Category: Forschung/Theorie

Call for Papers: Kriminal-Geographie

Für das nächste Jahr ist an der Uni Potsdam eine Tagung zum Thema:
“Kriminalität und Raum – Das Projekt einer ‚kritischen Kriminalgeographie’” geplant.

Termin ist der 14./15. September 2007.
Vortragsangebote sind bis zum 28. Februar 2007 einzureichen (Organisator: Bernd Belina)

Sowohl Raum/Räumlichkeit als auch Kriminalität/Kriminalisierung sind Ergebnisse sozialer Konstruktionen/Produktionen. Weder ist Raum rein physikalisch als Container zu verstehen, noch ist Kriminalität oder Abweichung etwas ontisches. Die seit einigen Jahren auch hierzulande wieder boomende Mainstream-Kriminalgeographie hingegen ist sowohl ätiologisch orientiert als auch einem Containerraumverständnis verhaftet; dabei interessiert sie sich vor allem für die Bedeutung von Raum bzw. für die spezifischen Merkmale von Räumlichkeiten für die Chancen der Begehung kriminalisierbarer Handlungen und in jüngerer Zeit verstärkt auch für Sicherheitsempfindungen/Kriminalitätsfurcht in öffentlichen Räumen.

Ich denke, dass ist auch für die Überwachungsforscher und aus Sicht der Suveillance Studies durchaus von Interesse.

Vortrag: Videoüberwachung und Gesellschaft

In der Vortrags- und Diskussionsreihe “Umwelt Entwicklung Frieden” an der Universität Osnabrück findet am 17. Januar eine Veranstaltung zum Thema Videoüberwachung statt.

Dr. Gisbert van Elsbergen
“Wieviel Videoüberwachung verträgt unsere Gesellschaft?

Ort: Hörsaal der Geographie
Seminarstraße 19 A | Geb.02, Raum E 04
Tag: Mittwoch | 17. 1. | 18.15 Uhr

Nachtrag: Chips und die Kontrolle des Menschen

Hier noch drei Hinweise zu dem Kommentar von Kevin Haggerty im Toronto Star:

Spiegel Online: Satelliten sollen Sexverbrecher verfolgen
Telepolis: Kampfroboter zum Schutz von Grenzen, Flughäfen oder Pipelines

Und ein Buch-Tipp, der mich als Kommentar zu dem Thema erreichte: TESTAMENT VOL. 1: AKEDAH Written by Douglas Rushkoff

Und natürlich kann man auch im neuesten James Bond sehen, wie das mit dem Chip so funktioniert.. auch hier kann man Haggerty folgen, dass eine Gewöhnung an die neue Technologie, in diesem Fall über die Sympathisierung mit dem guten Agenten, erfolgt. Es ist doch ganz normal und toll…

In nur einer Generation….

werden wir oder unsere Kinder es nicht bemerkenswert finden, wenn wir in unserem Körper Microchips tragen, die alle unsere Bewegungen oder Aktivitäten aufzeichnen, speichern bzw. an weitere Datenbanken weitergeben. Kevin Haggerty, Soziologie an der Universität von Alberta beschreibt die Entwicklung und ihre Konsequenzen in der kanadischen Tageszeitung “Toronto Star”. Seine Einschätzung:

Other users include the patrons of the Baja Beach Club in Barcelona, many of whom have paid about $150 (U.S.) for the privilege of being implanted with an identifying chip that allows them to bypass lengthy club queues and purchase drinks by being scanned. These individuals are the advance guard of an effort to expand the technology as widely as possible.

From this point forward, microchips will become progressively smaller, less invasive, and easier to deploy. Thus, any realistic barrier to the wholesale “chipping” of Western citizens is not technological but cultural. It relies upon the visceral reaction against the prospect of being personally marked as one component in a massive human inventory. (A generationi is all they need)

Die gegenwärtig immer wieder (und dreister) geäußerten Forderungen der Sicherheitsunternehmen bezüglich der (ihrer Ansicht nach mangelnden Sicherheitsmaßnahmen gegen den Terror) sind nur die Vorboten, von dem was uns in Zukunft noch erwartet. Je schwächer der Staat bzw. je mehr versessen sein Politiker auf Technologien zum angeblichen Schutz vor Terror (und Kriminialität) sind, desto mehr wird die Industrie  ihre Forderungen druchsetzen und ihre Technologien verkaufen können. Welche Konsequenzen diese Verschiebung der Sicherheit von Staat zu privat hat, werden wir noch nicht abschätzen können. Das es besser wird, ist nicht anzunehmen, auch nicht, dass wir tatsächlich sicherer werden.

Ãœberwachung in der Antike

Unter dem Titel “der Big Brother-Steinbruch der Römer” berichtet der Spiegel von einer Forschung aus dem Bereich der Archäologie, die Ãœberwachungspraktiken bereits weit vor Benthams Panoptikon und dem modernen (digitalen) Staat feststellt.

Journal of Mediterranean Archaeology
Vol. 19 No. 1 (Jun 2006):65-89
Is Somebody Watching You?
Ancient Surveillance Systems in the Southern Judean Desert
Yuval Yekutieli

Das zeigt, das meine These von der grundsätzlichen Bedeutung von Ãœberwachung als eines fait social total nicht unbegründet ist – zumal in Verbindung mit der Ausübung bzw. Herausbildung von Herrschaft bereits in vor-modernen Gesellschaften.

Der Hügel über dem Steinbruch weist am Hang eine merkwürdige natürliche Struktur auf, eine Art Graben, der zur Verwendung als Wachgang förmlich einlädt. Ein Felsspalt im Außenwall dieses Korridors bietet einen vollkommenen Ãœberblick über den Steinbruch und das angrenzende Sklavenlager. Wer diese Stelle als Aussichtspunkt nutzt, kann von unten nicht bemerkt werden. Archäologe Yekutieli spricht von “psychologischem Terror”. Ein Foto aus der Perspektive des Sklavenlagers beweist das: Die Gefangenen hatten stets die Felsspalte im Blick. Ob sich dahinter ein Bewacher verbarg oder nicht, konnten sie indes nicht erkennen.

Schon der Ursprung des Wortes weist auf eine ältere Bedeutung hin: Lat. vigilare = wachen, beobachten, später dann das überwachen von Kranken. Beobachten gehört zu den grundsätzlichen menschlichen und sozialen Verhaltensweisen, ohne die eine Seins-Werdung nicht möglich erscheint. Lernen (u.a. durch imitieren) und kontrollieren sind zwei Seiten derselben Medaille und basieren auf Beobachtung. Nicht alles “Beobachten” ist Ãœberwachung – aber im Grundsatz verweist der Zusammenhang darauf das Ãœberwachung nicht ein bloßes Produkt moderner Gefängnissarchtektur und post-moderner Staaten ist, sondern, dass es sich durchaus um eine Folie handelt, mit der Gesellschaft als ganzes betrachtet werden kann, ähnlich dem von Marcel Mauss in den Anfängen der Anthropologie thematisierten Tausch (siehe: die Gabe, le don).

Ein schönes Beispiel, wenn auch der Spiegel sich nicht zu schade war, die Schlagzeile mit dem Begriff Big Brother zu verunstalten.

Report: CCTV in Australien

The report Crime and CCTV in Australia: Understanding the Relationship will be publicly available 5th December 2006 as an e-publication.

Crime and CCTV in Australia: Understanding the Relationship (research methodology in brief).
The impact of CCTV on recorded crime in two Gold Coast suburbs (Surfers Paradise and Broadbeach) as well as selected QR Citytrain stations utilised police recorded crime in order to undertake time-series analysis to determine the effectiveness of CCTV. An observational study was undertaken in a Gold Coast control room to investigate the general control room operational practices, the monitoring strategies adopted, why monitoring was initiated, the types of incidents surveilled and the targets of surveillance. The survey research of QR commuters, Gold Coast residents and business traders was undertaken to ascertain the impact that CCTV has on the wider public and to gain information regarding people’s experiences with CCTV and their perceptions relating to privacy.

Videoüberwachung öffentlicher Räume

Klauser Francisco, 2006, “Die Videoüberwachung öffentlicher Räume, Zur Ambivalenz eines Instruments sozialer Kontrolle”, Campus, Frankfurt.

Das Buch beinhaltet neben einem umfangreichen empirischen Teil zur Frage der Revitalisierung von urbanen Problemräumen durch Überwachungskameras und zur allgemeinen Akzeptanz der visuellen Überwachung unserer Städte auch eine
Abhandlung zur Videoüberwachung in schweizerischen Printmedien und einen
längeren theoretischen Teil zum Verständnis öffentlicher Räume.

Videoüberwachung bei Wikipedia

Wissenschaft bedeutet auch den die Diskussion über Termini, Konzepte und die Hoheit über Deutungen. Auf Wikipedia kann man diese Prozesse oft sehr schön und nachvollziehbar beobachten. So auch zum Thema Videoüberwachung. Und in der deutschen Ausgabe ist eine doch recht heftige Debatte entbrannt, wie dieses Thema darzustellen ist, welche Argumente die richtigen sind, ob ein Artikel auf Wikipedia vor allem kritisch sein darf und welche Seiten der Kameras dort besprochen werden sollen (die Neutralität der Darstellung ist auch ein kleiner Diskussionpunkt in der englischen Ausgabe der Wikipedia zum Thema). Meiner Einschätzung nach ist der Artikel informativ, aber nicht akutell – Virilio und Foucault in der Literaturliste zeigen einmal mehr das Dilemma der Forschung zu Ãœberwachung deutscher Provienienz. Neuere Literatur, die es zu Hauf gibt, bleibt unerwähnt, neuere Forschung ebenfalls.

Der Streitpunkt in dem Artikel, ob private Kameras und die damit verbundenen Wünsche und Ziele andere sind, als die öffentlicher Linsen und die harsche Kritik von padeluun daran, bleiben eine Scheindiskussion – die Komplexität von Ãœberwachungssystemen, die sich mit Raum, Zeit und Zweck verändern und dynamisch auf andere Teile einer surveillant assemblage (K. Haggerty/R. Ericson) reagieren bleiben völlig unberücksichtigt.

Die Wahrnehmung und auch öffentliche Diskussion von Videoüberwachung bleibt dem großen Bruder-Diskurs verhaftet (und Foucault immer mittenmang…). padeluun mahnt eine bessere Diskussionkultur an, die sich jenseits von Wikipedia bewegt – ein guter Vorschlag – es wäre dann aber auch nötig die vorhandene Forschung zu Videoüberwachung wahrzunehmen, die nicht immer allen gefällt, weder den Politikern, noch den Aktivisten. Die Diskussion zeigt aber auch die letztlich unzureichenden Möglichkeiten des wissenschaftlichen Diskurses auf Wikipedia…

Aber auf der anderen Seite müssen aber auch Möglichkeiten erfunden werden, die das ganze Dingens mit der Freiheit weniger mühsam machen (Gesetze waren so eine Erfindung). “Stabil Versions” könnten in der Wikipedia eine vorübergehende (und schlechte, da technische) Lösung für ein soziales Problem sein. Eine korrekte Lösung wäre die Finanzierung von Wissens- und Diskursstrukturen. Dafür — vorsicht, jetzt wird’s schwulstig — müssen herrschende Strukturen endlich von der Produktions- auf die Kommunikationsgesellschaft umgestellt werden. Dazu ist noch eine Menge zu tun — und es wird nicht mit dem Editieren in der Wikipedia getan sein. (Wikipedia Diskussion zu Videoüberwachung)

Eine Literaturliste zu Ãœberwachung folgt hier in Kürze wie bereits versprochen…

Sicherheitsbericht und Erkenntnis

Der Sicherheitsbericht der Bundesregierung hat eine Kontroverse ausgelöst. Die einen freuen sich, die anderen warnen vor zu viel Wohlgefühl. Frau Merkel hatte noch vor einigen Tagen zu mehr Wachsamkeit aufgerufen und die Videoüberwachung war ihr da auch ein ganz wichtiges Thema. Das klang ein wenig wie nachgeplappert – aber mit dem Thema liegt egal welcher Politiker nie ganz falsch.

Maulkorb für Wissenschaft und Kritik?

Die Generalbundesanwältin Monika Harms ruft die Bevölkerung zu mehr Wachsamkeit vor Terroranschlägen auf. Das ist eigentlich positiv, denn niemand möchte Opfer eines Terroranschlages werden. Es bleibt nur die Frage, wie glaubwürdig die ständige Warnungen vor Terror und Unterwanderung sind – zumal die Diskussion auch auf die Einwanderungsdebatte und andere gesellschaftliche Diskurse übergreift.
Dann allerdings:

“Die Bevölkerung in Deutschland möchte einerseits maximalen Schutz. Auf der anderen Seite ist sie oftmals nicht bereit, Einschränkungen hinzunehmen – etwa eine stärkere Videoüberwachung auf Bahnhöfen.”

Und hier sehe ich die Arbeit von Datenschützern, Aktivisten und nicht zuletzt den Wissenschaftlern angegriffen, die sich mit dem Thema Ãœberwachung in kritischer Weise auseinandersetzen – und oftmals nicht einfach hinnehmen, was uns unter dem Mantel der Sicherheit und Terrorabwehr verkauft werden soll. Ich finde diese Kritik unangebracht. Angela Merkel hatte es vor kurzem allerdings noch deutlicher gesagt und damit alle Kritiker in die Nähe von Terroristen gebracht – das ist infam und wir sollten uns solcher Anschuldigungen auch im Kern und in ihren Anfängen erwehren.

Nachtrag: Int. Datenschutz-Ranking

Wie in einem Kommentar zu dem Bericht des Surveillance Studies Network angemerkt wurde, steht in dessen Bericht nichts über eine Datenschutz-Ranking, in dem Deutschland den ersten Platz einnimmt.

Das ist richtig, denn der Bericht über die verschiedenen Länder und ihre Anstrenungen in Sachen Datenschutz finden sich in einem zur gleichen Zeit veröffentlichten Bericht von EPIC und Privacy Interntional, die ebenfalls auf der entsprechenden Konferenz Anfang November anwesend waren.
Liest man den Bericht und die dazugehöriige Tabelle und Karte, dann sieht man, dass Deutshcland und Kanada wohl die ersten beiden Plätze belegen, aber nicht die höchste Punktzahl erreichen – also hier durchaus noch Verbesserungsbedarf herrscht.

Nachtrag: Bericht des Surveillance Studies Network

BBC berichtet prominent über den Bericht unserer Kollegen aus England mit weiteren Informationen zu England und Datenschutz (dort gibt es auch den ganzen Report als pdf-Dokument). Wenn bisher nicht klar war wozu ein Forschungsnetzwerk gut war – hier ist ein Beispiel (siehe auch Handelsblatt, 3.11.2006)

Die kleine Zusammenfassung aller Ãœberwachungsmöglichkeiten zeigt verdichtet sehr schön, was eigentlich so los ist… ob das alles immer auch gleich bedrohlich zu bewerten ist, ist etwas anderes – aber dazu erforschen wir die Sache ja….

4.2m CCTV cameras
300 CCTV appearances a day
Reg plate recognition cameras
Shop RFID tags
Mobile phone triangulation
Store loyalty cards
Credit card transactions
London Oyster cards
Satellites
Electoral roll
NHS patient records
Personal video recorders
Phone-tapping
Hidden cameras/bugs
Worker call monitoring
Worker clocking-in
Mobile phone cameras
Internet cookies
Keystroke programmes

Labour träumt sogar von einer Megadatenbank, die vom Blutdruck bis zum Führerschein alle Personendaten zusammenführen würde. (Handelsblatt)