Category: Innere Sicherheit / Terrorismus

Bombendrohung und Videoüberwachung

Manchmal entgeht einem das Naheliegene… Die Geschichte der Autobombe hat auch in Deutschland ganz aktuelle Bezüge – nämlich mit den Funden in Koblenz und Dortmund. Und auch hier fehlt der Ruf nach mehr Sicherheit nicht. Nur manchmal sollten sich die Experten vor informieren, bevor sie etwas fordern, das es schon längst gibt.
Im Kölner Stadtanzeiger steht zu lesen:

CDU-Innenexperte Clemens Binninger sprach sich im Gespräch mit der “Passauer Neuen Presse” für eine durchgängige Videoüberwachung mit Aufzeichnung auf Bahnhöfen aus. Dies sei “sinnvoll und rechtlich möglich”.

Das wird doch alles bereits gemacht – zumindest auf den mittleren und großen Bahnhöfen in Deutschland. Ob man mehr davon aufhängt, bleibt der Bahn überlassen – offensichtlich haben die vorhandenen nichts aufgezeichnet. Und ob man tatsächlich Kontrollen wie auf Flughäfen einführen sollte, weiß ich nicht – es würde die noch immer weitgehend offene Atmosphäre von Bahnhöfen zerstören, zu ähnlichen Zeitkatastrophen wie auf Flughäfen kommen – die schnelle und spontane Nutzung von Zügen wäre dann nicht mehr möglich. Das scheint auch die Bahn selbst so zu sehen, wie im Tagesspiegel zu lesen war:

Die Bahn jedenfalls hat nach den Bombenfunden die Sicherheitspräsenz verstärkt, wie ein Konzernsprecher dem Tagesspiegel sagte. Dabei werde eng mit der Bundespolizei zusammengearbeitet. Seit einem Jahr gibt es zudem in Berlin ein Sicherheitszentrum, von dem aus die Zusammenarbeit der bahneigenen Sicherheitskräfte und der Sicherheitsbehörden des Bundes koordiniert wird – insbesondere für solch eine Situation, wie sie jetzt eingetreten ist. „Wir sind aber ein offenes System, da ist keine absolute Sicherheit herzustellen. Wir können nicht jeden Fahrgast kontrollieren“, hieß es bei der Bahn.

Der Verweis auf das verheerende Attentat von London, wie von einigen Politikern gemacht, hilft dabei nicht weiter – schon gar nicht in Bezug auf Videoüberwachung, denn die existiert in viel großerem Maße dort und hat die Anschläge leider auch nicht verhindert… wohl aber zu deren Aufklärung beigetragen. Das aber kann keine Sicherheit versprechen.

Weitere Koffer und Bombenwarnungen gab es in Hamburg, NDR Online

Die Geschichte der Autobombe

Nur am Rande hat die Autobombe etwas mit Ãœberwachung zu tun – der Artikel ist aber so interessant das ich ihn weiter verbreiten will… nicht zuletzt haben die Autobomben der IRA in den 80er und 90er Jahren dafür gesorgt, dass in London Videokameras zur städtiischen Raumüberwachung im damaligen Anti-Terrorkampf installiert worden sind…. heute heißt der Feind Islam und die Bomben sind auch schon wieder hochgegangen…. (z.B. am 7.7.2005 in London).

Mike Davis (City of Quartz, Ökologie der Angst u.a., Ãœber Davis bei Wikipedia) hat auf tomdispatch.com eine kritische Geschichte der Autobombe geschrieben, die sich aus verschiedenen Gründen lohnt zu lesen… die Anknüpfungspunkte sind zahlreich… auch für die Ãœberwachungsforschung… denn letztlich ist die Autobombe – die Bombe des kleinen Mannes – fast nicht zu verhindern… schon gar nicht durch Kameras…
Teil 1 “The poor man’s airforce”
Teil 2 “Return to Sender”

Auf Deutsch ist der Artikel in LETTRE erschienen (Auszüge online)

85 Jahre nach jenem ersten Massaker an der Wall Street sind Autobomben auf der Welt fast so allgegenwärtig wie iPods und Aids. Von Bogotá bis Bali reißen sie tiefe Krater in die Straßen der Großstädte. Inzwischen sind auch die Selbstmordattentate mit Autobomben kein unverwechselbares Markenzeichen der Hisbollah mehr, sondern längst auch für Sri Lanka, Tschetschenien, Rußland, die Türkei, Ägypten, Kuwait und Indonesien lizensiert. In jeder statistischen Darstellung des urbanen Terrorismus steigt die Kurve der Autobomben sehr stark – beinahe exponentiell – an. Der Irak hat sich unter amerikanischer Besatzung zu einer wahren Hölle des Autobombenkrieges entwickelt.

als aktuelle Fußnote dazu – Anschlagsserie in Thailand
Fast hundert Bomben und Brandsätze in einer Nacht
bei tagesschau.de

und fast täglich im Irak. Anschlag im Zentrum von Bagdad bei tagesschau.de

Auch in Bagdad verübten Aufständische gestern einen Anschlag. Vor einer Bank explodierte eine Autobombe, als sich im Gebäude Sicherheitskräfte ihr Gehalt auszahlen ließen. 14 Menschen starben, darunter acht Zivilisten.

Sicheres Reisen, Flüchtlinge und anderes

Die aktuelle ZEIT (Nr.30) scheint auf zufälliige Weise zu einer Ãœberwachungs-Sonderausgabe geworden zu sein. Vor dem Hintergrund Südafrikas, wo ich mich gerade aufhalte, ist der Artikel in der Reiseabteilung höchst interessant. In sicherem Gewahrsam gibt schöne Momentaufnahmen von Urlaub hinter unsichtbaren und sichtbaren Zäunen in Südafrika (Sun City) Ägypten und auf einem Kreuzfahrtschiff. Passend dazu wird im Dossier gezeigt, wohin all diejenigen gehen, die keinen Zugang zu den Ferienparadiesen haben bzw. nicht davon profitieren. Gestrandet in Europa zeigt die absurden und gefährlichen Ãœberfahrten afrikanischer Flüchtlinge nach Teneriffa – ins sichere Europa.

Zusätzlich bietet die Zeit noch etwas zum Thema Kartierung, Ãœberwachung und Konsum an…. Deutschland privat

Adressenhändler und Unternehmen sammeln Daten über jeden von uns und verknüpfen diese jetzt mit digitalen Landkarten. Das lässt unsinnige und gefährliche Schlüsse zu.

Karten, das kann man schon anhand der präsentierten Beispiele sehen, geben nicht nur Auskunft über unsere Umwelt, sondern auch über die Produzenten der Karten… mehr dazu ein anderes Mal. Nur noch dies: Der Spiegel hatte in der letzten Woche einen Artikel zum Web 2.0… zum neuen Hype und warum dieses Mal alles klar geht mit der neuen Welt und vor allem mit dem Erfolg und dem Geld… nur dass sie die Frage nach dem “Wie machen wir Geld damit?” nicht beantworten konnten, und auch keiner der Akteure, wundert mich…. Daten Daten Daten. Soviel haben wir alle noch nie freiwillig und für die Ewigkeit von uns preisgegeben. Karten lassen sich im übrigen auch prima daraus erstellen. In typischer Spiegel-Manier sehen die Autoren schon wieder ein neues Zeitalter herbeiziehen… und übersehen die Kontroll- und Marketingaspekte und deren Gefahren voll und ganz…

Beginnt eine eine neue Ära des Internet, im Szenejargon Web 2.0 genannt? In diesem neuen Web-Zeitalter spielen die Nutzer, die User, die Hauptrolle: Aus passiven Konsumenten werden höchst aktive Produzenten. Millionen Leser, Radiohörer und Zuschauer schaffen die Inhalte für sich und ihresgleichen selbst.

Sieg der Abschreckung…?

Die Fußball-WM ist in vollem Lauf und nichts außergewöhnliches außerhalb des Spielfeldes ist passiert… auch auf dem Spielfeld nicht wo wirklich… Keine Randale, die einzigen Platzverweise blieben bisher auf den Sport beschränkt… das kann auch so bleiben… das verleitet zu der Frage, warum bleibt alles ruhig… und war der Sicherheitswahn und die fast paranoide Angst vor Anschlägen und Hooligans berechtigt?

Das Sicherheitsmonstrum, dass aufgebaut wurde, könnte abschreckend gewirkt haben, so eine Erklärung. Das würde die These belegen, dass Sicherheitsmaßnahmen wie Videoüberwachung vor allem dann abschreckend wirken, wenn über sie bereits geredet wird… der Aspekt nutzt sich zwar ab, aber so lange dauert die WM zum Glück nicht.

Oder: die Fans wollen gar keine Randale…. und das Gerede war vor allem ein Vehikel, um weitreichende Maßnahmen über die WM hinaus zu installieren und zu rechtfertigen.

Letztlich, ließe sich überlegen, ob die Maßnahmen doch greifen und wir davon nichts mitbekommen… also alles gerechtfertigt war..

Die Diskussion um die Tickets und die Datensammlungen sind eher etwas, was im Hintergrund abläuft.. der CCC kümmert sich gerade darum zu sehen, was da eigentlich wirklich gespeichert wurde… denn das kann sehr wohl Auswirkungen über die WM hinaus haben… eine Gewöhnung an Ãœberwachungstechnologien, die über das Freudenfest Fußball eingeführt wurde..

Hoffen wir, dass es auch weiterhin ruhig bleibt und danach genau geschaut wird, warum das so war.. vielleicht ja doch nur friedliche Sportbegeisterung, die dann keine weiteren Sicherheitsmaßnahmen irgendeiner Art in der Zukunft rechtfertigen würde…

RFID für Immigranten

Da hatte jemand mal eine tolle Idee für die Anwendung von RFID-Chips… warum ist darauf eigentlich niemand früher gekommen. Einfach den Zuwanderen einen Chip eingesetzt und dann wissen wir wo sie sind und was sie machen. Auch nicht verwunderlich, das die Idee aus der Industrie selbst kam.. von VeriChip – die suchen offensichtlich kreativ nach neuen Anwendungsfeldern.

Scott Silverman, Chairman of the Board of VeriChip Corporation:

Responding to the Bush administration’s call to know “who is in our country and why they are here,” he proposed using VeriChip RFID implants to register workers at the border, and then verify their identities in the workplace. He added, “We have talked to many people in Washington about using it….”

Viel fällt mir dazu nicht ein….

Neues aus der Industrie…

… auf Platform – das Neueste aus Industrie und Anwendung oder wie sie sich selbst beschreiben…

Platform is the redesigned and refocused version of CCTV Today that will offer the best editorial on networked and integrated security systems, in a fresh and vibrant magazine. Platform is targeting a pan-European readership of 9,500 installers, integrators, security & network managers and end-users and is the ideal opportunity to reach the people who make and influence purchasing decisions in this growing security market.

Auch das sollten wir beobachten…. folge dem Geld sozusagen.

Wieviel kostet Sicherheit?

…. offensichtlich nicht so viel, wenn man ver.di Glauben schenkt. Mit Stundenlöhnen um 6,10 Euro und schlechten Arbeitsbedingungen, werden die Beschäftigten, denen in immer mehr gesellschaftlichen Bereichen unsere Sicherheit anvertrauen – gerade auch jetzt während der WM – schlecht bezahlt und auch sonst eher wie “Sklaven” behandelt (O-Ton ver.di Sprecher Peter Bremme bei NDR Online (1. Juni 2006).

Wie NDR 90,3 berichtete, hatten betroffene Sicherheitsleute auf der Pressekonferenz der Gewerkschaft ihr Gesicht mit weißen Masken bedeckt, weil sie befürchteten, Repressalien am Arbeitsplatz zu bekommen. 6,10 Euro pro Stunde, das reiche selbst dann nicht zum Leben, wenn man wochenlang durcharbeite, bestätigten die Betroffenen.

ps. auch hier nutzten die Redakteure vom NDR wieder eine Kameras zur Bebilderung

Diskussionen um WM-Sicherheitskonzept

Nach der Messerstecher-Attacke am Berliner Hauptbahnhof, kommt die Diskussion um die Sicherheit bei der WM wieder voll in Gang. Langsam wäre es schön wir könnten uns über den Sport freuen – nicht über das was schiefgehen kann… da sollten wir doch erstmal die Spiele selbst abwarten… da kann noch genug daneben gehen…

Spiegel Online, 27. Mai 2006

Reuters, 28. Mai 2006

Berliner Zeitung, 29. Mai 2006

NDR Online, 29. Mai 2006 mit den Perspektiven aus Hamburg

“Wir werden bei unseren WM-Sicherheitskonferenzen über den Amoklauf in Berlin reden müssen”, kündigte Spahn [Sicherheitschef des WM-Organisationskomitees] an. Es müsse geprüft werden, ob im Vorfeld “wirklich alles bedacht” worden sei. Jedoch sei es “unheimlich schwer, einen irrational handelnden Menschen in der Masse zu kontrollieren”, räumte Spahn ein und warnte zugleich vor allgemeiner Panik.

noch mal Rasterfahndung

Jochen Bittner von der Zeit sieht in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes einen Fehler, da wir jetzt noch weniger wissen, ob wir tatsächlich Ziel terroristischer Anschläge werden können oder nicht… einen Punkt im Besonderen finde ich hierbei diskussionswürdig…

In einem Punkt muss man den Richtern ganz ausdrücklich widersprechen. Eine Rasterfahndung stellt keinen Grundrechtseingriff “von erheblichem Gewicht” dar. Er ist vielmehr von geringem Gewicht, weil, wie die Richterin Haas in ihrem Sondervotum schreibt, “nur solche Daten erfasst werden, die bereits vom Betroffenen offenbart und in Dateien mit seiner Kenntnis gespeichert” wurden.

Haben die Menschen denn tatsächlich Kenntnis von all den Daten, die über sie gespeichert werden? Was ist vernetzt und was nicht.. wo sind die Grenzen zwischen privaten Datenbeständen und staatlich erhobenen? Wer kontrolliert das wirklich… ? Eine solche Aussage ist leichtfertig. Darauf kann keine Argumentation für oder gegen die Rasterfahndung aufbauen.

In diesem Zusammenhang ist das Spezial der Zeit zum Thema Terrorismus sehr lesenswert.