Month: August 2009

Kameras oder keine in Englands asozialen Familien?

Die Meldung, dass in Großbritannien besonders sozial gefährdete Familien von Kameras rund um die Uhr überwacht werden sollen, hat auch hier einige Wellen geschlagen – und hier im Blog zu einem Kommentar geführt, der zu Recht ungläubig nachfragt.

Auf  Netzpolitik hat Markus die Nachricht angezweifelt und auf einen Blogeintrag verwiesen, der mit ein wenig Recherche zeigt, wo der Fehler liegt. Offensichtlich in der Ãœberinterpretation des Worten “Supervision”, was auch in English nicht notwendigerweise Kameras bedeutet.

Eine Nachfrage bei Kollegen in Großbritannien haben noch die folgenden zwei Quellen zu dem Thema zu Tage gefördert:

1. Eine Infoseite des Homeoffice – What is a family intervention project?

At the most intensive level, families who require supervision and support on a 24 hour basis stay in a core residential unit. Upon satisfactory completion of a programme, the family can move into a managed property. (Das ist wohl der entscheidende Absatz……)

2. Surveiller et punir au pays de Kubrick et d’Orwell – ein Eintrag mit einer Analyse in einem französischen Blog (in franz.) – darin auch der Link zum Youth crime action plan

Ein Fazit. Das mit den Kameras scheint nicht zu stimmen. Dennoch – und so formulierte es eine der von mir befragten Kolleginnen -  “the program is definitely intrusive and it wouldn’t surprise if the next step is the installation of cctv, but there is no evidence to be found in offical documents.” Angesichts der anderen Maßnahmen in den britischen Initiatien und der Idee des britischen nanny-state mit seiner bevormundenden Fürsorge, klang das mit den Kameras nicht so abenteurlich – warten wir’s ab.

Das Recht auf unsere Koordinaten

Die EFF hat ein Dokument zur Locational Privacy veröffentlicht. Zur Erllärung, worum es geht:

Locational privacy (also known as “location privacy”) is the ability of an individual to move in public space with the expectation that under normal circumstances their location will not be systematically and secretly recorded for later use. The systems discusssed above have the potential to strip away locational privacy from individuals, making it possible for others to ask (and answer) the following sorts of questions by consulting the location databases.

Angesichts von GIS und anderen Technologien ein ziemlich wichtiger Aspekt unseres Lebens und der Verfügungsgewalt über unsere eigenen Daten, die wir in diesem Fall nicht aktiv abgeben, sondern die sozusagen durch unsere Bewegungen im Alltag produziert werden.

Literaturtipp: Mark Monmonier: Spying with Maps, 2002 Chicago (Univ. Press)

Kriminalitätskarten – Unsinn mit Daten

Wie jedes Jahr auch dieses Jahr – der Hamburger Kriminalitätsatlas. Nun ist ein Atlas eine Sammlung von Karten, aber das ist nicht der eigentliche Kritikpunkt an der Karte, die auf der Hamburger PKS (kleine Erklärung bei Krimpedia.de) basiert.

Nun sind aber die Daten der PKS schon mit vorsichtig zu betrachten, dazu kommt dann noch der sehr saloppe Umgang mit dem Kartenmaterial und z.B. der Grundlage der Stadtteile, die viel zu groß sind, um eine Aussage darüber zu machen, wie gefährlich es wo ist. Menschen bewegen sich quer zu den Stadtteilen und oft innerhalb viel kleinerer Quartiere – das wird aber nicht gezeigt (mehr oder weniger aktuell passt dazu auch der Artikel aus dem TazBlog zur Videoüberwachung in Hamburg vom 19.7.2009).

Zur Verwendung von Karten bei der Polizei empfehle ich abermals Eric Töpfers Artikel: Daten, Karten, Lagebilder bei Telepolis.

Tragbare Kameras und andere nützliche Kleidung

Die Polizei in Lisburn, Nordirland hat jetzt Kameras bekommen, die am Mann bzw. der Frau getragen wird. Body-cams for Lisburn Police. Die Hoffnungen sind immer die gleichen – es bleibt die Frage, ob im Zweifel das Material nicht mal wieder “unauffindbar” wird – wenn das Aufgezeichnete kein gutes Licht auf die Polizei werfen würde

Chief Inspector Moore said that by wearing the cameras, it is hoped to deter people from committing crime in the first place but will also be an effective tool to bring the scene of an incident into the courtroom. He said courts will be able see and hear the incident through the eyes and ears of the officer at the scene to help provide an accurate account of the actions of the accused.

Davon einmal abgesehen setzt sich damit ein Trend fort, der als unbiquitous computing bereits seit einiger Zeit seine Schatten wirft. DEr Mensch nicht nur als Nutzer sondern Träger und direkter Bestandteil von Computern und ihren Netzwerken. So gibt es auf RFID-Basis eine Jacke die den Arbeiten bei ihren Tätigkeiten helfen soll (dradio.de, 18.7.2009). Die Uni Bremen ist hier mit der Entwicklung beschäftigt.

“In erster Linie geht es um die Ortung der Fahrzeuge”, erläutert Damian Mrugala vom IMSAS (…..) Die Fahrzeuge werden bereits nach der Fertigung mit passiven RFID-Tags versehen, auf denen sämtliche Fahrzeug- und Transportinformationen gespeichert sind. Am Terminal des Lagerverwaltungsgeländes werden diese mit einem RFID-Lesegerät identifiziert. Zukünftig sollen die Hafenarbeiter Jacken tragen, die mit einem Reader ausgestattet sind. Jedes Fahrzeug wird vom Personal an eine bestimmte Stellplatzfläche befördert. Ãœber ein Kommunikationsmodul wird via GPRS-Technologie eine Datenübertragung zu einem Softwareagenten auf einer Hauptrecheneinheit ermöglicht, der Arbeitsaufträge verwaltet und der Jacke neue Aufträge mitteilt….. (RFID im Blick, 29.7.2009)

Das klingt plausibel, aber ich kann mir in beiden Fällen eine Menge offener Fragen aus gesellschaftswissenschaftlicher Sicht vorstellen…. nicht zuletzt arbeitsrechtliche Ãœberlegungen der Ãœberwachung am Arbeitsplatz, der Datensicherheit und im Falle der Polzei, des Rechtes am eigenen Bild, denn die Kamera filmt ja alles, was der Polizist sieht, auch was gar nicht relevant für seine Arbeit ist – allerdings ist das Verständnis dafür im Vereinigten Königreich ein anderes als hierzulande…