Diskussionen um WM-Sicherheitskonzept

Nach der Messerstecher-Attacke am Berliner Hauptbahnhof, kommt die Diskussion um die Sicherheit bei der WM wieder voll in Gang. Langsam wäre es schön wir könnten uns über den Sport freuen – nicht über das was schiefgehen kann… da sollten wir doch erstmal die Spiele selbst abwarten… da kann noch genug daneben gehen…

Spiegel Online, 27. Mai 2006

Reuters, 28. Mai 2006

Berliner Zeitung, 29. Mai 2006

NDR Online, 29. Mai 2006 mit den Perspektiven aus Hamburg

“Wir werden bei unseren WM-Sicherheitskonferenzen über den Amoklauf in Berlin reden müssen”, kündigte Spahn [Sicherheitschef des WM-Organisationskomitees] an. Es müsse geprüft werden, ob im Vorfeld “wirklich alles bedacht” worden sei. Jedoch sei es “unheimlich schwer, einen irrational handelnden Menschen in der Masse zu kontrollieren”, räumte Spahn ein und warnte zugleich vor allgemeiner Panik.

noch mal Rasterfahndung

Jochen Bittner von der Zeit sieht in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes einen Fehler, da wir jetzt noch weniger wissen, ob wir tatsächlich Ziel terroristischer Anschläge werden können oder nicht… einen Punkt im Besonderen finde ich hierbei diskussionswürdig…

In einem Punkt muss man den Richtern ganz ausdrücklich widersprechen. Eine Rasterfahndung stellt keinen Grundrechtseingriff “von erheblichem Gewicht” dar. Er ist vielmehr von geringem Gewicht, weil, wie die Richterin Haas in ihrem Sondervotum schreibt, “nur solche Daten erfasst werden, die bereits vom Betroffenen offenbart und in Dateien mit seiner Kenntnis gespeichert” wurden.

Haben die Menschen denn tatsächlich Kenntnis von all den Daten, die über sie gespeichert werden? Was ist vernetzt und was nicht.. wo sind die Grenzen zwischen privaten Datenbeständen und staatlich erhobenen? Wer kontrolliert das wirklich… ? Eine solche Aussage ist leichtfertig. Darauf kann keine Argumentation für oder gegen die Rasterfahndung aufbauen.

In diesem Zusammenhang ist das Spezial der Zeit zum Thema Terrorismus sehr lesenswert.

USA rücken von Vorratsdatenspeicherung ab

. F. James Sensenbrenner, Vorsitzender des “House Judiciary Committee”in den USA ließ durch einen Sprecher verlautbaren, dass er “ein solches Gesetz nicht verabschieden würde”. Ein solches Gesetz – das heißt in diesem Fall ein Gesetz zu einer Vorratsdatenspeicherung, denn während in Europa die verpflichtende Vorratsdatenspeicherung trotz der Widerstände von Datenschützern und Bürgerrechtlern per EU-Richtlinie geregelt und die Umsetzung z.B. in Deutschland durch den Bundestag bereits beschlossen wurde, hat sich die USA bisher weiterhin für das Quick Freeze Verfahren entschieden.

Im Gegensatz zur “Data Retention” (Speicherung aller Daten um ggf. im Nachhinein einige Daten zu verwenden) setzt Quick Freeze darauf, dass bei einem konkreten Verdacht der Provider angehalten wird, die betreffenden Daten zu speichern. Obgleich nach dem 11.09.2001 die Datenschutzüberlegungen in den USA und die Sicherheitsgesetze kollidierten und z.B. der sogenannte “PATRIOT ACT” den Geheimdiensten weitreichende Befugnisse gibt, sind die USA in Bezug auf die Vorratsdatenspeicherung doch wieder ein Vorbild. Und sie scheinen es bleiben zu wollen.

“Legislation on this issue will not be introduced by Chairman Sensenbrenner, and he is not interested in considering any legislation like it,”

Englischer Film mit CCTV Thematik

Der Film Red Road – Wettbewerbsbeitrag in Cannes – nutzt das Thema Videoüberwachung für einen Film, den der Spiegel zwar für nicht gelungen hält, der aber nach Aussage der BBC einen Anstoß für eine Debatte über Videoüberwachung in England liefern kann

“Red Road” erzählt die Geschichte einer verhärmten Frau, die Glasgows übelste Ecken mit sogenannten CCTV-Kameras überwacht. Wie ein zur Untätigkeit verdammter Gott sieht sie den Menschen auf Dutzenden von Monitoren zu, zoomt sich hier mal eine kuriose Szene heran, bespitzelt dort mal den netten Mann mit der kranken Bulldogge. – aus dem Spiegel Online

The British director of CCTV movie Red Road has said the future of 24-hour surveillance of society needs to be debated.

und immer wieder Augen….

Ein Forschungsproblem haben die Surveillance Studies beileibe nicht – wohl aber ein gestalterisches: Bücher und Artikel zum Thema Überwachung, Privacy, Datenschutz usw. operieren, wenn sie denn Bilder auf dem Umschlag oder im Text (vor allem zur Bebilderung von Artikeln, die ohne konkrete Photos auskommen) fast ausschließlich mit Augen, Kameras oder ähnlichem. Konsequent oder fehlt uns die Phantasie zur besseren Bebilderung?

1565926536.01.TZZZZZZZ.jpgLyon_Surveillance_after_Sept11_small.jpgbogard.gif0802048781.01.MZZZZZZZ.jpgtransparentsociety.jpg3434505822.01.LZZZZZZZ.jpg
Beispiele, wahllos herausgegriffen:

David Lyon – Surveillance after September 11: Augen
Simson Garfinkel – Database Nation: Ein Schlüsselloch mit einem Augenpaar
Mike McCahill – The Surveilance Web: Kameras und Computer
Norris/Armstrong – Maximum Surveillance Society: ein stilisiertes Auge
William Bogard – Simulation of Surveillance – Masken mit leeren Augen
David Brin – Transparent Society: Computer-Chips mit einem Auge dahinter
James B. Rule (1974)- Private Lives and Public Surveillance: ein Auge (Zeichnung)
Singelstein/Stolle – Sicherheitsgesellschaft: Monitore
Reg Whitaker – Ende der Privatheit: Computerplatinen, die den Anschein von Star Wars erwecken.
Christiane Schulzki-Haddouti – Im Netz der inneren Sicherheit: Auge und Fadenkreuz
Kevin Haggerty/Richard Ericson – Surveillance and Visibility: Kameras

Nicht das ich falsch verstanden werde – ich mag die Bilder, aber ich denke, dass wir auch bessere finden können, die ebenfalls daraufhinweisen können, was wir machen, worüber wir auch noch reden. Im Sinne einer erweiterten Erkenntnis können auch Bilder helfen zu zeigen das das Themenfeld Surveillance Studies mehr behandelt als Kameras. Wie, das ist die Frage? Vorschläge? Immer gern.

Die englische Polizei: hat besseres zu tun

Die schönsten Aufnahmen nützen wenig, wenn die Polizei keine Zeit hat, sie auszuwerten, wie ein interessanter Artikel im Telegraph zeigt. Dem Bericht zufolge beschweren sich Laden- und Geschäftsinhaber zunehmend über den Unwillen der Polizei, Aufnahmen aus ihren hauseigenen Überwachungsanlagen zu sichten, nachdem in die Geschäfte eingebrochen wurde.

Ein Sprecher der Londoner Polizei wird wie folgt zitiert: “If there is no clear indication that there is a good picture of the subject or incident on the CCTV camera, we have to consider the amount of hours that would be taken up by officers, and if it is the best use of their time.”

Eine Umfrage der Zeitung ergab, dass neun von 52 befragten Polizeiwachen “nicht notwendigerweise” auf Bänder zurückgreifen würden, wenn ein nächtlicher Einbruch stattgefunden hat.

mehr zur Videoübewachung….

Manchmal ist es schon komisch worauf man achtet, weiß man erst einmal um die Kameras, die einen beobachten sollen… bzw. den Raum, in dem man steht. Gestern waren wir mal wieder auf der Reeperbahn, um unsere Umfrage zu Videoüberwachung und Raumwahrnehmung weiterzuführen… ich hatte gerade ein Interview beendet da krachte es genau vor meinen Augen…. eine Mercedes bremste und ein kleiner VW Transporter fuhr mich Schmackes hinten drauf… ein schöner Schaden… niemand wurde verletzt. Ich blickte sofort hoch zur Kamera, die nicht auf den Unfall gerichtet war, sondern gerade an anderer Stelle etwas suchte.
Es dauerte drei Minuten dann hatte die Kameras den Unfall erfasst und ging auch nicht mehr weg davon… es dauerte allerdings weitere 25 Minuten bis eine Polizeistreife erschien – eine Wache ist ca. 1,5 Fußminuten weit weg. Am Straßenübergang waren schon den ganzen Tag die Ampeln ausgefallen – eine gefährliche Stelle für alle Fußgänger – kein Polizist weit und breit, obwohl das wohl auch zur Sicherheit der Menschen beigetragen hätte…

Die Taz berichtet heute nochmal von den Anfragen und der Kritik an der Videoüberwachung und kommentiert das politische Gezerre um fast sinnlose Zahlen, denn letztlich sind die Kameras erst einen Monat in Betrieb…
bei aller Kritik – alle Aussagen darüber sind bisher unsinnig, die Zahlen können nicht wirklich etwas aussagen… also bleibt es abzuwarten und im besten Fall eine ordentliche Evaluation in einem Jahr durchzuführen.

Mehr Straftaten trotz Videoüberwachung….

Wie NDR Online berichtet, gab es seit Einführung der Kameraüberwachung auf der Reeperbahn in Hamburg nicht weniger, sondern mehr Straftaten. Quelle für die Einschätzung ist eine Antwort des Senates auf eine Anfrage des Abgeordneten Andreas Dressel von der SPD… allerdings sind die Schwankungen nach oben und unten so gering, dass das ‘mehr’ relativ zu sehen ist…. von einer Wirksamkeit aber ebensowenig gesprochen werden kann…

Der bisherige ‘Nicht-Erfolg’ könnte zu der Annahme werleiten, dass die Videoüberwachung ausgeweitet werden müsste, um auch die Bereiche abzudeckken, in denen die Straftaten stattfanden… nämlich offensichtlich in nicht gefilmten Bereichen….

Schleswig-Holsteins Datenschützer Weichert warnt vor staatlicher Willkür

Auch wenn die Mehrheit der US-Bürger bereit zu sein scheint, die Ausforschung ihrer Kommunikationsgewohnheiten im Tausch gegen fragwürdige Sicherheitsversprechen hinzunehmen (s. Florian Rötzer in Telepolis: Sicherheit geht vor Datenschutz), zeigen die Berichte über das gigantische verdeckte Überwachungsprogramm der National Security Agency (s. auch Süddeutsche Zeitung: Der überwachte Amerikaner) wie sehr sich die Exekutive im “Krieg gegen den Terror” verselbständigt und demokratischer Kontrolle entzieht. Selbst vor Jahren in die Mühlen geheimdienstlicher Machtpolitik geraten, als der damalige Verfassungsschutzchef Eckhart Werthebach 1991 mit einem diffamierenden Dossier seine Bewerbung um den Job als Datenschützer Brandenburgs torpedierte, stellt Thilo Weichert, der Landesdatenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein nun in einem Beitrag im Technology Review die Frage “Wie viel Freiheit müssen wir aufgeben, um unsere Freiheiten zu schützen?” und warnt vor den Folgen exzessiver und unkontrollierter Überwachung.

Thilo Weichert: Überwachung ohne Transparenz fördert staatliche Willkür, in: Technology Review 5/2006.