Das sehr produktive Autor_innen-Duo Anna-Verena Nosthoff und Felix Maschewski haben (mehr oder weniger) gerade einen interessanten Aufsatz veröffentlich – den ich noch in Ruhe ganz lesen muss – mit dem Titel:
Überwachungskapitalistische Biopolitik: Big Tech und die Regierung der Körper, erschienen in Zeitschrift für Politikwissenschaft (online: 1.2.2022, und frei zum Download, https://doi.org/10.1007/s41358-021-00309-9)
Anhand wissenschaftlicher und kommerzieller Projekte sowie Kooperationen im Bereich public health wird deutlich, dass zeitgenössische Formen der Biopolitik keineswegs auf staatliche Regime beschränkt sind. Stattdessen sind sie zunehmend über private Technologieunternehmen vermittelt, die dabei nicht nur intime Verhaltens- und Vitaldaten akkumulieren, sondern – qua proprietärer Algorithmen – auch den Zugang zu diesen kontrollieren und schließlich ihren Einfluss in exklusive Services und Produkte überführen.
Damit schließt der Artikel an den letzten Blogpost hier an, der den Film zu Dr Zuckerberg und der Überwachung der Gesundheit thematisierte. Mit scheint dieses der nächste und nach der Coronakrise – wenn die Entwicklung auch nicht erst seitdem besteht – folgerichtige Schluss aus Sicht der Überwachungsregime. Gesundheit als menschliche Grundbedürfnis einerseits, weiter hin als Konsumgut in Form von Körperoptimierungen und Wellness im weitesten Sinne, sowie ein Wirtschaftsgut andererseits.
Gesundheit ist aber vor allem in kapitalistischen Ordnungen ein ungleich verteiltes Gut bzw. eine Kondition, so dass eine Überwachung über körperliche Versehrtheiten und Verletzlichkeiten sich geradezu anbieten Kontroll- und Steuerungsregime hierüber zu steuern. Und zwar mehr als das ohnehin schon im Sinne einer Public Health üblich war. Denn Seuchen, Krankheiten und Pandemien, wie wir sehr langsam, aber sehr überzeugend lernen konnten in den letzten 2,5 Jahren sind nicht ohne eine Überwachung in den Griff zu bekommen. Die Frage ist, wie weit diese gehen darf, kann oder sollte und ob eine individualisierte Überwachung dafür notwendig ist.
Gesundheit ist, so scheint mir, ein für die Surveillance Studies lohnenswertes Feld der Forschung – jenseits Datenschutz-bezogener Ansätze und Irritationen darüber, welche App was von mir weiß.