Month: Dezember 2006

Ãœberwachung in der Antike

Unter dem Titel “der Big Brother-Steinbruch der Römer” berichtet der Spiegel von einer Forschung aus dem Bereich der Archäologie, die Ãœberwachungspraktiken bereits weit vor Benthams Panoptikon und dem modernen (digitalen) Staat feststellt.

Journal of Mediterranean Archaeology
Vol. 19 No. 1 (Jun 2006):65-89
Is Somebody Watching You?
Ancient Surveillance Systems in the Southern Judean Desert
Yuval Yekutieli

Das zeigt, das meine These von der grundsätzlichen Bedeutung von Ãœberwachung als eines fait social total nicht unbegründet ist – zumal in Verbindung mit der Ausübung bzw. Herausbildung von Herrschaft bereits in vor-modernen Gesellschaften.

Der Hügel über dem Steinbruch weist am Hang eine merkwürdige natürliche Struktur auf, eine Art Graben, der zur Verwendung als Wachgang förmlich einlädt. Ein Felsspalt im Außenwall dieses Korridors bietet einen vollkommenen Ãœberblick über den Steinbruch und das angrenzende Sklavenlager. Wer diese Stelle als Aussichtspunkt nutzt, kann von unten nicht bemerkt werden. Archäologe Yekutieli spricht von “psychologischem Terror”. Ein Foto aus der Perspektive des Sklavenlagers beweist das: Die Gefangenen hatten stets die Felsspalte im Blick. Ob sich dahinter ein Bewacher verbarg oder nicht, konnten sie indes nicht erkennen.

Schon der Ursprung des Wortes weist auf eine ältere Bedeutung hin: Lat. vigilare = wachen, beobachten, später dann das überwachen von Kranken. Beobachten gehört zu den grundsätzlichen menschlichen und sozialen Verhaltensweisen, ohne die eine Seins-Werdung nicht möglich erscheint. Lernen (u.a. durch imitieren) und kontrollieren sind zwei Seiten derselben Medaille und basieren auf Beobachtung. Nicht alles “Beobachten” ist Ãœberwachung – aber im Grundsatz verweist der Zusammenhang darauf das Ãœberwachung nicht ein bloßes Produkt moderner Gefängnissarchtektur und post-moderner Staaten ist, sondern, dass es sich durchaus um eine Folie handelt, mit der Gesellschaft als ganzes betrachtet werden kann, ähnlich dem von Marcel Mauss in den Anfängen der Anthropologie thematisierten Tausch (siehe: die Gabe, le don).

Ein schönes Beispiel, wenn auch der Spiegel sich nicht zu schade war, die Schlagzeile mit dem Begriff Big Brother zu verunstalten.

Report: CCTV in Australien

The report Crime and CCTV in Australia: Understanding the Relationship will be publicly available 5th December 2006 as an e-publication.

Crime and CCTV in Australia: Understanding the Relationship (research methodology in brief).
The impact of CCTV on recorded crime in two Gold Coast suburbs (Surfers Paradise and Broadbeach) as well as selected QR Citytrain stations utilised police recorded crime in order to undertake time-series analysis to determine the effectiveness of CCTV. An observational study was undertaken in a Gold Coast control room to investigate the general control room operational practices, the monitoring strategies adopted, why monitoring was initiated, the types of incidents surveilled and the targets of surveillance. The survey research of QR commuters, Gold Coast residents and business traders was undertaken to ascertain the impact that CCTV has on the wider public and to gain information regarding people’s experiences with CCTV and their perceptions relating to privacy.

Videoüberwachung öffentlicher Räume

Klauser Francisco, 2006, “Die Videoüberwachung öffentlicher Räume, Zur Ambivalenz eines Instruments sozialer Kontrolle”, Campus, Frankfurt.

Das Buch beinhaltet neben einem umfangreichen empirischen Teil zur Frage der Revitalisierung von urbanen Problemräumen durch Überwachungskameras und zur allgemeinen Akzeptanz der visuellen Überwachung unserer Städte auch eine
Abhandlung zur Videoüberwachung in schweizerischen Printmedien und einen
längeren theoretischen Teil zum Verständnis öffentlicher Räume.

USA spionieren Fluggäste aus

Die US-Behörden haben millionenfach Einreisende an Flughäfen laut der Nachrichtenagentur AP mittels eines “Automated Targeting System (ATS)” nach ihrem “individuellen Sicherheitsrisiko” benotet. Vergeben werden die Noten nach einer “Vielzahl” von Kriterien, u.a. Herkunftsort, frühere Reisen und Art der Ticketbezahlung. Ziel ist es natürlich wieder einmal, terroristische und kriminelle Elemente dingfest zu machen bevor sie in den USA aktiv werden können. Darüber hinaus erlaube ATS auch die gezielte Suche nach Reisenden die “zuvor noch nicht als potenzielle Terroristen oder Kriminelle aufgefallen seien”. Aber wer ist das? Wir alle? Und woran genau wird ihr Bedrohungspotential festgemacht?
Aus Behördensicht scheinen Erfolge die Nutzung des Systems zu rechtfertigen. Immerhin werden täglich 45 “Kriminelle” auch mit Hilfe von ATS an der Einreise gehindert. Die Existenz des vor vier Jahren eingeführten Programms wurde bisher geheimgehalten. Selbst Beamte der us-amerikanischen Regierung sowie zumindest einige Kongressmitglieder  vertraten bislang die Annahme, dass mit Hilfe dieses Systems nur Kontrollen im Frachtwesen durchgeführt werden. Die betroffenen Personen haben keine Möglichkeit zur Einsicht der über sie erhobenen Datengeschweige denn zu einer Stellungnahme. Die Daten sollen 40 (!) Jahre lang gespeichert werden. So erscheint es auch nicht überraschend wenn der Anwalt der Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF), David Sobel sagt:

“Das ist gemessen an der Zahl der betroffenen Personen wahrscheinlich das am meisten in die Privatsphäre eingreifende System, das die Regierung eingerichtet hat.”

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen…