Category: Forschung/Theorie

Ãœberwachung im Gewahrsam beim G8

Auch wenn alles glimpflich ablief und die Bewertung des ganzen an dieser Stelle einmal anderen überlassen will – was die Unterbringung und Ãœberwachung der Festgenommenen angeht, scheint Konsequenzen zu haben. Zumindest hat der Republikanische Anwältinnen- und Anwaltsverein (RAV) schon mal Strafanzeige wegen Käfighaltung eingereicht.

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(Photo: bei tagesschau.de durch RAV übermittelt)

Das sieht den Bildern aus dem Polizeigewahrsam in Frankfurt verdammt ähnlich – siehe die Einträge zur Ausstellung Gewahrsam. Räume der Ãœberwachung. Diese Käfige haben weniger mit Bentham zu tun, als dass sie der puren Verwahrung und der direkten Kontrolle dienen, wenn auch nur für einen kurzen Zeitraum.

Dazu meint Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung:

Diese Käfighaltung manifestiert: Das Recht der inneren Sicherheit in Deutschland ist gekennzeichnet vom Verlust der Maßstäbe und von der Veralltäglichung der Maßlosigkeit.

Mehr zum G8-Gipfel auch im Gipfelblog.

Ãœberwachung absurd?

Die Polizei und die staatlichen Stellen, die mit der Sicherheit rund um den G8 Gipfel beschäftigt sind, legen sich ins Zeug: Neben den üblichen Maßnahmen – Polizeihundertschaften (mit nie einlösbaren Ãœberstunden) vor Ort, Sicherheitszaun – verlegen sie nun die Kontrolle weit in das Vorfeld – und schüren damit Angst. Es wurden Geruchsproben von mutmaßlichen G8-Störern nach den den Razzien in Hamburg genommen, nun wurde Post in einem Verteilzentrum untersucht (siehe auch Die Zeit und den Kommentar von Christoph Seils ebenda).

Das gleichzeitig Schäubles und Zypries neues Passgesetz – das mit den Fingerabdrücken – verabschiedet wird ist sicher ein zeitlicher Zufall dieser Tage, aber nicht in der Gesamtschau, wo immer weitere Teile unseres Lebens einer Ãœberwachung und der vorrauseilende Kontrolle unter den Prämissen einer “gefährlichen” Welt ausgesetzt werden, passen diese Maßnahmen ganz vorzüglich. Und nur ein wenig weitergedacht, geht es doch bei den Passgesetzen auch um die Erfassung biometrischer Daten, kann ich nur spekulieren, welche Auswirkungen das neue Gewebegesetz haben wird, wenn es denn mit in die Betrachtungen der Ãœberwachung menschlichen Lebens zu welchen Zwecken auch immer mit einbezogen wird.

Es wäre besser, die Zusammenhänge würden uns nicht entgleiten – der Blick muss jenseits einzelner Kameras gerichtet sein, in der Presse, aber auch in der Forschung, wo zugegebenermaßen der Einzelfall zumindest den Ausgangspunkt für viele andere Ãœberlegungen eine empirische Basis legen kann.

Arbeit zu Videoüberwachung – und wer forscht eigentlich was?

Nachdem eine Magisterarbeit zu Videoüberwachung nun auch bei jetzt.de vorgestellt wurde und seit einigen Wochen bereits im Netz immer wieder mal auftaucht, frage ich mich: ist das alles was es dazu im Moment gibt? Welche Ideen oder laufenden Projekte gibt es derzeit eigentlich, die sich im weitesten Sinne mit dem Thema Überwachung befassen?

Die Arbeit von Florian Glatzner ist ordentlich geschrieben und recherchiert, auch wenn es wenig eigene empirische Erkenntnisse gibt und die Arbeit hauptsächlich die (bürger- und datenschutz-) rechtlichen Aspekte aufgreift. Aber es geht ja auch um eine Magisterarbeit, da sollte man nicht noch drei Jahre lang  irgendetwas forschen müssen. Ein Kritikpunkt darf aber nicht unerwahnt bleiben: Zwar ist bereits im Titel die Rede vom “öffentlichen Raum” – dieser wird allerdings nur mit einem Satz besprochen. Videoüberwachung als räumlich orientierte Praktik, wird leider nicht in eine enger stehende Verbindung zu Raum gebracht – so als wäre dieser immer schon da. Und dabei schreibt der Autor von “Angsträumen” – ein idealer Ansatzpunkt, um Raumkonzepte wenigstens kurz zu erwähnen.

Aber zurück zur Frage: Was läuft in der Forschung in Deutschland im Moment zu Ãœberwachung oder was ist geplant? Ich weiß von drei recht unterschiedlichen RFID-Projekten aus Hamburg, die gerade beantragt werden und zwei weiteren zu Raum, Sicherheit, Kartierung und Ãœberwachung, die ich selbst vorbereite. Was noch. Schreibt es auf oder mir per E-Mail, ich würde gern mal eine Ãœbersicht erstellen und hier veröffentlichen…..

Auf Nummer sicher mit der Surveillant Assemblage?

Der Film “Auf Nummer sicher?”, der gestern Nacht im ZDR lief, war durchaus sehenswert, spannend gemacht und gut gefilmt. Thematisch spielte er mit Verschwörungstheorie, der Zukunft und der Macht der Konzerne sowie den naiv tuenden, jedoch gefährlichen Politikern, die im Whalkampf oder angesichts einer auf uns zurollenden Welle der Unsicherheit, die Masken fallen lässt. Nur ein Film?

Wenn man die Nachrichten der letzen paar Wochen in ihrer Gesamtheit betrachtet, die einfach so nur immer wieder als Einzelfälle aufreten, dann ergibt sich ein anderes Bild. Allein Schäubles immer wiederkehrenden Forderungen zeigen auch bei grober Betrachtung ein enormes Ausmaß. Die Zeit hatte ebenfalls eine solche Zusammenstellung aufbereitet. Komsich das mitten in diese Diskussion die Sicherheitswarnung für die US-Botschaften (Video) in Deutschland fiel – Zufall? Auch das G 8-Treffen, über dessen Sinn und Unsinn man treffend streiten kann, befruchtet vieler dieser Diskurse und wird in infamer Weise benutzt, die Diskussion äüßerst einseitig und tendenziös zu führen.

Was sich hier und auch in dem Film bei näherem Hinsehen zeigt, ist die von Haggerty und Ericson beschriebene Surveillant Assemblage – die Vernetzung von technischen Lösungen der Ãœberwachung untereinander und ihre Verzahnung mit gesellschaftlichen und politischen Diskussionen jeglicher Art – von der Gesundheit bis hin zur inneren Sicherheit. Nicht alles ist dabei in Bausch und Bogen zu verdammen, die Art und Form der Disskusion allerdings wird zunehmend von Politik und Industrie (wie RFID (ein Beispiel für eine Äußerung) und auch Videoübewachung) mitbestimmt. Die Zusammenhänge gehen leider allzuoft unter. Das wird auch nur leidlich besser, wenn man einen Film erst um 0.15 Uhr zeigt und nicht ein – bis zwei Stunden früher. All dem zum Trotz kann der Film seine Wirkung eigentlich nicht verfehlen. Also Glückwunsch. und ich hoffe es gibt den Film dann auch mal beim ZDF online abzurufen.

Neuerscheinung: Surveillance Studies

Nun ist es soweit. Das Buch zur Erkundung des Feldes der Surveillance Studies ist erschienen:

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Nils Zurawski (Hg.): Surveillance Studies. Perspektiven eines Forschungsfeldes. Opladen 2007, Verlag Barbara Budrich.

Inhalt:

  • Christiane Schulzki Haddouti, Blick in die Zukunft der Ãœberwachung
  • Eric Töpfer, Zwischen Risikomanagement und Risiko. Diskurse der Videoüberwachung”
  • Peer Stolle / Tobias Singelnstein, Eine Rationalität der Sicherheit. Zu gesellschaftlichen Bedingungen sozialer Kontrolle und ihres Wandels
  • Manfred Rolfes, Konstruktion und Konstrukteure sicherer und unsicherer Räume. Beiträge aus der Sicht der Humangeographie
  • Leon Hempel, Zu Evaluation von Ãœberwachungsmaßnahmen.
  • Nils Zurawski, Wissen und Weltbilder. Konstuktionen der Wirklichkeit, cognitive mapping und Ãœberwachung. Was Kartierungen uns über Ãœberwachung und Sicherheit sagen
  • Gisbert van Elsbergen, Ãœberwachung und Kriminalprävention – Ansätze der Kriminologie
  • Gerrit Hornung, Möglichkeiten und Grenzen der rechtlichen Bewertung neuer Ãœberwachungstechnologien
  • Martin Henatsch, Zur Ambivalenz von Sicherheit und Kontrolle in der Bildenden Kunst

Forderungen und Ergebnisse der EuRat-Studie zu Videoüberwachung

Danke Dietmar für den Hinweis… und damit schon mal ein Eindruck entsteht in welche Richtung die Studie geht, die sehr streng juristisch ausgerichtet ist, hier die Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Autoren der Studie:

Video surveillance of public areas by public authorities or law enforcement agencies can constitute an undeniable threat to fundamental rights such as the right to privacy and the right of respect for his or her private life, home and correspondence, his/her right to freedom of movement and his/her right to benefit from specific protection regarding personal data collected by such surveillance. 80. Whilst individuals have a reduced privacy expectation in public places, this does not mean that they waive those fundamental rights.

Given the high level of sophistication of CCTV, it is recommended that specific regulations should be enacted at both international and national level in order to cover the specific issue of video surveillance by public authorities of public areas as a limitation of the right to privacy.

…. ob das irgendeinen Politiker beeindrucken wird, der unbedingt die Videoüberwachung haben möchte – da bin ich mir nicht sicher. Es ist ein politisches Instrument und hat nur am Rande mit Kriminalitäts- oder gar Terrorbekämpfung zu tun.

Report zu Überwachung, Privatsphäre und Technologie im UK

Die Royal Academy of Engeneering hat einen eigenen Report veröffentlicht, der sich mit den Herausforderungen des technologischen Wandels beschäftigt: “Dilemma of Privacy and Surveillance. Challenges of Technological Change” (pdf).

Advances in technology have the potential to do great good, but they also carry the risk of doing damage if they are introduced without proper care and forethought. One of The Royal Academy of Engineering’s priorities is to lead debate on matters of engineering by guiding thinking, influencing public policy making and providing a forum for the exchange of ideas. This report is a contribution to the public debate on information technology and its possible impacts on our privacy. (aus dem Vorwort des Berichtes).