätte jeden treffen können.” Als sie das Filmmaterial zum ersten Mal sah, so Pollen weiter, wollte sie ihren Sohn einfach nur am Leben sehen. “Den Ãœberfall zu sehen und zu wissen, ihn nicht stoppen zu können, war das schrecklichste überhaupt.”

Es wäre obszön angesichts dieser Tat für eine Ausweitung der Kameras zu plädieren, das die Gründe für die Gewalt nicht gelöst werden, einzig die Täter gefasst werden konnten. Wenn es dass ist, was die Polizei hauptsächlich will, dann hat sie – und mit ihr die Politiker – ihre Aufgabe grundlegend verfehlt. Sicherheit ist etwas anderes.

Satelliten für Menschenrechte?

Der Christian Science Monitor berichtet über die Möglilchkeiten Menschenrechtsverletzungen per Satellit zu überwachen. gibt es also gute Ãœberwachung und schlechte. Wo sind die Grenzen und wer zieht diese. Ich finde, das ist ein schönes moralisches Dilemma, welches eine ganze Menge von Fragen aufwirft. Moralische Deutungshoheit – Demokratieverständnis von Aktivisten – welche Aktivisten – welche Art von Menschenrechtsverletzungen??? Auch wenn ich keinen Zweifel hege, dass es in diesem Fall um hehre Ziele ging, so sind diese Ãœberlegungen doch legitim – zumal Satelliten nicht einfach so verfügbar sind und daher die Frage aufkommt, wer zahlt das und aus welchem Grund?

Satellites can monitor volcanoes, map deforestation, and help sell real estate. But can they document human-rights violations?
Yes, activists say.
Already, high-altitude images of Zimbabwe’s destruction of a settlement has increased pressure on the government to curb its abuses. Now, human-rights groups are focusing on Darfur, Chad, and Burma. In eastern Burma, for example, the government is accused of aggressively attacking an ethnic minority.

(Christian Science Monitor, 22. Juni 2006)

Könnte man damit auch Guantanamo überwachen und die Situation und Menschenrechtsverletzungen dort dokumentieren…? Da scheint allerdings dann wieder die Frage nach der Finanzierung und dem Zugriff auf die Satelliten eine wichtige Rolle zu spielen.

Augen Augen Augen

Das mit der Bemerkung zu den Augen auf Kameras als gängige Bebilderung von Büchern zu Ãœberwachung und anderem wächst sich zu einem neuen Hobby aus… hier sind noch zwei, die mir ein Kollege zugeschickt hat…
Beim ersten ist es zugegeben etwas undeutlich, aber in der Mitte meine ich ist doch eine Iris zu erkennen… das zweite spricht für sich….

Poster-MediaAge.jpg

Was kostet die innere Sicherheit?

Die hamburgPolis veranstaltet am 13. Juli in der Pony Bar (Grindelviertel an der Uni) in Hamburg eine Podiumsdiskusson zum Thema:

Videoüberwachung, Lauschangriff, Rasterfahndung –
welchen Preis wollen wir für unsere innere Sicherheit zahlen?

Es diskutieren Thilo Weichert (Landesbeauftragter für den Datenschutz Schleswig-Holstein) und Manfred Jäger (innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion der Hamburge Bürgerschaft). Moderation: Gerrit Hornung.

Donnerstag, den 13. Juli 2006, ab 20:00 Uhr
Ort: Ponybar, Allende-Platz 1
U-Bahn: Hallerstraße
S-Bahn: Dammtor

Film anlässlich der WM

Die “Frickelfraktion” hat eine kleine Filmcollage anlässlich der Fußball-WM gemacht und ins Netz gestellt. Sie erklären selbst, warum der Film wichtig ist und was uns erwarten kann. Da es auch um Ãœberwachung geht, habe ich den Link hier veröffentlicht.

grossartig wäre es, sich einfach nur an fussballspielen erfreuen zu können. doch leider ist die wm in deutschland als grossereignis manifestation vieler unschöner dinge, angefangen mit einem ausufernden nationalismus inklusive aller seiner ausgrenzenden und rassistischen folgen über horden herumgrölender fans, die für ihren “männersport” auch ihre eigene “männlichkeit” beweisen müssen, hin zu der aufrüstung der inneren sicherheit – videokameras, rfid-chips, datensammlerei, soldaten im inland, spezialeinsatzkräfte haben die wm-städte im griff.

Der Film ist leider etwas plump geraten.. auch wenn er einige schöne Verbindungen zieht und als Collage und mit Eisenstein’scher Schnittmanier die Gegensätze und die verdeckten Wahrheiten aufdecken will. Aber er soll nicht vorenthalten werden… also macht euch selbst ein Bild..

Taschenbuch des Lebens

Die Zeit hat in ihrer aktuellen Ausgabe einen interessanten Artikel zur Genforschung, speziell dem Sequenzieren von Genen. Darin stellt der Autor, Ulrich Bahnsen, auch die Frage nach dem Sinn und dem Zweck der Daten, die dort freigelegt und erkannt werden. Das berührt auch die Forschung zu Ãœberwachung in starkem Maße…. denn damit wird eine Schwelle der persönlichen Integrität überschritten, die weitreichende Konsequenzen für das Zusammenleben der Menschen haben wird – ganz zu schweigen von den Möglichkeiten der Klassifizierung von Gruppen und Menschen aufgrund biologischer Merkmale… Zusammen mit anderen Techiken und Technologien innerhalb einer suveillant assemblage eröffnen sich hier Abgründe, deren Auswirkungen wir schnellstens untersuchen sollten… jenseits ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit.

Jeder soll über sein genetisches Schicksal lückenlos informiert sein. Die Medizin und Pharmaforschung könnte Medikamente auf das persönliche Erbgutprofil abstimmen, und paarungswillige Menschen könnten sich nach passendem Genmaterial umsehen – auf dass die beiderseitige DRD4-Lustveranlagung kompatibel sei. Wie allerdings Datensicherheit, Zugriffsrechte, Eigentumsprobleme und das Management der Informationen zu regeln sind, steht in den Sternen.