Category: Videoüberwachung / CCTV / BodyCams

Videoüberwachung bei Wikipedia

Wissenschaft bedeutet auch den die Diskussion über Termini, Konzepte und die Hoheit über Deutungen. Auf Wikipedia kann man diese Prozesse oft sehr schön und nachvollziehbar beobachten. So auch zum Thema Videoüberwachung. Und in der deutschen Ausgabe ist eine doch recht heftige Debatte entbrannt, wie dieses Thema darzustellen ist, welche Argumente die richtigen sind, ob ein Artikel auf Wikipedia vor allem kritisch sein darf und welche Seiten der Kameras dort besprochen werden sollen (die Neutralität der Darstellung ist auch ein kleiner Diskussionpunkt in der englischen Ausgabe der Wikipedia zum Thema). Meiner Einschätzung nach ist der Artikel informativ, aber nicht akutell – Virilio und Foucault in der Literaturliste zeigen einmal mehr das Dilemma der Forschung zu Ãœberwachung deutscher Provienienz. Neuere Literatur, die es zu Hauf gibt, bleibt unerwähnt, neuere Forschung ebenfalls.

Der Streitpunkt in dem Artikel, ob private Kameras und die damit verbundenen Wünsche und Ziele andere sind, als die öffentlicher Linsen und die harsche Kritik von padeluun daran, bleiben eine Scheindiskussion – die Komplexität von Ãœberwachungssystemen, die sich mit Raum, Zeit und Zweck verändern und dynamisch auf andere Teile einer surveillant assemblage (K. Haggerty/R. Ericson) reagieren bleiben völlig unberücksichtigt.

Die Wahrnehmung und auch öffentliche Diskussion von Videoüberwachung bleibt dem großen Bruder-Diskurs verhaftet (und Foucault immer mittenmang…). padeluun mahnt eine bessere Diskussionkultur an, die sich jenseits von Wikipedia bewegt – ein guter Vorschlag – es wäre dann aber auch nötig die vorhandene Forschung zu Videoüberwachung wahrzunehmen, die nicht immer allen gefällt, weder den Politikern, noch den Aktivisten. Die Diskussion zeigt aber auch die letztlich unzureichenden Möglichkeiten des wissenschaftlichen Diskurses auf Wikipedia…

Aber auf der anderen Seite müssen aber auch Möglichkeiten erfunden werden, die das ganze Dingens mit der Freiheit weniger mühsam machen (Gesetze waren so eine Erfindung). “Stabil Versions” könnten in der Wikipedia eine vorübergehende (und schlechte, da technische) Lösung für ein soziales Problem sein. Eine korrekte Lösung wäre die Finanzierung von Wissens- und Diskursstrukturen. Dafür — vorsicht, jetzt wird’s schwulstig — müssen herrschende Strukturen endlich von der Produktions- auf die Kommunikationsgesellschaft umgestellt werden. Dazu ist noch eine Menge zu tun — und es wird nicht mit dem Editieren in der Wikipedia getan sein. (Wikipedia Diskussion zu Videoüberwachung)

Eine Literaturliste zu Ãœberwachung folgt hier in Kürze wie bereits versprochen…

CCTV im ÖPNV in Zürich

Endlich haben auch die Schweizer die Vorzüge der Videoüberwachung “zur Verbesserung der Sicherheit” in Nahverkehrsbahnen und auf den dazugehörigen Bahnhöfen entdeckt, wie in der NZZ von gestern nachzulesen ist. So soll jetzt auch in Zürich mittels CCTV für Ordnung und Sicherheit gesorgt werden. Ein Grund der Einführung sind die nicht näher beschriebenen positiven Erfahrungen, die durch ein Pilotprojekt gewonnen worden sind. Allerdings sollen die Kameras ab Januar 2007 nicht flächendeckend, sondern nur an bestimmten Haltestellen bzw. in Zügen bestimmter Linien eingesetzt werden. Denn wie immer hat wohl auch hier selbstverständlich niemand ein Interesse an einer flächendeckenden Kameraüberwachung…
Immerhin müssen Hinweisschilder angebracht werden. Zudem müssen die Aufzeichnungen nach 48 Stunden wieder gelöscht werden. Man darf auf die weitere Entwicklung gespannt sein…

Film: Alltag Ãœberwachung

Auf dem Weblog Onlinejournalimus.de findet man den Flash-Trailer einer 45 minütigen Dokumentation der Videojournalisten Roman Mischel und Fiete Stegers zum Thema Alltag Überwachung. Zu Wort kommen darin u.a. Thilo Weichert, Rena Tangens, sowie Vertreter der Innenministerien von Bund und Ländern. Einen Sendeplatz für die Dokumentation suchen die beiden Journalisten noch, von hier aus sei ihnen viel Erfolg dafür gewünscht.

Nachtrag Hamburg: Kameras am Hansaplatz

Und die Welt legt am Montag noch einmal nach… Genauere Informationen zu den geplanten Kameras am Hansaplatz. Und wieder bleiben die Gründe und die Ãœberlegungen der Polizei im Dunkeln und bestenfalls ungenau… Das schafft – bei aller Liebe – kein Vertrauen in die Maßnahme, noch in das was die Polizei damit vielleicht wirklich bezwecken will… das Vertrauen der Bewohner von St. Georg wird sie damit nicht im Sturm erobern…

Eine Stadt wird gefilmt

..unter diesem Titel gibt es heute eine gut recherchierte Geschichte bei der Welt am Sonntag über die Videoüberwachung in Hamburg. Die Aussagen der Polizei zeigen, dass die Maßnahme Videokameras vor allem die Tendenz hat zu wachsen…. Immerhin haben die Autoren auch andere Stimmen (meine) gehört… ein Kommentar spare ich mir daher.

Hamburgs “jüngster Kandidat” für Kameras ist der Hansaplatz in St. Georg. Von der Kriminalitätsbelastung kommt er auf Platz zwei nach der Reeperbahn, Stoßrichtung ist somit die Bekämpfung von Verbrechen. Fallak kündigt an, dass Mittel bereitstehen und im Frühjahr mit dem Aufbau der Kameras begonnen werden könne.

“Das wäre nicht zweckdienlich”, sagt Zurawski, “wir haben Befragungen in St. Georg durchgeführt. Die Kameras können helfen, Kriminalität zu vertreiben. Ein Ort mit Videoüberwachung ist aber kein Ort, an dem sich Menschen gern aufhalten.” Die Bürger würden die Ãœberwachung zur Kenntnis nehmen, aber versuchen, den Platz zu meiden. “Wenn man dem Hansaplatz etwas Gutes tun will, und er soll ja wieder zum Zentrum eines lebendigen Stadtteils werden, dann lässt man ihn nicht überwachen.”

Nun doch mehr Kameras für Hamburgs S-Bahnen

Nach einem folgenschweren Vorfall in einer Hamburger S-Bahn, bei dem ein Mann starb, fordert Innensenator Udo Nagel nun einen flächendeckenden Ausbau der Videoüberwachung in Hamburg. Die S-Bahnen waren bisher nicht mit Kameras ausgestattet. Nach dem Vorbild der U-Bahnen sollen diese jetzt aber nachziehen. Der präventive Effekt wäre klar vorhanden – ob tatsächlich auch bei Affekttaten dieser Art, bei der die Beteiligten wohl auch noch alkoholisiert waren, ist dennoch fraglich.

Kameras hätten zwar voraussichtlich den Vorfall am Sonntagmorgen nicht verhindert, sagte ein Sprecher der Innenbehörde. Da aber wie in diesem Falle eine Tat häufig “von jedem anders geschildert” werde, könne eine Kameraüberwachung zumindest viel zur Ermittlung von Tathergang und Tätern beitragen. Der Senator könne jedoch nur appellieren, alle S-Bahnzüge und -bahnhöfe mit Videoüberwachung auszurüsten, da Bahn und Bundespolizei in der Verantwortung des Bundesverkehrs- und des Bundesinnenministeriums lägen. (Zeit 25.10)

Die Frage bleibt: Wann hören die Begehrlichkeiten auf. Nun sind die Nahverkehrsmittel sicher, dann kommen die Bahnhöfe, die Vorplätze, Straßen und alles weitere dran. Es wird keine absolute Sicherheit geben – aber eine lückenlose Ãœberwachung. Hilft das wirklich, oder ist es einfach nur politisches Getöse. Ãœber die tatsächliche Wirkung wissen wir nichts – die unsachgemäße Einzelfall-Empirie der Politiker kann und darf nicht als Ersatz für halbwegs ordentliche wissenschaftliche Erkenntnisse genommen werden.

Diese Reflex-Politik gibt es nicht nur in der Hansestadt, sondern auch im schönen Berlin oder am Main. Wie schön wäre es, wenn solche Sachen einmal gründlich durchdacht, mit allen durchgesprochen und dann umgesetzt würden – oder eben nicht. Stattdessen wird immer nur reagiert, das möglichst schnell und ohne gründliche Vorbereitung oder Ãœberprüfung. Zweifel wie hier in München sind selten – aber das wird wohl auch nicht viel nutzen.

Treffpunkt WissensWerte “Videoüberwachung”

TSB Technologiestiftung Berlin, rbb Inforadio und Technologie Stiftung Brandenburg laden ein zur Talkrunde “Kuck mal, wer da kuckt…! Videoüberwachung – technisch Machbares, gesellschaftlich Akzeptiertes und zukünftig Wünschbares” ,
23. Oktober 2006
18.00 Uhr
Ernst Reuter Haus, Str. des 17. Juni 112, 10623 Berlin.

Mit:
– Dr. Leon Hempel
Zentrum für Technik und Gesellschaft, Technische Universität Berlin
– Dr. Ivo Keller
vis-à-pix GmbH, Potsdam
– Dr. Michael Weber
DResearch Digital Media Systems GmbH, Berlin
– Prof. Dr.-Ing. Thomas Sikora
Technische Universität Berlin, Fakultät IV – Elektrotechnik und Informatik

Moderation: Thomas Prinzler, Wissenschaftsredaktion rbb Inforadio

Lächle, du könntest erkannt worden sein!

In Mainz – das war ja schon bekannt – testet die Polzei derzeit ein Videosystem, mit dem sich auch Gesichter erkennen lassen. Die nächste Generation von Kameras hat somit unsere öffentliche Welt erreicht. Die hypothetische Frage, ob sie ausgeweitet wird, stellt sich eigentlich nicht. Allein Kosten und ein totales Versagen könnnen verhindern, dass die Technik auch in anderen Städten und Ländern Begehrlichkeiten wecken.

Videoüberwachung. Kameraauge auf! HR Online, 10.10.2006

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßte das Projekt. Um Menschen vor Terroranschlägen zu schützen, sollte modernste Technik zur Hilfe genommen werden, sagte GdP-Chef Konrad Freiberg dem ZDF. Allerdings könne Technik Polizisten nicht ersetzen. Sollte der Versuch erfolgreich verlaufen, müsse eine Diskussion über den Einsatz dieser Technik geführt werden. Es müsse aber auch darauf geachtet werden, “wie hoch die Fehlerquoten sind”.

Manche Argumente werden auch dann nicht richtiger, wenn man sie unablässig wiederholt…. Schutz vor Terror….

Das ZDF hatte gestern dann auch einen Bericht dazu gesendet und weitere Informationen aufs Netz gelegt: Täterjagd mit Kamera und Computer

Der Fernsehbericht wurde von einem aufmerksamen Kollegen aufgenommen. Und hier noch ein Nachschlag dazu.

Außerdem ein Artikel von Deflef Borchers bei Heise News: Foto-Fahndung im Mainzer Hauptbahnhof.

Sicherheitsindustrie mahnt Politik!

so so so… folgendes steht im Branchenblatt innovative Verwaltung: Videoauswertung und Erfahrungsaustausch schaffen mehr Sicherheit. Und natürlich haben diese Verbände nur unsere Sicherheit in Sinn und nicht ihre eigenen Bilanzen…

Der IT-Branchenverband SIBB e. V. fordert Sicherheitsbehörden und -organisationen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene auf, moderne Sicherheits-Technologien endlich aktiv einzusetzen. Angesichts der hoch brisanten Sicherheitslage ist es nicht akzeptabel, Technologien nur in Pilotprojekten auszuprobieren und danach mit überalterter Technik weiterzuarbeiten.

Weiter heißt es:

Aus flächendeckend vorhandenem Videomaterial können Tathergänge weitestgehend rekonstruiert werden. Aus den Erkenntnissen können Erfahrungswerte für künftige Sicherheitsstrategien erarbeitet und umgesetzt werden. Damit können künftige Terrorakte nach gleichem Muster frühzeitig erkannt und auch verhindert werden.

Wie und woher diese Erkenntnisse stammen, angesichts der Vorfälle in jüngster Zeit, bliebt offen. Auch wird hier unverblümt der Terrorismus mit der Kriminalitätsbekämpfung vermischt. Es ist ein plumber Versuch, Technologien mit Panik und Angst verkaufen zu wollen.

Videoüberwachung in Hamburg gescheitert (?)

so titelt zumindest die WELT vom 30.9.2006. Die Kriminaltitätsrate sei gestiegen, die Kameras hätten ihren Zweck nicht erfüllt, Verbrechen würden nicht verhindert. Die Polizei hält dagegen, dass vor allem das Dunkelfeld aufgehellt wurde – und hat wohl damit ein wenig Recht. Aber selbst aus Polizeikreisen heißt es, wenn man mal konkret nachfragt, dass die Kameras vor allem zu Aufklärungszwecken gut sind, verhindert wurde damit noch nicht wirklich etwas. Wie auch immer, die Hamburger Polizeiführung hält natürlich daran fest und wird das Instrument in der Zukunft wohl auch noch an weiteren Plätzen in Hamburg ausbauen.

CCTV auf Sri Lanka

Auf der konfliktbeladenen Insel vor Indien hält jetzt auch moderne Technik zur Verbrechensbekämpfung Einzug. Die Diskussion, welche hier in Europa beinahe jede Kameras begleitet, scheint dort noch nicht angekommen zu sein. Noch wird in den Kameras ein Allheilmittel gesehen, um tatsächlich auch den tamilischen Tigern Einhalt zu gebieten, zumindest aber ihre Terroranschläge zu verhindern (!). Außer natürlich mit einer kompletten Ãœberwachung der gefährdeten Gebiete… und genau so liest sich der Plan ein wenig….

CCTV Cameras to beef up Sri Lanka security:

At least two cameras will be fixed at each main colour light junction while some will be fixed at other secret locations. A group of specialists of the Katubedda Engineering faculty are assisting the police in this effort. According to the proposed plan all cameras will be connected to one network and all data collected will be linked up to a control room at the Colombo City Traffic Police headquarters in Fort. The cameras will record video pictures 24 hours daily and a special police team will monitor them round the clock. If anything unusual is recorded, immediate action will be taken by the officials to send a Police 119 Emergency Mobile Unit to the scene.

Mir ist nicht ganz klar welches Sri Lanka die Webseite eigentlich repräsentiert: Die Selbstbeschreibung lautet – ” Our aim is to unite all Sri Lankans around the globe and to be the foremost source for latest and hot news on Sri Lanka and Sri Lankans wherever they live.” Da es auch eine London Column gibt, nehme ich an, dass es sich um eine Diaspora-Seite handelt und als Repräsentationsfläche für bestimmte Inhalte genutzt wird – oder die es aus politisch-gesellschaftlichen Gründen überhaupt erst gibt.

Kameras verhindern nicht Рaber sțren auch nicht!?

Eine australische Studie zu Videoüberwachung zeigt abermals, dass die Kameras nicht zur Kriminalitätsbekämpfung taugen. Immerhin wird so etwas auf einer Webseite der Sicherheitsindustrie abgedruckt (Security Park).

CCTV used in applications such as street surveillance and critical infrastructure protection, require constant video monitoring by human operators – and therein lies a problem – deploying preventative action is only possibly if the operator sees the incident.
In a study issued by the US National Institute of Justice it was reported that after only 20 minutes of watching video monitors the viewing attention of operators quickly degenerated to a level well below acceptable standards. This and other studies highlight the fact that monitoring video screens has a dulling effect on the senses, which leads to distraction.

Gegen die Hysterie der Politiker hat sich auch die Bahn entschieden – aus welchen Gründen auch immer – und nimmt nur einige Verbesserungen der Kameras vor, nicht aber einen massenhaften Ausbau – weiß aber auch, dass Video-Ãœberwachung ist den Bürgern lieb ist.

Am Bahnhof Erkner fällt das Urteil über die Video-Ãœberwachung im großen und ganzen einhellig aus: die Bürger sind dafür und hätten auch gegen eine Ausweitung nichts einzuwenden. Marina Baumann aus Erkner indes kritisiert, dass ihr trotz der Ãœberwachung auf dem Pendler-Parkplatz schon ein Fahrrad gestohlen worden sei. Andererseits hat sie Verständnis: “Die werden bei der Polizei ja auch nicht den ganzen Tag nur vor dem Bildschirm sitzen.” Mehr Sicherheit entstünde aus ihrer Sicht vor allem mit mehr Personal. “Die sollten öfter richtig hier langlaufen.” In Fürstenwalde sagt, zum Beispiel, Sandra Zeisig: “Mich würden Kameras im Zug und auf dem Bahnsteig beruhigen.”

Mein Eindruck, dass Videoüberwachung in den meisten Fällen eine Sicherheit verspricht, die sie nicht halten kann, bleibt bestehen – und wie die Ãœberraschung der Frau zeigt – ist der Schock und das Ärgernis noch größer wenn dennoch etwas mal passieren sollte. Das Gezeter nach den nächsten Kofferbomben will ich mir erst gar nicht vorstellen.