Luxury Surveillance

Auf der SSN Konferenz in Rotterdam habe ich den Begriff “Luxury Surveillance” zum ersten Mal gehört. Ein weiterer schöner Begriff, um mit wenigen Worten die Welt auf den Punkt zu bringen, die Shoshana Zuboff mit ihrem Überwachungskapitalismus versucht hat zu beschreiben.

Und letzter war in vielen Beiträgen auf der Tagung in Rotterdam sehr präsent. Aber auch hier in Deutschland kommt mir Zuboffs Konzept immer öfter unter, insbesondere bei Studierenden und dem Nachwuchs. Das scheint einiges an Attraktivität bereitszustellen. Nun gut, darum soll es hier aber nciht gehen. Sondern vielmehr um das Konzept der “Luxury Surveillance”, das, so könnte ich mir gut vorstellen, zu einem stehenden Begriff werden könnte. Was steckt dahinter?

Die beiden Autoren Chris Gilliard und David Golumbia haben das Konzept in einem Artikel im Reallife-Magazin am 6. Juli 2021 vorgestellt: Luxury Surveillance: People pay a premium for tracking technologies that get imposed unwillingly on others.

Consumers of luxury surveillance see themselves as powerful and sovereign, even immune from unwelcome monitoring and control

Sie haben das Konzept an verschiedenen Stellen schon genutzt und damit argumentiert, z.B. in einem Text zu

The two faces of the smart city. For some, surveillance is designed to be a luxury good that makes life more seamless. But for others, it is involuntary, overt, and dangerous. (FastCompany, 20.1.2020)

Ich finde den Begriff eigentlich ganz gut, leider gehen die Texte selten über eine Beschreibung des Phänomens hinaus, und die Autoren bieten auch keine weitergehende Analyse. Das Argument, dass über Konsum überwacht wird, ja die Überwachung ein Konsumgut ist bzw. in diesen integriert ist, ist bekannt. Das Warum wird hier nicht beleuchtet. Allerdings verweist der Luxus-Teil des Titels auf eine mögliche Antwort. Luxus ist Teil von Distinktion, gern genommen, gern gesehen und so ein hinreichendes Mittel, um Überwachung zu verdecken oder weniger gefährlich, wenn nicht gar als angenehm zu empfinden. Und damit bin ich bei meiner Argumentation aus Überwachen und Konsumieren (2021).

Ich würde anmerken wollen, dass es nicht ausreicht zu beschreiben, wie der Luxus als Teil der Überwachung vorkommt, sondern Erklärungen zu finden, warum es das so einfach macht. Wo wir überall überwachung werden und wie wir uns schützen können, ist nämlich hinreichend beschrieben und diskutiert worden – hier z.B. im Zusammenhang mit dem Text von Golumbia und Gilliard: https://news.ycombinator.com/item?id=27814250, hier im Zusammenhang mit Tags, Bluetooth etc.. Solche Schilderungen gibt es reichlich. Und sie sind wichtig, aber analytisch nur illustrativ. Das Konzept der Luxury Surveillance ist so schön prägnant, dass man auch eine Analyse damit sichtbarer machen könnte. Daher hier auch mein Fokus darauf.

Was aber diese Omnipräsenz von Technologien in unserem Alltag und ihre Kontrollfunktionen, die ja nur dem Luxus, dem Konsum, unseren Annehmlichkeiten gelten sollen, für die soziale Kontrolle bedeutet, also die Kontrolle, die unterhalb strafrechtlichen Verhaltens ansetzt, bei der es um soziale Erwünschtheiten, um informelle Normen usw. geht – diese Frage steht noch aus und lässt sich bisher allenfalls theoretisch skizzieren.

Und zum Schluss noch eine Podcast-Empfehlung zu dem Thema, u.a. mit einem der Autoren des Textes.

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