Category: Buch-Tipp/Veröffentlichung

Prantl rezensiert Schaar

Bei DeutschlandRadio Kultur rezensiert Heribert Prantl das neue Buch von Peter Schaar. Lesenswert – die Rezension wie wohl auch das Buch. Allerdings ist Prantl ganz begeistert von der Frosch-Metapher, die auch Schaar benutzt – das heiße Wasser und der Frosch. usw…  Leider ist das Bild falsch und der Frosch verhält sich wohl nicht so.

Was Peter Schaar allerdings ausdrücken will, ist durchaus richtig. Wir werden schleichend mit einer Vielzahl an Maßnahmen an Ãœberwachung und Datenkontrolle gewöhnt, so dass eine Gegenwehr zunächst nicht als nötig erscheint, wir aber an der Gesamtheit der Maßnahmen irgendwann als Gesellschaft ersticken werden. Ãœberwachung ist aber, das sollte dazu gesagt werden, nicht nur auf Daten zu beziehen, sondern wesentlich weitergefasst – der Blick auf Datenschutz allein reicht nicht für eine Analyse. Vielmehr geht es auch um die dahinterstehenden Gesellschaftsbilder, die Mechanismen und Kategorien der Ausgrenzung über die unsere Gesellschaften zunehmend ausgehöhlt werden und Widerstand und die aktive Gestaltung eines Gemeinwesens immer schwieriger werden.

Immerhin hat der Widerstand gegen die Datensammelwut wieder zugenommen und die Aufmerksamkeit sich auch in der Breite leicht erhöht. Das ist doch schon einmal etwas.

Neue Ausgabe von Surveillance & Society/ cfp

Die neuste Ausgabe von Surveillance & Society: Volume 4.4 ‘Surveillance and Criminal Justice’: Part  2 ist online!

Articles
Gavin Smith -  Exploring Relations between Watchers and Watched in Control(led) Systems: Strategies and Tactics 
Craig Paterson  –  ‘Street-level Surveillance’: Human Agency and the Electronic Monitoring of Offenders
Krista Boa  –  Privacy Outside the Castle: Surveillance Technologies and Reasonable Expectations of Privacy in Canadian Judicial Reasoning

Außerdem gibt es einen neuen cfp.

Gender, Sexuality and Surveillance
http://www.surveillance-and-society.org

Deadline: March 31st 2008.

Deutschland = Ãœberwachungsstaat?

Peter Schaars neues Buch “Das Ende der Privatssphäre” erzählt eigentlich nicht viel neues und gehört bestimmt nicht zu den innovativsten Büchern, er aber zu den publikumswirksamsten Autoren, immerhin ist er Deutschlands oberster Datenschützer. Nun war er gestern in Berlin unterwegs um das Buch vorzustellen und das in einer Diskussion mit Wolfgang Schäuble – was eine Show!

Die Süddeutsche hat bereits gestern (print) das Buch zusammen mit dem von Wolfgang Sofsky rezensiert und der Autor Johan Schloemann findet die Angst vor dem drohenden Ãœberwachungsstaat eine typisch deutsche Sache – dabei irrt er allerdings so manches Mal und argumentiert äußerst billig

Schaar möchte “das Bankgeheimnis – wie in unseren südlichen Nachbarländern – unter gesetzlichen Schutz stellen”. Das heißt: Der Bundesbeauftragte fordert den Schutz von Verbrecherkonten nach bewährtem Schweizer Modell.

…. bringt allerdings auch eine Kritik an, die zumindest diskussionwürdig ist:

Zwei anklagende Bücher über Staat und Ãœberwachung; beide haben überwiegend “den Staat” und nicht die datensammelnde Privatwirtschaft im Blick; und beide schaffen es, auf keiner einzigen Seite, mit keinem einzigen Wort in Erwägung zu ziehen, dass “der Staat” und die Bürger vielleicht auch irgendetwas miteinander gemeinsam haben könnten.

Diese Kritik ist nichts neues – nur im Moment gebärdet sich der Staat halt am lautesten und vermeintlich am vehementesten als Ãœberwachungsakteur – die Privatwirtschaft hält sich im Hintergrund und agiert vereinzelt als Stichwortgeber, wie z.B. der Bitkom, wenn er vor Terror warnt und mehr Videoüberwachung fordert.

Leider verengt sich die Diskussion über Ãœberwachung und Kontrolle in Deutschland, wie hier mal wieder deutlich wird, auf die Themen Datenschutz und Privatsphäre, dabei gäbe es so viel mehr Ansätze, die aber in der breiten Politik und auch in den Medien nur selten vorkommen….

E-Dissertationen zu Ãœberwachung

Ãœber den Archivserver der Deutschen Nationalbibliothek sind mittlerweile mehrere elektronische Dissertationen zum Thema Ãœberwachung / Kontrollgesellschaft abrufbar:

Adelmann, Ralf: Visuelle Kulturen der Kontrollgesellschaft: zur Popularisierung digitaler und videografischer Visualisierungen im Fernsehen. Ruhr-Universität Bochum, Universitätsbibliothek, Fakultät für Philologie, 2003.

Breyer, Patrick: Die systematische Aufzeichnung und Vorhaltung von Telekommunikations-Verkehrsdaten für staatliche Zwecke in Deutschland. Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Rechtswissenschaft, 2004.

Ketzer, Christine: Securitas ex Machina. Von der Bedeutung technischer Kontroll- und Überwachungssysteme für Gesellschaft und Pädagogik. Universität zu Köln, Erziehungswissenschaftliche Fakultät, 2006.

Lin, Chen-Yu: Öffentliche Videoüberwachung in den USA, Großbritannien und Deutschland. Fakultät für Sozialwissenschaften, Georg-August-Universität Göttingen, 2006.

Toepffer-Wenzel, Kirsten: E-Watch und Controltainment : Zur Kriminologie der Kontrollkultur. Universität Hamburg, FB Sozialwissenschaften, 2005.


YouTube als Instrument der Sousveillance?

Nur ein Hinweis auf einen Langtext auf spiegel.de, der sich mit den Vor- und Nachteilen von YouTube als Instrument der Countersurveillance beschäftigt. Bürgerrechtsgruppen wie Cop Watch L.A. nutzen vermehrt die Video-Plattform, um Fälle von Polizeibrutalität zu publizieren. Ob man den meist nur dürftig kommentierten Ausschnitten immer trauen darf, und ob diese Form des Internet-Prangers einen geeigneten Weg darstellt, mehr Transparenz und Demokratie in die Polizeibehörden zu tragen, bezweifle nicht nur ich, sondern auch die Autoren eines lesenswerten Artikels:

Laura Huey, Kevin Walby, Aaron Doyle: Cop Watching in the Downtown Eastside: Exploring the Use of (Counter) Surveillance as a Tool of Resistance, in: Torin Monahan (Hg.), Surveillance and Security: Technological Politics and Power in Everyday Life, Routledge, 2006 (Mehr zum Sammelband siehe auch hier.)

Zwei neue Bücher zu Überwachung

Hier eine kleine Vorschau auf zwei Bücher zum Thema Überwachungstechnologien, die im September bzw. Dezember erscheinen sollen.

1. Rosol, Christoph
RFID. Vom Ursprung einer (all)gegenwärtigen Kulturtechnologie
Kulturverlag Kadmos, erscheint voraussichtlich im September 2007 (Titel kann vorbestellt werden) – ISBN: 978-3-86599-041-9

2.Sandro Gaycken, Constanze Kurz (Hg.)
1984.exe – Gesellschaftliche, politische und juristische Aspekte moderner Ãœberwachungstechnologien, transcript.
erscheint im Dezember 2007 – ISBN: 978-3-89942-766-0

Sofsky und die Privatsphäre

Wolfgang Sofsky, Soziologe und seit einigen Jahren schon ein zumindest interessanter Denker, hat sich seit einiger Zeit auch zum Thema Ãœberwachung und Kontrolle geäußert. Zuletzt am Sonntag in der FAS mit dem Essay “Im Innern der Zitadelle ist alles erlaubt. Moralprediger, Toleranzprüfer, Steuereintreiber: Sie alle greifen die Privatsphäre an. Dabei ist sie der Hort der Freiheit.”

Es sind alllemal interessante Gedanken und Perspektiven, mit denen er dass Thema Privatsphäre anpackt und so als Denker auch für die Surveillance Studies wichtig wird. Allein dass er Privatheit als solche wie eine Festung betrachtet, die es zu schützen gilt, ist zumindest in der Wortwahl eine andere Wendung und Sichtweise davon.

Wie jede Freiheit ist Privatheit zuerst negativ. Die Mauern sind Bollwerke gegen äußere Eindringlinge und innere Verräter. Sie werden verteidigt, indem man seine Geheimnisse wahrt, fremder Einmischung Schranken setzt, ein Glacis sozialer Distanz planiert. Der Privatier legt Wert auf Abstand. Weil Menschen jederzeit verletzbar sind, können sie einander stets gefährlich werden. In der physischen Konstitution des Homo sapiens findet Privatheit ihren letzten Grund.

Ist Paranoia also gut – und wenn ja, welche? Privatshäre bzw. ihre Verteidigung kann also durchaus verschiedene Gründe haben – ein Geheimnis bewahren, eine Verschwörung planen, seine Integrität schützen oder einfach nur in Ruhe gelassen werden. Es geht immer um das Private auf der einen und immer häufiger den Staat auf der anderen (und andere Akteure, die an unsere Daten und unsere Gedanken wollen).
Es kommt wenig aus deutschen Landen zu dem Thema auf den Tisch, dass nicht mit Datenschutz oder Recht zu tun hat, Sofsky liefert bestimmt eine andere Perspektive, die theoretisch neues Futter bietet.

Buch: Wolfgang Sofsky: Verteidigung des Privaten. Eine Streitschrift. 2007.

Buch: Surveillance Studies – an Overview

Von David Lyon, einem der führenden Forscher zu Überwachung, ist gerade ein neues Buch erschienen:
Surveillance Studies. An Overview
bei Polity Press. Damit gibt es jetzt auch eine Einführung im Englischen zu diesem Thema. So weit sind wir in Deutschland noch nicht – eine erste Bestandsaufnahme gibt es allerdings in dem Buch Surveillance Studies – Perspektiven eines Forschungsfeldes, das von mir herausgegeben wurde. Mehr zum Buch, sobald ich es habe.

Neue Ausgabe: Surveillance & Society

Die neueste Ausgabe von Surveillance & Society ist online: Surveillance and Criminal Justice Part 1.

Aus dem Inhalt:

  • Torin Monahan and Tyler Wall: Somatic Surveillance: Corporeal Control through Information Networks
  • Anthony Minnaar: The implementation and impact of crime prevention / crime control open street Closed-Circuit Television surveillance in South African Central Business District
  • William Bloss: Escalating U.S. Police Surveillance after 9/11: an Examination of Causes and Effects
  • Pete Fussey: An interrupted transmission? Processes of CCTV implementation and the impact of human agency
  • Amber Marks: Drug Detection Dogs and the Growth of Olfactory Surveillance: Beyond the Rule of Law?