Category: Strafvollzug/Gefängnis

Gewalt, Jugendliche und Videoüberwachung

Der Ãœberfall von München kurz vor dem Jahreswechsel hat eine Debatte in Gang gebracht (Heise.de), die sich eigentlich keiner so richtig wünschen konnte – nur Roland Koch setzte noch einen drauf und machte daraus eine Generaldebatte über den Zustand des Jugendstrafrechtes und ließ seinen Wahlkampf so richtig heißlaufen.

Inzwischen gibt es aber angesichts der medienwirksamen Bilder wenigsten ein paar reflektierende Beiträge, die die vorschnellen Schlüsse ein wenig in Relation setzen (Zeit.de). Die Forumsbeiträge bei Telepolis auf meine Artikel zum “Erfolgsmodell Videoüberwachung” sprechen allerdings auch eine deutliche Sprache, wenn man sie als Vox populi interpretieren möchte (ob ich mich als “linker Kanacke” bezeichnen lassen muss, sei einmal dahingestellt).

Die Welt weiß von sinkenden Gewalttaten in den meisten Großstädten, ob allerdings die ebenfalls aufgeführte Videoüberwachung dazu beigetragen haben mag, ist nicht aufgeführt und darf ohne genaue Analyse weiterhin bezweifelt werden.

Tagesschau.de fragt wenigsten, ob jugendliche Gewalttäter tatsächlich zunehmen

Es ist also eine neue Debatte entstanden – eine die Jugendgewalt, das Jugendstrafrecht und (präventive) Ãœberwachung zusammenbringt. Ich hoffe sie über die populistische Schreierei sinnvoll weitergeführt und nicht zum Anlass genommen ein weiteres gesellschaftliches Feld für die verstärkte Ãœberwachung zu besetzen.

Ãœberwachung im Gewahrsam beim G8

Auch wenn alles glimpflich ablief und die Bewertung des ganzen an dieser Stelle einmal anderen überlassen will – was die Unterbringung und Ãœberwachung der Festgenommenen angeht, scheint Konsequenzen zu haben. Zumindest hat der Republikanische Anwältinnen- und Anwaltsverein (RAV) schon mal Strafanzeige wegen Käfighaltung eingereicht.

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(Photo: bei tagesschau.de durch RAV übermittelt)

Das sieht den Bildern aus dem Polizeigewahrsam in Frankfurt verdammt ähnlich – siehe die Einträge zur Ausstellung Gewahrsam. Räume der Ãœberwachung. Diese Käfige haben weniger mit Bentham zu tun, als dass sie der puren Verwahrung und der direkten Kontrolle dienen, wenn auch nur für einen kurzen Zeitraum.

Dazu meint Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung:

Diese Käfighaltung manifestiert: Das Recht der inneren Sicherheit in Deutschland ist gekennzeichnet vom Verlust der Maßstäbe und von der Veralltäglichung der Maßlosigkeit.

Mehr zum G8-Gipfel auch im Gipfelblog.

Gewahrsam: Bilder der Ausstellung

Die Ausstellung “Gewahrsam. Räume der Ãœberwachung” in Frankfurt ist sehenswert. Allein schon deshalb, weil der Ausstellungsort gleichzeitig das Artefakt selbst ist. Hier ein paar Bilder für diejenigen, die nicht nach Frankfurt kommen oder sich den lesenswerten Katalog nicht kaufen wollen…. Nun ist das nicht nur ein altes Haus und Gewahrsam der Polizei in Frankfurt – zuletzt renoviert 1957, sondern nach Auskunft der Ausstellungsmacher auch noch bis vor wenigen Jahren als Abschiebeknast genutzt worden – ein wahrer Un-Ort, wie der Direktor des Deutschen Architekturmuseums in seiner kurzen Rede meinte…

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(Alle Photos: (c) Nils Zurawski)

Härter Strafen und besser verwahren

Um einmal den Blick auf das zu lenken was auch zum Thema Überwachung und Kontrolle fällt, bietet der Hamburger Justizsenator eine gute Möglichkeit. Er will den Strafvollzug verschärfen, den offenen Vollzug zurückfahren und wieder mehr verwahren. Er spricht dabei von einem Schutzbedürfnis der Bevölkerung, dass eben so schwamming, wenn gar tatsächlich gestört sein mag, wie das vielbemühte subjektive Unsicherheitsgefühl im Falle der Videoüberwachung landauf landab.

“Wir haben einen Perspektivwechsel vollzogen und das Schutzbedürfnis der Bevölkerung als wichtigstes Vollzugsziel vorangestellt. Das alte Gesetz war zu täterorientiert”, sagte Lüdemann. Ein offener Vollzug werde es nur noch für Gefangene geben, die “deutlich zeigen, dass sie an einer Resozialisierung interessiert sind”, so der Justizsenator. Die abzusitzende Strafe dürfe dabei nicht höher als zwei Jahre sein. Außerdem müssten die Häftlinge “ausreichend dargelegt haben, dass sie nicht suchtgefährdet sind”. Opfer von Straftaten wiederum sollten das Recht haben, über Entlassungstermin und Vollzugslockerungen informiert zu werden. (NDR Online)

Mir schwant, hier sollen künftig gar die Opfer selbst wieder mit über Strafen und Vollzug bestimmen – das wäre eine fatale Abkehr von unserem Rechtssystem, die diese Art der Justiz aus gutem Grund dem Staat übertragen hat und nicht dem Mob. Die Tendenzen sind aber klar erkennbar, nicht nur hier, sondern auch in den Veränderungen der Strafen, des Straßmaßes und der oft vorrausschauenden Kontrolle, die Kriminalität am liebsten durch ein Verwahren auf Verdacht ausschalten würde. Das ist zwar eher strikte Kriminal-Soziologie, aber dennoch Teil von Ãœberwachung und Kontrolle jenseits von Datenschutz und Technologie. Kritiker sehen darin eher einer Verschlechterung der Haftbedingungen mit langfristigen Konsequenzen: ” Eine Verschärfung ist für die meisten Gefangenen schädlich”.