Category: Videoüberwachung / CCTV / BodyCams

Streit um Kameras auf Hamburger Dom

Die Hamburger Innenbehörde hat beschlossen auch beim größten Hamburger Volksfest, dem Dom, an der Videoüberwachung festzuhalten. Die Kameras dort waren im Zuge der Fan-Feste zur Fußball-WM dort installiert worden. Nun regt sich Widerstand in der Hansestadt. Die Grünen halten die Kameras für nutzlos und wehren sich gegen die Ausweitung der Videoüberwachung über die Reeperbahn hinaus. Auch dort gab es schon Kontroversen über deren Zweckmäßigkeit und den tatsächlichen Nutzen.

Infos dazu bei: NDR Online und Taz

Laut einer jetzt veröffentlichten Antwort des Senats auf eine GAL-Anfrage haben die installierten Kameras allerdings bislang kein einziges Mal einen konkreten Beitrag zur Aufklärung einer Straftat geleistet. Damit entfällt in Möllers Augen jede Begründung für einen Dauereinsatz, zumal Innensenator Udo Nagel (parteilos) mehrfach zugesagt hatte, Überwachungskameras nur an absoluten Kriminalitätsschwerpunkten zum Einsatz zu bringen. (taz)

Dagegen hält die Innenbehörte:

Die Innenbehörde wies die Kritik Möllers zurück. Es sei von vornherein geplant gewesen, die Kameras ausschließlich zur taktischen Führung der Polizeikräfte zu nutzen, etwa um Beamte gezielt zu Rangeleien dirigieren zu können, sagte Sprecher Marco Haase zu NDR 90,3. Die Videoüberwachung sei kein Allheilmittel, aber zusammen mit starker Polizeipräsenz durchaus erfolgreich, so der Innenbehördesprecher weiter.(NDR Online)

Insgesamt muss ich feststellen, dass die Diskussion um die Videoüberwachung in Hamburg am Mangel an guten Argumenten leidet. Natürlich können keine Aussagen zum Erfolg der Kameras auf der Reeperbahn getroffen werden – dazu ist es zu früh. Die Kameras auf dem Dom allerdings entbehren einer schlüssigen Begründung ebenso…
Wenn Innenstaatsrat Christoph Ahlhaus (CDU) die Maßnahme damit veteidigt, dem “Schutzbedürfnis der Dom-Besucher” damit “gerecht zu werden” – so ist das einfach Unsinn und hat keine empirische Grundlage. Woher weiß er das??? Mehr als ein Schlagwort ist das Gerede vom Sicherheitsgefühl nämlich hier nicht… Ahnung hat weder die Polizei, noch die Politik was das eigentlich ist und ob es überhaupt so besteht (oder eben nicht) wie immer behauptet wird.

Keine Angst vor dem Ãœberwachungsstaat

Die Kameraüberwachung der Falschparker wurde in den letzten Tagen an verschiedenen Stellen kommentiert… hier ein schöner Artikel dazu aus der Sächsischen Zeitung (ursprünglich von der dpa…) – die Engländer stören sich an den Kameras so gut wie kaum… komisch, wenn man das Thema ID card dort erwähnt, werden sie äußert schmallippig und sehen ihr Land kurz vor dem Faschismus – so sind wohl die Prioritäten überall anders…

…dennoch, der Schluss des Artikels sollte all den Rufern von Videoüberwachung nach den Kofferfunden bei der Bahn und dem Fahndungserfolg von London zu denken geben… ob’s helfen wird…. ??

Denn selbst nach mehr als einem Jahrzehnt an Erfahrungen ist immer noch strittig, ob die Kameras vorbeugende Wirkung haben. Im Auftrag des Innenministeriums wurden kürzlich die Verbrechensstatistiken von 14 Gebieten vor und nach dem Aufstellen von CCTV-Kameras miteinander verglichen. Ergebnis: Einen deutlichen Rückgang der Straftaten gab es nur in einem einzigen Gebiet.

Umfrage: Bürger für Videoüberwachung – ?

Was macht man, wenn man etwas zum Berichten haben will? Richtig, eine Umfrage – und immer schön mit dem Zusatz “repräsentativ”. So auch der Stern, der Forsa beauftragt hat, herauszufinden, wieviele Bürger sich ein verstärkte Videoüberwachung an Bahnhöfen und in Zügen wünschen. Ergebnis: 60% sind dafür, 36% dagegen. Vielleicht sind diese 36% diejenigen, die wissen, dass es bereits reichlich Kameras an Bahnhöfen gibt… anders als offensichtlich so viele Politiker, die das Sommerloch füllen wollen. Nach den Bombenanschlägen von London im letzten Jahr waren es übrigens auf eine ähnliche Frage noch 72%…. scheint so schlimm nicht gewesen zu sein, die Koffer… denn 60% bekommt man bei einer x-beligbigen Umfrage zu jedem auch unverdächtigen Moment auf diese Frage, welche im Ãœbrigen kompletter Unsinn ist – die Beurteilungen der Bürger sind, wenn sie denn einmal ordentlich gefragt würden, wesentlich differenzierter… Glauben sie auch an die Sicherheit durch die Kameras? – halten sie diese für eine Verletzung ihrer persönlichen Rechte? – Wo würden sie überall Kameras dulden? – und vertrauen sie dem Kameraspersonal? – das sind die interessanten Fragen in diesem Zusammenhang… aber damit lassen sich keine Politik und wahrscheinlich keine aufregenden Artikel machen…

Unsere Ergebnisse geben ein anderes Bild – bei ebenfalls 60% Zustimmung zu der sehr allgemeinen Frage – Sind sie für Videoüberwachung? – andere Fragen zeigen allerdings ein differenzierteres Bild.. Sobald wir fertig ausgewertet haben, erzählen wir an diesem Ort ein wenig mehr davon.

Mehr Videoüberwachung in Hamburg

Also doch! Nach dem Chaos (siehe z.B. das Handelblatt), dass die verlassenen Koffer und die Bomben in den letzten Tagen ausgelöst haben – ganz zu schweigen von der planlosen Geschäftigkeit vieler Politiker mit ihren Rufen nach Videoüberwachung, dem Allheilmittel für alle unseren gesellschaftlichen Missstände – sollen nun auch in Hamburg mehr als die ursprünglich geplanten Kameras installiert werden. Derartige Vermutungen von Kritikern wurden bisher immer mit einer Verneinung beantwortet… NDR Online und die Welt am Sonntag berichten (u.a.) von diesen Plänen. Es ist schade, dass über die Wirkung der Kameras, ihre tatsächliche Effektivität und den Willen der Bürger einfach so mit adhoc-Analysen hinweggegangen wird. Es gibt keine wissenschaftliche Analyse, die all das belegt, was die Poliiker meinen und behaupten. Und die Richtung der Ãœberwachung verschiebt sich ebenfalls unmerklich:

Auch Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) erklärte, bei der Bekämpfung der Allgemeinkriminalität habe sich die Videoüberwachung bereits als wichtiges Ermittlungsinstrument bewährt.

Als Eimittlungsinstrument – keine Prävention mehr? Was ist dann mit dem Sicherheitsgefühl der Menschen, um das sich die Poliiker so viele Sorgen machen? Dazu gibt es im Ãœbrigen auch erst sehr wenig Forschung – und noch weniger davon würde ihnen wohl passen.. also eine Ausweitung war absehbar und jede weitere ist noch nicht vom Tisch. Wir haben das Ende noch gar nicht gesehen . außer wir blicken einmal nach England….

ps. Der Streit um die Wirksamkeit der Kameras auf der Reeperbahn in Hamburg mutet vor diesem Hintergrund schon merkwürdig an…. die Kritik ist lächerlich und schadet sich selbst und die Befürworter haben Recht, wenn sie Aussagen zu diesem Zeitpunkt als Unisnn bezeichnen….Erfolgsmeldungen der Polizei in Hamburg lesen sich im Ãœbrigen wie dieses Beispiel…. ein komischer Erfolg…

Diskussionen nach Bombenalarm

Auch wenn die Diskussionen nicht viel neues bieten… hier noch mal ein paar Infos zu alten Argumenten. Manchmal scheint es als warten bestimmte Leute nur auf eine Gelegenheit auch noch mal etwas dazu zu sagen.

“Wir müssen die Schwelle zur Abschreckung möglicher Täter erhöhen”, sagte der CDU-Innenpolitiker Clemens Binninger der “Passauer Neuen Presse” vom Donnerstag (03.08.06). Er plädiere daher für eine durchgängige Videoüberwachung mit Aufzeichnung auf den deutschen Bahnhöfen. Sein CSU-Kollege Stephan Mayer will auch in Zügen eine Videoüberwachung sicherstellen. “Das erhöht die Sicherheit und trägt zur Abschreckung bei”, sagte er derselben Zeitung. “Was in Madrid und London geschehen ist, kann auch in München oder Berlin passieren”, warnte er. (WDR Online)

Woher weiß der Mann dass? Abschreckung, welche Forschung belegt das – Sicherheit? Und wieder Madrid und London.. hat er vergessen dass in London überall Kameras hingen, als es passierte – ein schwacher Trost für die Angehörigen der 50 Toten.

Aber es gibt auch kritische Stimmen die die trotz Ausnahmezustand einen kühlen Kopf vewwahren.

Bamobenfunde – Videoüberwachhung in der Kritik, ZEIT, 4.8.2006

Schaar: Mehr Personal statt Videoüberwachung, D-Radio Kultur, 4.8.2006

Mit Mautsystem Verbrecher fangen

Wie die FAZ berichtet will Bayerns Innenminister Beckstein die durch das Maut-System erfassten Daten und Bilder u.U. auch zur Jagd auf Verbrecher nutzen. Die in dem Artikel geschilderten Fälle sind tragisch und scheinen eine solche Freigabe zu rechtfertigen … zumal sie auf der Autobahn selbst passiert sind… nur: die Begehrlichkeiten hören dort anscheinend nicht auf, sondern der Wunsch nach einer generellen Nutzung der Daten zur allgemeinen Verbrecherjagd ist durchaus da – wie die Aussagen des Innenministers von Mecklenburg-Vorpommern zeigen. Dieses ist ein typischer Funktionswandel einer Technologie, die – laut Bundesverkehrsministerium – ausschließlich zur Mauterfassung gedacht war, worüber sich trefflich streiten ließe.
Auch der Innen-Experte der SPD Dieter Wiefelspütz spricht sich in der Netzzeitung deutlich für eine weitergehende Nutzung aus:

Es sei «fachlich nicht verantwortbar», dass angesichts des «zugemauerten» deutschen Mautsystems schwerste Verbrechen wie Mord möglicherweise ungestraft blieben, sagte Wiefelspütz der Netzeitung. «Das sollten wir so rasch wie möglich korrigieren.»

Datenschutz vor Verbrecherschutz oder doch Verbrechensbekämpfung vor Datenschutz. An einzelnen Fällen lässt diese grundlegende Frage im Umgang mit solchen Daten sicherlich nicht beantworten – so tragisch jeder einzelne auch ist. Es ist etwas billig bei jeder Gelegenheit zu versuchen mit tragischen Einzelfällen Datenschutzbestimmungen aufzuweichen. Eine sachlichere und grundlegendere Debatte über die bekannten Standpunkte hinaus scheint von Nöten – auch was die Nutzung von Technologie im Einzelnen angeht.

Bombendrohung und Videoüberwachung

Manchmal entgeht einem das Naheliegene… Die Geschichte der Autobombe hat auch in Deutschland ganz aktuelle Bezüge – nämlich mit den Funden in Koblenz und Dortmund. Und auch hier fehlt der Ruf nach mehr Sicherheit nicht. Nur manchmal sollten sich die Experten vor informieren, bevor sie etwas fordern, das es schon längst gibt.
Im Kölner Stadtanzeiger steht zu lesen:

CDU-Innenexperte Clemens Binninger sprach sich im Gespräch mit der “Passauer Neuen Presse” für eine durchgängige Videoüberwachung mit Aufzeichnung auf Bahnhöfen aus. Dies sei “sinnvoll und rechtlich möglich”.

Das wird doch alles bereits gemacht – zumindest auf den mittleren und großen Bahnhöfen in Deutschland. Ob man mehr davon aufhängt, bleibt der Bahn überlassen – offensichtlich haben die vorhandenen nichts aufgezeichnet. Und ob man tatsächlich Kontrollen wie auf Flughäfen einführen sollte, weiß ich nicht – es würde die noch immer weitgehend offene Atmosphäre von Bahnhöfen zerstören, zu ähnlichen Zeitkatastrophen wie auf Flughäfen kommen – die schnelle und spontane Nutzung von Zügen wäre dann nicht mehr möglich. Das scheint auch die Bahn selbst so zu sehen, wie im Tagesspiegel zu lesen war:

Die Bahn jedenfalls hat nach den Bombenfunden die Sicherheitspräsenz verstärkt, wie ein Konzernsprecher dem Tagesspiegel sagte. Dabei werde eng mit der Bundespolizei zusammengearbeitet. Seit einem Jahr gibt es zudem in Berlin ein Sicherheitszentrum, von dem aus die Zusammenarbeit der bahneigenen Sicherheitskräfte und der Sicherheitsbehörden des Bundes koordiniert wird – insbesondere für solch eine Situation, wie sie jetzt eingetreten ist. „Wir sind aber ein offenes System, da ist keine absolute Sicherheit herzustellen. Wir können nicht jeden Fahrgast kontrollieren“, hieß es bei der Bahn.

Der Verweis auf das verheerende Attentat von London, wie von einigen Politikern gemacht, hilft dabei nicht weiter – schon gar nicht in Bezug auf Videoüberwachung, denn die existiert in viel großerem Maße dort und hat die Anschläge leider auch nicht verhindert… wohl aber zu deren Aufklärung beigetragen. Das aber kann keine Sicherheit versprechen.

Weitere Koffer und Bombenwarnungen gab es in Hamburg, NDR Online

Yet more security in Durban

As the conference is moving forwards, we learned more about security issues in Durban. Two tours brought us to see the control rooms of the city’s own CCTV system and it cameras scattered all around town – and to that of the Suncoast casino’s… a highly efficient and very professional surveillance system that leaves little left to wish for… what I found a little disturbing though was the sign at the entrance to the casino.. not so much for the casino but for the general atmosphere in Durban or South Africa for that matter.

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Polizei mit Erfolgsmeldungen

Die Hamburger Polizei wird nicht müde ihre Videoüberwachung der Reeperbahn als großen Erfolg darzustellen. Jede Begebenheit, bei der die Kameras helfen, wird als Argument für die Kameras genutzt… auch in eigenen Pressemitteilungen (26. Juni 2006). Eine Evaluation – unabhängig und zieloffen – sollte dann auch untersuchen wieviel ihnen wohl durch die Lappen gegangen ist … und ob es sich tatsächlich um eine angemessene Einschränkung der Rechte auf das eigene Bild und die Datensicherheit des Einzelnen handelt.

Beamte in der Polizeieinsatzzentrale beobachteten gegen 05.00 Uhr
auf dem Videoüberwachungsmonitor zwei Männer, die einen Bauwagen mit
Farbspray besprühten. Die Davidwache wurde umgehend informiert und
entsandte einen Funkstreifenwagen.

Videoüberwachung von Kassiererinnen

Ver.di hat sein Schwarzbuch zum Discounter Lidl ja schon bereits vor einiger Zeit veröffentlicht – nun aber gibt es eine europäische Version und darin wohl einige Stellen, bei denen man sich nur noch an den Kopf fassen kann – wenn es bisher nicht schon geschehen ist… so werden in einigen Ländern die Mitarbeiter auch per Videokameras überwacht – und aus ihnen per Generalvedacht Diebe gemacht.

Infos dazu bei Spiegel Online und der Financial Times Deutschland.

Als besonders skandalös kritisierte die Gewerkschaft Videoüberwachung in französischen Filialen. Damit würden alle Mitarbeiter per se unter Diebstahlverdacht gestellt. Agnes Schreieder von Ver.di verwies darauf, dass es im Lager einer Filiale im französischen Nantes mehr Videokameras als im örtlichen Gefängnis gebe. Zudem ist laut Ver.di der Leistungsdruck bei Lidl so hoch, dass die Vorgaben kaum zu schaffen seien.

Wie absurd muss es denn noch werden…?!

Videoüberwachung macht Helden

Die Welt (26. Juni 2006) berichtet in einem Artikel von einem Ãœberfall in England, der durch Kameras aufgezeichnet wurde. Zwei Jugendliche wurden angegriffen – einer von ihnen starb durch einen Messerstich. Für seine Mutter ist Daniel ein Held, da er sich bevor er selbst verletzt wurde, vor seinen Freund stellte und diesen zu verteidigen versuchte. Das Band wurde in England im Fernsehen ausgestrahlt – zur Abschreckung und um zu zeigen, dass Täter mit Videoüberwachung gefasst werden können. Daniel hilft das alles nicht mehr. Er ist ein fragwürdiger Held und die Rolle der Videoüberwachung scheint mir hier doch sehr überzogen dargestellt zu sein. Daraus Rückschlüsse auf den Erfolg der Kameras zu ziehen, ist unredlich, für die Polizei und andere Befürworter aber nur eine Bestätigung für ihre Wirksamkeit – leider nicht bei der Verhinderung solcher Taten.

“Es war eine schwere Entscheidung”, sagt sie [die Mutter]. “Wir wurden von der Polizei darum gebeten, um zu zeigen, wie CCTV kriminelle Aktivitäten überwachen kann. Dieses Video zeigt die harte Realität der Messerüberfälle in diesem Land. Es war eine grundlose Attacke, und es hätte jeden treffen können.” Als sie das Filmmaterial zum ersten Mal sah, so Pollen weiter, wollte sie ihren Sohn einfach nur am Leben sehen. “Den Ãœberfall zu sehen und zu wissen, ihn nicht stoppen zu können, war das schrecklichste überhaupt.”

Es wäre obszön angesichts dieser Tat für eine Ausweitung der Kameras zu plädieren, das die Gründe für die Gewalt nicht gelöst werden, einzig die Täter gefasst werden konnten. Wenn es dass ist, was die Polizei hauptsächlich will, dann hat sie – und mit ihr die Politiker – ihre Aufgabe grundlegend verfehlt. Sicherheit ist etwas anderes.