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Forschungsbericht – Videoüberwachung in Hamburg

Jetzt ist es öffentlich: Der Forschungsbericht zum Projekt “Videoüberwachung in Hamburg” ist raus und auf dem Netz verfügbar. Dort sind alle Daten und die Erhebungs-Materialien einsehbar. Ich freue mich über Kommentare und Diskussion.

Die Pressemitteilung dazu ist auf den Seiten der Uni Hamburg einzusehen.

Und auch das Buch “Surveillance Studies. Perspektiven eines Forschungsfeldes” (Barbara Budrich Verlag) ist auf dem Weg in die Druckerpresse. Darüber mehr wenn es erhältlich ist.

Na welch eine Ãœberraschung….

Niedersachsens Innenminister will die Videoüberwachung ausweiten – es reicht jetzt nicht mehr nur an den Kriminalitätsschwerpunkten, sondern auch in den angrenzenden Bereichen – na wer hätte das ahnen können. Und er glaubt auch noch damit ganz vorn zu sein bei der Kameraüberwachung – ein zweifelhafter Sieg, dessen Folgen und Konsequenzen vor allem was den Nachahmungs-Effekt angeht, jetzt schon abzusehen sind: Die Kollegen werden irgendwann dann auch mitziehen.

Neue Kriminalitätszahlen für Hamburg

55482v1.jpgAm Donnerstag gab die Hamburger Polizei die neuesten Kriminalitätszahlen bekannt. Wirklich überraschendes konnte nicht vermeldet werden. Die Zahlen sind seit Jahren rückgängig. Zur Videoüberwachung wurde dabei nicht viel gesagt – gleichwohl Senator Nagel diese wohl in der Pressekonferenz gelobt hat (und die taz das zum Anlass genommen hat darüber mal wieder zu berichten – ich durfte auch was dazu sagen… ). Im Abendblatt von Donnerstag wurde alllerdings auch vermeldet, das die Polizei sich nicht so sicher bei den Zahlen ist. Herr Nagel will trotzdem weiter ausbauen… Das Abendblatt veröffentlicht wie jedes Jahr auch wieder die Kriminalitätskarte von Hamburg – ganz nett, aber ob das wirklich hilfreich ist zu sehen, ob der eigene Stadtteil wirklich sicher ist, möchte ich bezweifeln. Unter Kartierungsgesichtspunkten und was die Bedeutung von Karten bei der Konstruktion von Räumen und Wirklichkeiten angeht, leistet diese hier einen zweifelhaften Beitrag.
Alles in allem ein nettes Ritual, dass aber keinem wirklich weiterhilft, solange solche unvollständigen und holprigen Statistiken präsentiert werden – nur mit Zahlen lässt sich eben doch nicht alles sagen.

SZ, BVG, Evaluationen

Nur zur Dokumentation: Die Süddeutsche Zeitung hat ein Pro und Contra zu Videoüberwachung veranstaltet. Ein Interview mit dem in München für die Kameras zuständigen Kriminalhauptkommissar Stefan Schraut ergänzt den Bericht. Anlass ist natürlich die Entführung und Ermordung des neunjährigen Jungen aus Leipzig, der zusammen mit seinem mutmaßlichen Mörder von einer Kamera in einer Straßenbahn aufgenommen wurde. Die Parallelen zum britischen James Bulger-Fall sind natürlich überdeutlich: Videoüberwachung fängt die Mörder unserer Kinder, so der Tenor. Das bestätigt mal wieder das Muster, dass die Opfer besonders erschreckender Verbrechen für die Lobbyisten der Ãœberwachung herhalten müssen. In seinem hier im Weblog schon mehrfach erwähnten Artikel “A generation is all they need” (im Netz inzwischen leider kostenpflichtig) hat Kevin Haggerty ja genau das vorausgesagt.

Kameras verhindern keine Gewalt

Wie die Bundespolizei in Hamburg mitteilte, haben bereits am Sonntag drei Jugendliche, einen Mann auf dem Hamburger Hauptbahnhof niedergeschlagen und so lange auf ihn eingetreten, bis dieser zwischen S-Bahn und Bahnsteig auf die Gleise fiel. Die Beamten verhafteten die Jugendlichen. Soweit die Nachricht.

Jetzt zum Nachdenken: Wie lange dauert es bis man jemanden so zusammenschlägt, dass er in den Spalt zwischen Bahn und Steig durchfällt? Länger als ein Handtaschenraub allemal. Am Hauptbahnhof sind mehr als 100 Kameras aufgestellt (meines Wissens sogar über 150) – diese werden live beobachtet – auch um präventiv tätig zu werden. Was haben die Kameras auf dem Schirm gehabt, was die Operateure gesehen? Leider zeigt sich hier, dass Kameras nicht das halten, was von anderen versprochen wird. Dieser Vorfall dürfte als Gegenargument nicht viel wert sein, aber all denen, die bisher auf die Macht des omnipräsenten Auges vertrauten, kommen vielleicht doch Zweifel, ob die Technik für mehr Sicherheit sorgt – Abschreckung?: in diesem Fall Fehlanzeige. Ein Einzelfall? – vielleicht. Aber auch der ist für das Opfer nicht sehr tröstlich. Ein ehrlicher Umgang mit der Technik “Videoüberwachung” wäre endlich angebracht, echte Evaluationen, und eine Offentheit, die endlich sagt, wofür die Kameras tatsächlich da sind: Aufklärung, nicht Prävention, denn dafür gibt es keine stringenten Argumente und Studien.

Nachtrag: Kameras über dem Campus

Nachdem auf Nachfrage die Kameras, die den Campus an der Hamburg Universität beobachteten, vom Netz genommen worden sind, scheinen sie jetzt wieder da zu sein. Was fehlt ist der link zu dem ganzen Film, mit dem sich der jeweils vorherige Tag in komplett anschauen ließ. Nun können wir eine jede Minute aktualisiertes Bild vom Allende-Platz bzw. vom von-Melle-Park ansehen. Ob damit dem Datenschutz genüge getan ist, wage ich zu bezweifeln, da ein Hinweis auf die Kameras nach wie vor fehlt. Ich werde nochmal nachfragen und berichten.

und schon wieder Kameras in England….

… denn nun hat auch der Spiegel von dieser Woche England und die sprechenden Kameras entdeckt – die ZEIT hatte das schon vor zwei Wochen, nun gut. Auch dieses ist ein schöner Artikel, wenn er auch nicht so gut analysiert und in die Tiefe geht wie ersterer. Zum Thema Gesichtserkennung, welche ebenfalls in dem Spiegel-Text vorkommt, hat ebenfalls die ZEIT auch in dieser Woche wieder einen Artikel.
Im Spiegel-Text zeigt sich alerdings wie sich etwas verzweifelt hält, was einmal in den Medienkreislauf gekommen ist: die vielen hunderttausend Kameras, die es in Deutschland gibt, werden so beschrieben als wenn dieses alles öffentliche Kameras sind – das sind sie aber nicht – sondern auch die ein Monitor-eine Kameras-Anlage auf der Tankstelle und im Kiosk um die Ecke. Kamerasystem ist nicht gleich Kamerassystem – hier nicht und auch in England nicht. Eine Unterscheidung der Zahlen und Zusammenhänge täte allen Artikeln zu dem Thema gut. Zur Berichterstattung von Ãœberwachung gäbe es so einiges zu sagen – nicht nur wegen komplizierter Zahlenspiele (die eigentlich nicht so kompliziert sind), sondern auch weil sich in Deutschland die gesamte Debatte zu Ãœberwachung zwischen Datenschutz und den Hackern/Aktivisten bewegt – oder eben auf Videoüberwachung fixiert ist. Das betrifft auch den Großteil der wissenschaftlichen Forschung – da gäbe es also noch einigen Nachholbedarf in Forschung und Berichterstattung.

Eine Kamera suggeriert Sicherheit. Man kann zwar nicht an jede Ecke einen Schutzmann stellen, wohl aber einen elektronischen Aufzeichner. Ãœberall in Deutschland laufen Pilotprojekte, Testreihen, Machbarkeitsstudien. …….
Der Staat will seine Bürger immer im Blick haben – und die Bürger finden nichts dabei. Das ist in Deutschland nicht anders als in Großbritannien, nur ist England viel weiter. Der oberste britische Datenschützer beklagt, das Land sei schon längst nicht mehr auf dem Weg in einen Ãœberwachungsstaat, es sei bereits einer.

Ob Kameras Sicherheit suggerieren und die Einstellung der Bürger immer so positiv ist, stellle ich in Frage. Grundlegend ist dazu bisher wenig empirisches erschienen – und die adhoc-Umfragen von Zeitungen und Meinungsforschungsinstituten helfen auch nicht viel weiter – aber dazu in Kürze an dieser Stelle mehr. Ansonsten ist Ansbert Kneips Analyse vom “Nanny-state” Großbritannien sehr passend – eine Tendenz, die sich auch hierzulande immer häufiger feststellen lässt. Trotz der Forderung nach weniger Staat, soll er dann doch wieder auf die aufpassen, die mit der neuen “Eigenverantwortung” nicht zurechtkommen und die die schöne neue Ordnung und Machtverteilung gefährden könnten.

Regelt die Videoüberwachung

Peter Schaar, der Bundesdatenschutzbeauftragte, hat Regeln entworfen, die helfen sollen die technischen Aspekte der Videoüberwachung von vornherein Datenschutztauglich zu machen. Das “Datenschutzprofil” dient der technischen Entwicklung und verlagert somit den Datenschutz bereits in die Techniologie selbst. Klingt neu, ist es aber nicht so richtig. Die Projektgruppe provet an der Uni Kassel forscht und arbeitet schon seit einiger Zeit zu Aspekten einer verfassungsverträglichen Technikgestaltung.

Mit der Technik ist es aber im Fall der Videoüberwachung nicht getan – abgesehen von der Frage, ob man Kameras will oder nicht, muss es Regeln für deren Betrieb geben – gleich ob privat oder öffentlich. Einige gibt es – vieles allerdings bleibt ungeklärt, vor allem bei öffentlichen Kameras. Und da müssten “Regeln” im eigentlichen Sinne ansetzen. Mehr als technische Profile brauchen wir politische Verfahrensregeln, die den Prozess von der Idee bis zur tatsächlichen Installation regeln und im zweifelsfall diese Idee auch das bleiben lassen, sollte eine Prüfung ergeben, es lohnt sich nicht – vor dem Fall. Eine Evaluation vorher, nicht nachher, wenn sich alles wieder zurechtbiegen lässt und keiner sagen will: das hat sich gar nicht gelohnt, hat aber Geld gekostet, nun wird’s auch weiter gemacht. Die negativen Auswirkungen und die weitreichenden Konsequenzen bestimmter Anlagen und Kameraskonstellationen haben wir noch nicht kennengelernt – man sollte bei Polizei und Politikern auch nicht unnötig Begehrlichkeiten wecken. Das so etwas nicht gewünscht wird, konnten die Grünen in Hamburg Ende 2005 erleben, als ihr Antrag in der Bürgerschaft lächerlich gemacht wurde, u.a. mit dem Argument: Datenschutz ist Täterschutz. Schützt also auch Peter Schaar mit seiner Initiative die Täter?

Ãœberwachungs-Special bei der Zeit Online

In der aktuellen Ausgabe der Zeit findet sich ein Dossier zum “Ãœberwachungsstaat Großbritannien”. Wer es noch nicht wusste, der weiß es jetzt: Die Briten, allen voran der scheidende Premier Tony Blair, finden das ganz klasse. Die Einschätzung, dass sich

das Mutterland der Demokratie sich zum rabiatesten Ãœberwachungsstaat der westlichen Welt verwandelt”

ist nicht neu – spätestens seit dem Bericht des Surveillance Studies Network im letzten November. Eine Sammlung von Artikeln aus der Zeit zu Datenschutz und Terrorbekämpfung steht ebenfalls online, in denen es vor allem um Ãœberwachung geht. Die Themengliederung ist zwar etwas unglücklich – Ãœberwachung ist mehr als Terrorbekämpfung und auch die Presse sollte das inzwischen mitbekommen haben – es verkauft sich vielleicht besser, naja gut… eine kurze Rezension des Artikels folgt, wenn ich damit ganz durch bin und mir ein paar mehr Gedanken gemacht habe.

CCTV im Zoo: Pinguine in Münster und anderes

Ãœberwachung, sehen und gesehen werden hat manchmal auch seine heiteren, absurden oder völlig belanglosen Seiten: Den Pinguinen im Münsteraner Zoo – einem sehr schönen nebenbei – kann man über das Web mit gleich drei Kameras beim rumplantschen zusehen. Der WDR macht es möglich. Ich finde das eine nette Idee, auch wenn wir nicht nach den Datenschutzrechten der kleinen Vögel gefragt haben. pinguincam_458_120.jpg

Hauptsache es bleibt bei den Pinguinen und ihren Zoogenossen – für uns Menschen liegen solche Pläne sicherlich schon vielfach in den Schubladen. Allein die Aktion mit den 22 Millionen Kreditkarten (Spiegel Online) weist schon einen Weg dahin… einen erhelleneden Kommentar habe ich dazu auch gefunden – mit nicht von der Hand zu weisenden Argumenten, warum das ganze vielleicht doch nicht hätte sein müssen.

Keine Bilder mehr vom Uni Campus

Da hatten die Verantwortlichen des Medienzentrums der Pädagogen eine prima Idee gleich in die Tat umgesetzt: Webcams für den Uni-Campus und den Allende-Platz – alle 60 Sekunden ein Bild auf der Webseite und wer wissen will was gestern so los war, der ganze Vortag in einem Film zum runterladen.
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Man konnte nicht alles genau erkennen, keine Menschen, keine Gesichter, aber mit etwas Mühe vielleicht die Kennzeichen, es ließen sich Profile und Bewegungen nachvollziehen, denn die Daten waren ja gepeichert. Ich glaube nicht, dass die Verantwortlichen darüber nachgedacht haben, ob hier der Datenschutz gewährleistet wird oder ob sie sich damit dann doch vielleicht im Abseits befinden. Inzwischen wurde der link entfernt (link geht nicht) und dem Datenschutz wieder genüge getan. Schön dass es auch so einfach gehen kann und ein kleiner Fehler schnell behoben werden konnte. Das ist leider nicht immer so -> siehe die Videoüberwachung in Hamburg……Danke an die Verantwortlichen der Uni…