Category: Forschung/Theorie

Der Verkauf des öffentlichen Raums

Da ich erst jetzt dazu gekommen bin die ZEIT zu lesen, bin ich auch jetzt erst auf das exzellente Dossier von Rainer Frenkel und Hanno Rauterberg aufmerksam geworden. Unter dem Titel “Innenstädte zu verkaufen” bzw. “Bunte Langeweile” (pdf des Original-Artikels9 beschreiben sie wie die Firma ECE (gehört zum Otto-Konzern) mit ihren Einkaufs-Centern und Malls die Innenstädte lahm legt, die Politik aushöhlt und zunehmend den öffentlichen Raum kontrolliert. Leider sind die Artikel nicht online, so das ihr das in der Printversion lesen müsst. Ein paar links zu dem Thema finden sich bei “Unser Braunschweig”, deren Betreiber sich kriitisch mit der Braunschweiger Kommunalpolitik auseinandersetzen – u.a. auch mit dem von ECE gemanagten Umbau des dortigen Schlosses.

Zum Stand der Ãœberwachungsforschung

Es muss nicht immer nur um Kameras gehen oder um den Datenschutz. Ãœberwachung ist mehr und das zeigt auch die Forschung dazu: Alkohol, shopping malls, Ãœberwachung an der Uni….
Das Journal Surveillance & Society ist gerade mit seiner neuesten Ausgabe erschienen.
Volume 4 (Issue 1/2): Open Issue + Special Section on Conflict. Eine Reihe sehr guter und interessanter Artikel – auch zu Kameras – aber vor allem zu anderen Aspekten des Beobachtens und Kontrollierens.

Unterschicht und Ãœberwachung

Nun wird seit Wochen über die “Unterschicht” geredet und alle haben etwas dazu gesagt – nur hat noch niemand den Zusammenhang zwischen einer offensichtlichen Entwicklung von Armut in Deutschland (und auch anderswo) und den Maßnahmen der Kontrolle, Ãœberwachung und Disziplinierung gesprochen. Dabei ist es eigentlich offensichtlich, dass das Aufkommen immer effizienterer Kontrollregime, vor allem im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung oder im Falle des mutmaßlichen Missbrauches von ALG II, nicht nur zufällig sein kann. Die politische Klasse steuert entsprechend die Diskurse über die verschiedenen Arten der Ãœberwachung – und damit von den Feinden der Demokratie – die Terrordiskussionen sind ein willkommener Anlass andere Felder in einem Aufwasch gleich mit unter eine Ãœberwachung zu stellen. Angesichts der konstatierten Armut müssen Gegenmaßnahmen, sofern sie diese nicht bekämpfen können (oder ernsthaft wollen) auf eine Kontrolle und Einhegung der “Unterschicht” abzielen. Ein Aufbegehren dieser Menschen, wie in Frankreich im letzten Jahr und erst kürzlich wieder – wäre katastrophal.

Dazu passt auch dass jemand wie Bernhard Bueb, seine mittelalterlichen Vorstellungen von Erziehung ohne größere Gegenwehr (Radiobeitrag bei WDR 5) publizieren kann und teilweise dafür auch noch gefeiert wird.

Es wird zwar ein ausgedehnte Diskussion über die “Unterschicht” geführt, selten aber eine über die “Oberschicht” – allerhöchstens einmal über die Eliten, welche dann aber nicht zum Kern des eigentlichen Problems führen oder dieses nur verdecken. Wer über Armut spricht sollte auch über Reichtum sprechen – gerade wenn es um Ãœberwachung prekärer oder gar gefährlicher Bevölkerungsschichten geht. Denn es ist die Mittelschicht, welche die Unterschicht im Auftrage der Oberschicht überwacht – nur erscheint es nie so.

Ich würde mir wünschen, dass eine Diskussion darüber auch stattfindet. Es geht nicht allein um den Datenschutz oder unsere Freiheitsrechte, sondern um grundlegende Strukturen der Macht, die nicht thematisiert werden, welche aber deutlich hinter vielen Maßnahmen und politischen Entwürfen für unsere Gesellschaft stehen.

Bericht: DGS-Tagung: Surveillance Studies

Am Dienstag fand in Kassel auf der DGS-Tagung die adhoc-Session zu den Surveillance Studies statt. Überrasschenderweise waren trotz 30 Konkurrenzveranstaltungen rund 30 Personen erschienen, wovon die meisten bis zum Ende geblieben sind. Nach meinen thematischen und programmatischen einleitenden Worten gab es zwei sehr interessante Vorträge von Gerrit Hornung (Kassel) und Stephan Humer (Berlin). Die anschließende Frage- und Diskussionsrunde war kreativ und engagiert.

Im Gegensatz zu anderen Surveillance-Sessions in Durban (ISA), Sheffield oder jüngst in London bei den Geographen, wo das Thema Surveillance Studies als solches nicht mehr einführend diskutiert wird, war hier das Interesse groß, zu sehen, worum es sich eigentlich handelt, was das Forschungsfeld sein kann und wie man es aus soziologischer Sicht füllen kann. Es wurde offensichtlich, dass ein thematischer Zugang und nicht eben ein disziplinärer einen großen Reiz hat – vor allem unter den zumeist jungen Zuhörern Zuhörerinnen. Unklarheit bestand über die Definition und Abgrenzung des Themas – wahrscheinlich auch weil die Idee für die meisten Anwesenden neu war und die wissenschaftliche Diskussion nicht bekannt. Ich denke wir haben mit der Session einen Nerv getroffen und hoffe, dass das Thema und der theoretisch-methodische Rahmen in irgendeiner Weise auch in der DGS fortgeführt werden kann.

Damit aber praktisch weitergearbeitet werden kann, möchte ich hier einen Vorschlag machen: Was wir brauchen ist eine Leseliste, die den Stand der Forschung reflektiert. Eine kommentierte Auswahl von Büchern und Aufsätzen, die wichtig sind, um auch hierzulande die Idee der Surveillance Studies voranzubringen. Dieses scheint mir vor allem in Hinblick auf die Idee, aber vor allem auf diejenigen wichtig, die sich neu mit dem Thema bzw. seinen einzlenen Aspekten befassen.

Ich nehme per mail oder Kommentar Vorschläge und Literatur-Tipps entgegen, was unbedingt in eine solche Liste soll und werde dann daraus eine fertigen, die hier dann veröffentlicht und diskutiert werden kann. Jede Auswahl sollte kurz begründet werden.

Die nächste Gelegenheit sich fundiert über den Stand der Surveillance-Forschung zu informieren, besteht am 30.11 und 1.12 in Berlin bei der New Surveillance-Konferenz des ZTG an der TU Berlin.

Adhoc-Gruppe Surveillance Studies auf DGS-Kongress

Surveillance Studies – Forschung und Theorie neuer Formen der Ãœberwachung, Kontrolle und des Social Monitoring – so der Titel der adhoc-Gruppe beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie vom 9. bis 13. Oktober in Kassel.

Termin: 10. 10. 2006 um 14.15 Uhr.

Eingeladen sind alle interessierten Soziologen und andere, die den Kongress besuchen (und alle die jetzt Lust bekommen haben), ein neues Feld zu diskutieren und über dessen Bedeutung und Perspektiven zu reden bzw. mehr zu erfahren. Die Referate sind kurze Einführungen, die die Bandbreite ein wenig aufzeigen sollen. Ich werde eine perspektivische Einführung geben und dann hoffe ich auf eine rege Diskussion mit dem Publikum – Partizipation ist das Stichwort hier.

Vor diesem Hintergrund sei auch eine Publikation hingewiesen, die demnächst beim Barbara Budrich Verlag erscheinen wird: Surveillance Studies – Perspektiven eines Forschungsfeldes (Hg. Nils Zurawski).

Was können Kameras?

Christiane Schulzki-Haddouti hat eine informativen Artikel zu den technischen Möglichkeiten von Videoüberwachungs-Kameras bei Focus Online geschrieben – Verdächtige am Verhalten erkennen (23.8.2006)

In diesem Zusammenhang kann man sich auch mal bei den Herstellern selbst umschauen, was die so im Sortiment haben und was es alles so gibt – da bleiben wenig Wünsche offen.

Extreme CCTV – performance – whereever, whenever
Blueeyevideo – the Smart Video Sensor Company

Ãœberwachung und Doping

Eines der perfektesten staatlichen Ãœberwachungssysteme hat zweifelsohne in der DDR bestanden – die Verbindungen zum Sport waren dabei mehr als eng, wie der Sporthistoriker Giselher Spitzer meint (tagesschau.de). Ãœberhaupt sollte die DDR auch unter Ãœberwachungsaspekten untersucht werden – denn für die Forschung auch in Bezug auf andere Systeme gibt es dort eine Menge zu erforschen und zu lernen. Ein Buchtipp dazu ist: Stasiland von Anna Funder.

Weitere Informationen zur Stasi beim BStU.

Die Geschichte der Autobombe

Nur am Rande hat die Autobombe etwas mit Ãœberwachung zu tun – der Artikel ist aber so interessant das ich ihn weiter verbreiten will… nicht zuletzt haben die Autobomben der IRA in den 80er und 90er Jahren dafür gesorgt, dass in London Videokameras zur städtiischen Raumüberwachung im damaligen Anti-Terrorkampf installiert worden sind…. heute heißt der Feind Islam und die Bomben sind auch schon wieder hochgegangen…. (z.B. am 7.7.2005 in London).

Mike Davis (City of Quartz, Ökologie der Angst u.a., Ãœber Davis bei Wikipedia) hat auf tomdispatch.com eine kritische Geschichte der Autobombe geschrieben, die sich aus verschiedenen Gründen lohnt zu lesen… die Anknüpfungspunkte sind zahlreich… auch für die Ãœberwachungsforschung… denn letztlich ist die Autobombe – die Bombe des kleinen Mannes – fast nicht zu verhindern… schon gar nicht durch Kameras…
Teil 1 “The poor man’s airforce”
Teil 2 “Return to Sender”

Auf Deutsch ist der Artikel in LETTRE erschienen (Auszüge online)

85 Jahre nach jenem ersten Massaker an der Wall Street sind Autobomben auf der Welt fast so allgegenwärtig wie iPods und Aids. Von Bogotá bis Bali reißen sie tiefe Krater in die Straßen der Großstädte. Inzwischen sind auch die Selbstmordattentate mit Autobomben kein unverwechselbares Markenzeichen der Hisbollah mehr, sondern längst auch für Sri Lanka, Tschetschenien, Rußland, die Türkei, Ägypten, Kuwait und Indonesien lizensiert. In jeder statistischen Darstellung des urbanen Terrorismus steigt die Kurve der Autobomben sehr stark – beinahe exponentiell – an. Der Irak hat sich unter amerikanischer Besatzung zu einer wahren Hölle des Autobombenkrieges entwickelt.

als aktuelle Fußnote dazu – Anschlagsserie in Thailand
Fast hundert Bomben und Brandsätze in einer Nacht
bei tagesschau.de

und fast täglich im Irak. Anschlag im Zentrum von Bagdad bei tagesschau.de

Auch in Bagdad verübten Aufständische gestern einen Anschlag. Vor einer Bank explodierte eine Autobombe, als sich im Gebäude Sicherheitskräfte ihr Gehalt auszahlen ließen. 14 Menschen starben, darunter acht Zivilisten.

Karten und unsere Welt

Das Karten seit je her Dokumente der Macht sind, um die es Streit, ja sogar Kriege gegeben hat, ist nichts neues – daher wundert es auch nicht, wenn sich Unternehmen wie Monsanto dagegen wehren, dass ihre Testfelder mit genmanipuliertem Getreide über Google Map für jedermann einsehbar sind: Google Map mit GMO-Feldern unerwünscht.

Greenpeace Frankreich darf nach einem Urteil eines französischen Gerichts vom Mittwoch auf einer Website mithilfe von Google Map nicht die Lage von Feldern der Öffentlichkeit bekannt machen, auf denen genveränderter Mais von Monsanto angebaut wird. Nach Ansicht der französischen Regierung hat die Öffentlichkeit keinen Anspruch auf Information über die Lage der Felder.

Dazu passt auch mein Artikel zum Mapping allgemein, der ebenfalls bei Telepolis erschienen ist…. Mit Karten die Welt(en) verstehen

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Bild: SASI Group

Cultural Surveillance

Das Journal Cultural Studies hat in seiner neuesten Ausgabe (September 2006, vol. 20) einen Schwerpunkt zu Ãœberwachung… u.a. mit Beiträgen zu…

INTRODUCTION: Toward an analytic of governmental experiments in these times:
homeland security as the new social security – James Hay, Mark Andrejevic
DESIGNING HOMES TO BE THE FIRST LINE OF DEFENSE: Safe households, mobilization,
and the new mobile privatization – James Hay
BECOMING BOMBS: MOBILIZING MOBILITY IN THE WAR OF TERROR – Jeremy Packer
WATCHING OURSELVES: Video surveillance, urban space and self-responsibilization – Bilge Yesil
SURVIVING THE INEVITABLE FUTURE: Preemption in an age of faulty intelligence – Greg Elmer, Andy Opel

Surveillance studies at ISA World Congress

On Tuesday and Wednesday the adhoc-session on Surveillance, Security and social sorting at the Sociology World Congress in Durban was being held. 12 papers were presented that had shown the wide range of surveillance studies and importance in many fields of the sciences and in society as such. Instead of dwelling on each individual paper I will try to give you an impression of the threads that ran through both of the sessions and highlight some aspects in particular.
The session was kicked off by David Lyon asking the speakers to watch out for commonalities throughout the papers – giving a working definition of surveillance that indeed the talks were able to follow

Surveillance should be seen as the routine and systematic attention/checking of personal data (through screening, recording etc.) for the purpose of control, management, entitlement, influence, access etc.

This is a loose quote of what he said – but something scholars of surveillance phenomena should debate and refine when discussing surveillance issues. Now to the papers…..

Kongress in Durban, Südafrika

Liebe Blog-Leser,

es ist Sommer und da verreist man schon mal… so auch ich und zwar zum XVI ISA World Congress of Sociology nach Durban. Teil des Kongresses ist u.a. eine adhoc-Gruppe von David Lyon zu Surveillance, Security and Social Sorting. Ich werde versuchen von dort hier zu berichten. Eingeladen dieses zu tun habe ich auch andere Teilnehmer der Session – daher wird die Berichterstattung dieses Mal in Englisch stattfinden… auch um die internationale Surveillance Studies Gemeinde mit einzubinden. Ich bitte um Verständnis für diesen Versuch.

Ich werde versuchen Photos zu posten – auch von den Ãœberwachungstouren, die wir dort machen… die Stadt, das Casino… einiges ist geplant.

einen schönen Sommer und am 1. August geht es dann wie gewohnt weiter..

beste Grüße

nilz