Rezension: Tödlicher Crash

Rezension: zusammen mit 

Barbara Wimmer: Tödlicher Crash. Kriminalroman. 2020. Meßkirch. Gmeiner-Verlag

von Nils Zurawski, Hamburg

Kriminalromane stehen eigentlich nicht im Fokus der Rezensionen, die hier im Blog oder auch bei Criminologia.de besprochen werden. Der Roman Tödlicher Crash von Barbara Wimmer soll hiervon mal eine Ausnahme machen. Das hat sowohl mit dem Thema als auch mit der Autorin zu tun.

Barbara Wimmer ist eine Wiener Journalistin, die sich schwerpunktmäßig mit Technologie beschäftigt, insbesondere mit solchen der Überwachung. Zuletzt war sie mit einer Artikelserie zu Klassifizierungsalgorithmen der österreichischen Arbeitsagentur auf die Shortlist des Surveillance-Studies-Preises gelangt. Dabei war es vor allem ihre Recherche sowie die gesellschaftspolitische Relevanz des Thema, welche die Jury dazu bewogen hatte. Und genau das zeichnet auch den Roman aus. Auch hier geht wieder um Algorithmen, vor allem aber um den Traum selbstfahrender Autos und den damit unweigerlich verbundenen Unfall – wie ja bei jeder Technologie dieser immer mitgedacht werden sollte. Das hatte der Philosoph der Geschwindigkeit, Paul Virilio, schon vor geraumer Zeit festgestellt und das wird sich auch im digitalen Zeitalter nicht ändern.

Ohne zu viel vorweg zu nehmen, kann man den Roman ungefähr so zusammenfassen: Stefanie Laudon, eine Journalistin des Wiener Nachrichtenmagazins „24 Stunden“, recherchiert im Fall des Österreichischen Finanzministers, der in einem Autonomen Fahrzeug zu Tode kommt. Das Fahrzeug hatte einen Unfall, wahrscheinlich liegt Sabotage vor. Die Journalistin beschäftigt sich vor allem mit Technologiethemen – darin ist sie ihrer Autorin nicht ganz unähnlich – und ist selbst mehr in den Fall verstrickt, als es ihr lieb ist. Sie wird verdächtigt, an dem Attentat beteiligt zu sein, muss ihren Namen rein waschen, den wahren Tätern auf die Spur kommen und gleichzeitig mit den Verwerfungen der Medienlandschaft im 21. Jahrhundert zurecht kommen. Vor allem die Rolle und Funktion von Social Media spielt dabei eine wichtige Rolle. Es geht um Integrität, Hacker-Ethik, Technologie, Überwachung, die digitale Gesellschaft und das Österreich im Jahr 2022, was aber eigentlich nicht mehr ist als ein literarischer Trick, um einige Entwicklungen von heute konsequent zu Ende zu denken. Es hätten auch ein paar Jahre mehr in der Zukunft sein können. Dazu gibt eine Liebesgeschichte und jede Menge kritischer Betrachtungen zur Welt der digitalen Technologien und ihrer Fallstricke. Das Interesse an Netzpolitik und digitalem Aktivismus teilen Autorin und Heldin.

Das ist spannend erzählt und erhält durch ein paar Nebenstränge und Seitengeschichten eine Tiefe, die der Erzählung und er Spannung gut tut. Die Verstrickung der Journalistin in den Unfall/Anschlag, ihre eigenen Ambivalenzen bezüglich der Hacker-Szene und gegenüber den Medien, Widersprüchlichkeiten, die Dilemmata einiger Figuren sowie ein paar interessante Wendungen machen das Buch zu einem Lesespaß. Auch wenn der Spaß an dem Roman noch mal gesteigert wird, wenn man sich mit Wiener Politik und dem dortigen Personal auskennt, so funktioniert das auch hierzulande sehr gut. Die entsprechende Besetzung wäre auch in Deutschland, ja eigentlich überall zu finden.

Und ja, man merkt aus welchem Metier die Autorin kommt. Technologie, Netzpolitik und deren kritische Betrachtung sind ihr Feld. Das führt dazu, dass der Stil an manchen Stellen zu erklärend ist, gewisse Technologien und Entwicklungen zu expliziert sind und der Spannung und des Geheimnisses wegen nicht alle Erzählpfade hätten so auserzählt werden müssen, wie das die Autorin hier und da tut. Während die Erklärungen hier und da zu erklärend sind, bleiben einige Charaktere blass und holzschnittartig. Insgesamt fällt das aber nicht so ins Gewicht und es bleibt eine gut erzählte, spannende Geschichte stehen, deren Figuren man sich gut in einer Fortsetzung vorstellen kann. Ich wüsste auch schon welche Figur ich in einer solchen hervorheben würde – neben den Alter Egos der Autorin selbst, von denen es, so zumindest lese ich das, zwei gibt.

Barbara Wimmer schafft es, mit den Elementen eines Krimis sehr gut ein aktuelles Thema und das komplexe Feld aus Überwachung, Algorithmen, Technologie, Netzpolitik in der gegenwärtigen Gesellschaft einfach und gleichzeitig spannend zu analysieren. Darin ist auch eine politische Botschaft enthalten – soweit kann sich die Autorin dann doch nicht hinter den Figuren verstecken. Eine Fortsetzung könnte durchaus noch dringlicher, noch persönlicher werden und einige der Figuren in durchaus existenziellere Dilemmata bringen. Schön, wenn das nur der Auftakt zu mehr wäre.