Category: Forschung/Theorie

Kongress in Durban, Südafrika

Liebe Blog-Leser,

es ist Sommer und da verreist man schon mal… so auch ich und zwar zum XVI ISA World Congress of Sociology nach Durban. Teil des Kongresses ist u.a. eine adhoc-Gruppe von David Lyon zu Surveillance, Security and Social Sorting. Ich werde versuchen von dort hier zu berichten. Eingeladen dieses zu tun habe ich auch andere Teilnehmer der Session – daher wird die Berichterstattung dieses Mal in Englisch stattfinden… auch um die internationale Surveillance Studies Gemeinde mit einzubinden. Ich bitte um Verständnis für diesen Versuch.

Ich werde versuchen Photos zu posten – auch von den Ãœberwachungstouren, die wir dort machen… die Stadt, das Casino… einiges ist geplant.

einen schönen Sommer und am 1. August geht es dann wie gewohnt weiter..

beste Grüße

nilz

Beobachtet werden verführt zur Wahrheit

Eine Studie der Universität Newcastle hat in einem Experiment (BBC Online) getestet, welchen Konformitätsdruck bestimmte Bilder erzeugen. Augen und Kameras suggerieren offensichtlich eine Form der Beobachtung, auch wenn diese Augen nicht real sind.

A Newcastle University team monitored how much money people put in a canteen “honesty box” when buying a drink. They found people put nearly three times as much in when a poster of a pair of eyes was put above the box than when the poster showed flowers.

Ein psychologischer Effekt, der allerdings weitreichende Konsequenzen und Anwendungsgebiete verspricht. Und die Ideen werden auch gleich mitgeliefert…

Writing in the journal Biology Letters, the team says the findings could aid anti-social behaviour initiatives.

Angesichts der Diskussion um die Datenschutz- und Freiheitsrechte der Bürger bei Videoüberwachung, scheinen sich hier viel grundlegendere Probleme zu ergeben. Nämlich die Psychologisierung sozialer Kontrolle, welche anscheinend auch kulturell verankert ist. Vielleicht ziehen die Kameras einen Großteil ihrer Wirkung daraus und nicht aus der Tatsache, dass dann die Polizei jede Untat gleich mitbekommt und man selbst zur Rechenschaft gezogen wird. Das ist dann nur das, was die Polizei aus diesem Effekt herauszieht…. und spricht gleichzeitig gegen ihre gängigen Argumente.

mehr auch bei Spiegel Online

Satelliten für Menschenrechte?

Der Christian Science Monitor berichtet über die Möglilchkeiten Menschenrechtsverletzungen per Satellit zu überwachen. gibt es also gute Ãœberwachung und schlechte. Wo sind die Grenzen und wer zieht diese. Ich finde, das ist ein schönes moralisches Dilemma, welches eine ganze Menge von Fragen aufwirft. Moralische Deutungshoheit – Demokratieverständnis von Aktivisten – welche Aktivisten – welche Art von Menschenrechtsverletzungen??? Auch wenn ich keinen Zweifel hege, dass es in diesem Fall um hehre Ziele ging, so sind diese Ãœberlegungen doch legitim – zumal Satelliten nicht einfach so verfügbar sind und daher die Frage aufkommt, wer zahlt das und aus welchem Grund?

Satellites can monitor volcanoes, map deforestation, and help sell real estate. But can they document human-rights violations?
Yes, activists say.
Already, high-altitude images of Zimbabwe’s destruction of a settlement has increased pressure on the government to curb its abuses. Now, human-rights groups are focusing on Darfur, Chad, and Burma. In eastern Burma, for example, the government is accused of aggressively attacking an ethnic minority.

(Christian Science Monitor, 22. Juni 2006)

Könnte man damit auch Guantanamo überwachen und die Situation und Menschenrechtsverletzungen dort dokumentieren…? Da scheint allerdings dann wieder die Frage nach der Finanzierung und dem Zugriff auf die Satelliten eine wichtige Rolle zu spielen.

Augen Augen Augen

Das mit der Bemerkung zu den Augen auf Kameras als gängige Bebilderung von Büchern zu Ãœberwachung und anderem wächst sich zu einem neuen Hobby aus… hier sind noch zwei, die mir ein Kollege zugeschickt hat…
Beim ersten ist es zugegeben etwas undeutlich, aber in der Mitte meine ich ist doch eine Iris zu erkennen… das zweite spricht für sich….

Poster-MediaAge.jpg

Film anlässlich der WM

Die “Frickelfraktion” hat eine kleine Filmcollage anlässlich der Fußball-WM gemacht und ins Netz gestellt. Sie erklären selbst, warum der Film wichtig ist und was uns erwarten kann. Da es auch um Ãœberwachung geht, habe ich den Link hier veröffentlicht.

grossartig wäre es, sich einfach nur an fussballspielen erfreuen zu können. doch leider ist die wm in deutschland als grossereignis manifestation vieler unschöner dinge, angefangen mit einem ausufernden nationalismus inklusive aller seiner ausgrenzenden und rassistischen folgen über horden herumgrölender fans, die für ihren “männersport” auch ihre eigene “männlichkeit” beweisen müssen, hin zu der aufrüstung der inneren sicherheit – videokameras, rfid-chips, datensammlerei, soldaten im inland, spezialeinsatzkräfte haben die wm-städte im griff.

Der Film ist leider etwas plump geraten.. auch wenn er einige schöne Verbindungen zieht und als Collage und mit Eisenstein’scher Schnittmanier die Gegensätze und die verdeckten Wahrheiten aufdecken will. Aber er soll nicht vorenthalten werden… also macht euch selbst ein Bild..

“Der Bürger im Visier”

Die Zeitschrift Wechselwirkung hat in ihrer neuesten Ausgabe (Nr. 136, die Texte sind nicht online) einen Schwerpunkt zu Datenschutz und neuen Technologien mit Beiträgen von Florian Rötzer, Thilo Weichert, Peter Schaar und Rena Tangens. Das sind zwar die üblichen Vedächtigen, aber immer sehr lesenswert. Vor allem über Kundenkarten, RFID-Chips und den oft lückenhaften Datenschutz gibt es gute und ausführliche Informationen.

Eine Anmerkung ist allerdings zu machen: Auch hier fand die Phantasie der Layouter wieder ihre Grenzen. Augen und Kameras wohin man auch schaut. Ein paar Chips und Bildschirme noch dazu, das war es dann aber auch schon… es wird wohl schwer sein, diese Ikonen durch andere Metaphern und Bilder ersetzen zu können. Oder gibt es gar keine besseren…?!?

Film: Alltag Ãœberwachung

Auf onlinejournalismus.de gibt es einen Hinweis zu einem Film zu Ãœberwachung – mit einem kurzen Trailer zum Appetit machen. Die Autoren haben noch keinen Sender gefunden, auf dem er ausgestrahlt werden könnte… ich hoffe, das bleibt nicht so. Die Ausschnitte geben einen guten Ãœberblick… ob allerdings die 400.000 Kameras, die in dem Begleittext erwähnt werden für Deutschland nicht zu pauschal sind… dazu müsste man den Film mal sehen… Insgesamt: vielleicht – öffentlich/polizeilich: auf keinen Fall.

Ansonsten hat der Film das Ãœbliche zum Thema anzubieten… die Frage ist: wie ist es umgesetzt?

Von geschätzten 400.000 Überwachungskameras in Deutschland über Funkchips in biometrischen Pässen, WM-Tickets und dem Einkaufskorb der Zukunft bis zur von der EU verordneten Speicherung der Telefon-, Handy- und Internet-Daten aller 450 Millionen Europäer – an welchen Stellen im alltäglichen Leben entstehen Datenspuren? Wo sind die weitergehenden Forderungen von Ermittlern und Innenpolitikern sinnvoll, wo Effekthascherei? Sind wir auf dem Weg in den Überwachungsstaat? Polizei und Innenpolitiker, Überwachungskritiker und Betroffene, Datenschutzbeauftragte und Wissenschaftler kommen zu Wort.

Neues Buch zu Ãœberwachung in unserem Alltag

Hier ist mal was zum Lesen. Es erscheint zwar erst im Herbst… also ist dieses nur ein Hinweis zum Merken für später. Die Surveillance Studies etablieren sich weiter… im Moment verstärkt leider nur außerhalb Deutschlands… aber wird sich auch hier langsam ändern..

Surveillance and Security: Technological Politics and Power in Everyday Life

Edited by Torin Monahan (Routledge, 2006)
ISBN: 0415953936

This book critically investigates the politics of surveillance technologies in everyday life. From biometric technologies at airports and borders, to video surveillance in schools, to radio frequency identification (RFID) tags in hospitals, to magnetic-strips on welfare food cards ˆ surveillance technologies integrate into all aspects of modern life, but with varied effects for different populations.

Contributors include: Peter Adey, Heather Cameron, Nancy Campbell, Simon Cole, Lane DeNicola, Aaron Doyle, Virginia Eubanks, Jill Fisher, Laura Huey, Institute for Applied Autonomy, Cindi Katz, Andrew Lakoff, David Lyon, Gary Marx, Torin Monahan, Henry Pontell, Irma van der Ploeg, Kevin Walby, and Langdon Winner.

Big Brother schaut zu

Das Handelsblatt hat in seiner Ausgabe vom 31. Mai einen Artikel zu Videoüberwachung und unserer Forschung hier in Hamburg veröffentlicht. Die Autorin Eva-Maria Schnurr hat einen sehr schönen und runden Artikel geschrieben, der die Forschung gut auf den Punkt bringt und die Diskussion um Videoüberwachung insgesamt gut darstellt.

Und auch die Kollegen aus Oldenburg mit dem Projekt “Kontrolle und öffentlicher Raum kommen darin vor… und sie haben dabei ähnliches zu berichten wie wir auch.

Allerdings machen Videokameras Orte im Bewusstsein der Menschen bisweilen auch erst gefährlich. Das zeigte eine Studie im Rahmen des DFG-Projekts „Kontrolle und öffentlicher Raum“ am Institut für Soziologie der Universität Oldenburg.

zum Lesen…

und vorher kaufen, da noch nicht alle Artikel online sind …
Forum Wissenschaft 2/2006 mit einem Artikel zu Forschungsperspektiven zu Kontrolle und Ãœberwachung (Nils Zurawski: Surveillance Studies). Diese Ausgabe ist ein Spezial zur WM … mit interessanten Artikeln zu Militär und Sport, Datenschutz usw…
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und immer wieder Augen….

Ein Forschungsproblem haben die Surveillance Studies beileibe nicht – wohl aber ein gestalterisches: Bücher und Artikel zum Thema Ãœberwachung, Privacy, Datenschutz usw. operieren, wenn sie denn Bilder auf dem Umschlag oder im Text (vor allem zur Bebilderung von Artikeln, die ohne konkrete Photos auskommen) fast ausschließlich mit Augen, Kameras oder ähnlichem. Konsequent oder fehlt uns die Phantasie zur besseren Bebilderung?

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Beispiele, wahllos herausgegriffen:

David Lyon – Surveillance after September 11: Augen
Simson Garfinkel – Database Nation: Ein Schlüsselloch mit einem Augenpaar
Mike McCahill – The Surveilance Web: Kameras und Computer
Norris/Armstrong – Maximum Surveillance Society: ein stilisiertes Auge
William Bogard – Simulation of Surveillance – Masken mit leeren Augen
David Brin – Transparent Society: Computer-Chips mit einem Auge dahinter
James B. Rule (1974)- Private Lives and Public Surveillance: ein Auge (Zeichnung)
Singelstein/Stolle – Sicherheitsgesellschaft: Monitore
Reg Whitaker – Ende der Privatheit: Computerplatinen, die den Anschein von Star Wars erwecken.
Christiane Schulzki-Haddouti – Im Netz der inneren Sicherheit: Auge und Fadenkreuz
Kevin Haggerty/Richard Ericson – Surveillance and Visibility: Kameras

Nicht das ich falsch verstanden werde – ich mag die Bilder, aber ich denke, dass wir auch bessere finden können, die ebenfalls daraufhinweisen können, was wir machen, worüber wir auch noch reden. Im Sinne einer erweiterten Erkenntnis können auch Bilder helfen zu zeigen das das Themenfeld Surveillance Studies mehr behandelt als Kameras. Wie, das ist die Frage? Vorschläge? Immer gern.