Author: Nils Zurawski

Dr. habil. Nils Zurawski, ist Soziologe und Ethnologe und Initiator des Forschungs-Netzwerkes Surveillance-Studies. Er arbeitet als Wissenschaftler am Institut für kriminologische Sozialforschung an der Universität Hamburg sowie als freier Mediator/Moderator/Konfliktberater. Hier gibt es mehr Informationen zu seiner Arbeit: https://www.surveillance-studies.org/zurawski

Palantir und kein Ende

Unter dem Titel “Palantir unter Druck – Europäische Alternativen rücken in den Fokus” Heise fasst die Diskussion in Deutschland über die maximal umstrittende Software Palantir zusammen und diskutiert mögliche Alternativen. Zu Palantir, so möchte man meinen, ist bereits alles gesagt – doch es finden sich immer noch Perspektiven darauf. Hier eine kleine Sammlung, die es wert zu lesen ist (und wenn nur um meine Macke nach Vollständigkeit nachzukommen, vergeblich in diesem Fall…)

Es gibt darüber hinaus nicht erst seit kurzem eine Reihe von Beiträgen zur Einführung von Palantir bei Deutschen Polizeibehörden, z.B. bei Heise (24.3.2025) oder im Deutschlandfunk (9. 12. 2023 Breitband)

Die Polizei und der Überwachungsstaat

Das neue Bundespolizeigesetz enthält eigentlich nicht viel Neues. Es vereint viele Vorstellungen der letzten Jahre, was zumindest die technischen Möglichkeiten angeht, die nun auch rechtlich abgesichert werden, um eingesetzt zu werden. Ich hoffe, da wird dann doch noch einiges vor Gerichten gestoppt, aber wenn ich mir die letzten 25 Jahre so anschaue, dann hat der feuchte Traum der Sekurokraten sich davon nicht aufhalten lassen.

Auch wenn es nicht beruhigend ist, wenn wir damit nicht allein sind, hier ein Beispiel wie Überwachungstechnologien an den Grenzen (The American Prospect, 5.8.2025) getestet werden – gegen die Migranten, die vermeintliche Bedrohung aller heimischen Ordnung – langsam und stetig nach innen kriechen. Auch das ist hierzulande zu sehen und keine Seltenheit. Nichts was mal getestet wird, verschwindet so einfach, egal ob es wirksam ist oder nicht.

Der Traum vom Übermenschen

Einen Post über die so genannten Enhanced Games, bei denen Doping frei gegeben ist und von den Tech-Bros auf ihrer Suche nach dem Übermenschen untersützt wird, wollte ich schon länger machen, jetzt komme ich dazu. Die Spiele sind zwar noch ein Jahr weit weg, aber momentan zumindest spricht keiner mehr darüber. Hier eine kleine Auswahl an Berichten und Einschätzungen dazu (weitere Artikel sind in den Beiträgen verlinkt):

Luxury Surveillance oder warum Konsum so gut funktioniert

Im Blog des Journals Surveillance & Society haben die Kolleg:innen Marc Shuilenburg and Yarin Eski nochmal über einen Artikel reflektiert, der in eben diesem Journal bereits erschienen ist:

Unter der Überschrift Swasticars, Surveillance, and the Seductive Trap of Smartness: How Tesla Became the Luxury Blueprint for Disciplinary Technology zeigen sie wie und warum Konsum nicht nur ein Einfallstor für Überwachung ist – also wie der Konsum überwacht wird. Sondern sie zeigen wie Konsum als ein Teil von Überwachung gesehen werden muss. Überwachung ist ein Konsumgut, so hatte ich das formuliert in Überwachen und Konsumieren (2021). In zwischen hat sich für dieses Verhältnis im Englischen der Begriff der Luxury Surveillance etabliert bzw. wird immer mal wieder angeführt.

And here’s the kicker, the dystopian twist. People pay for this, happily and eagerly so! Hands over wallets and eyes wide with techno-lust. We don’t just tolerate surveillance anymore but worse: we finance it! We trade our privacy for prestige, our data for dopamine, and our control over our freedom for convenience. Meaning, we buy into the very systems that discipline and control us, just because they’re fast, shiny, and whisper the promises of status and self-actualization. (Zitat aus dem Artikel)

Palantir und das Überwachungsimperium

Der Titel hat es schon in sich, da konnte ich nicht dran vorbeisehen. Dass der Artikel wieder Mal mit einem Augen-Icon bebildert ist, passt hier vielleicht sogar besser als bei vielen anderen Artikeln zum Thema.

Das Überwachungsimperium. Wie sich die deutsche Polizei von Peter Thiels Palantir-Software abhängig macht, Autorin Sonja Peteranderl in Blätter für deutsche und internationale Politik, August 2025.

Ob alle deutschen Polizei- und Innenbehörden sich dem verschließen, also diese Software nicht installieren und nutzen, bleibt abzuwarten. Einige tun es, einige nicht. Die Informationslage zur Software und den Hintergründen ihres Miteigentümers Peter Thiel ist nicht zu übersehen. Das aber hat die Securokraten noch nie abgehalten, unsinnige und gefährliche Dinge zu kaufen oder umzusetzen.

Digitale Zwillinge und Simulationen der Wirklichkeit

Das Journal New Media & Society hat ein Special Issue zu Digital Twinning publiziert. New Media & Society, Volume 27, Issue 8: Special Issue: Digital Twinning, Aug 2025.

Es geht nicht vordergründig um Überwachung, aber um Simulation der Wirklichkeit, große Mengen an Daten und irgendwie auch um Überwachung, vor allem aber um Kontrolle und Übersicht. Ein Blick lohnt sich. (Fast) alles open access!

American dystopia und Popkultur-Memes

Science Fiction und dytopische Literatur und Filme gibt es viele, einige davon epochal gut und wegweisen, nicht nur 1984. Dieser Skeet bei Bluesky zeigt mit ein paar Memes wie vergangene Vorstellungen über die Zukunft gerade in der Gegenwart ankommen, absurder, als man sich das hätte vorstellen können. Ich bin kein Literaturwissenschaftler, aber es scheint aus soziologischer Sicht, dass manches bereits angelegt war in der Gegenwart ihrer Entstehung, das nur extrapoliert, nicht neu erfunden werden musste, um dystopische Zukünfte zu erdenken. Schwierig nicht vollkommen den Kopf oder die Übersicht oder den Verstand (und die Zuversicht) zu verlieren.