Diskret oder diskreditierend? USA verzichten auf Big Brother Award 2006

Jedes Jahr wird in etlichen Ländern der sogenannte “Big Brother Award” verliehen. Der Negativpreis soll besonders neugierige Zeitgenossen (aka Schnüffler), Daten”kraken” und ähnliche “Freunde” der Öffentlichkeit vorstellen.

Traditionell wird der amerikanische Big Brother Award bei der Konferenz “Computer, Freedom and Privacy” (kurz CFP) verliehen, eine Veranstaltung, bei der unter anderem Simon Davies von Privacy International (einer britischen Bürgerrechts- und Datenschutzorganisation) durch originelle Verkleidungen für die humoristische Einlage sorgte. Dieses Jahr aber war etwas anders bei der CFP 2006: denn einen Big Brother Award gab es nicht.

Nun ist es nicht unbedingt so, dass es dieses Jahr nicht genug gegeben hätte, die einen solchen Preis verdient hätten – salopper Umgang mit privaten Daten, Abhörmaßnahmen ohne jegliche Kontrolle usw. usf. gab es zuhauf. Dennoch fand die Preisverleihung nicht statt, von den Veranstaltern mit “organisatorischen Gründen” erläutert.

So schreibt Heise Online:
Die Organisatoren der CFP 2006 erklärten das mit “organisatorischen Schwierigkeiten”. Kandidaten hätte es genug gegeben, aber die Jury sei nicht mehr rechtzeitig zusammengekommen. Und so habe man das auf das nächste Jahr – 2007 in Montreal – verschoben.

Doch einige Teilnehmer gehen davon aus, dass man andere Gründe dafür hatte, auf den Negativpreis zu verzichten. Der Veranstaltungsort – Washington D.C. – hätte sozusagen zur Zurückhaltung förmlich aufgerufen. Und da man z.B. auch Vertreter der Homeland Security eingeladen hatte, hätte man vielleicht nicht unbedingt ins “Fettnäpfchen treten wollen indem man z.B. George Walker Bush auszeichnete”.

Wäre an diesen Überlegungen etwas dran, so hätte sich nach Meinung vieler der BBA in den USA damit selbst diskreditiert. Die Diskretion in Bezug auf die eventuell stattfindende Verstimmung von Einzelpersonen hätte dann dazu geführt, dass man die political correctness zu weit ausgedehnt hätte.

Wenn eine ähnliche Praxis tatsächlich Eingang fände, so dürfte beispielsweise der deutsche Big Brother Awards nicht stattfinden, wenn man auch den Innenminister einläd und zu Wort kommen lässt. Somit wäre das Preis jedoch ad absurdum geführt. Der BBA soll provozieren, er soll verdeutlichen und er soll durchaus auch einigen Leuten auf die Füße treten. Nur so können etliche Dinge, die oft genug von großen Medien nicht aufgenommen werden, an die Öffentlichkeit geraten und überhaupt genug Aufmerksamkeit erfahren. Dieser nicht nur rein symbolische Gehalt des BBA würde, so er aus politischer Korrektheit nur noch diskret oder gar nicht verliehen wird, völlig verschwinden. Damit wäre ein wichtiger Bestandteil der Auseinandersetzung mit den Bürgerrechten und dem Datenschutz jedoch verloren. Dies kann und darf nicht passieren – insofern ist zu hoffen, dass wirklich organisatorische Gründe eine Rolle spielten, nicht aber politische Erwägungen und diplomatisches Geschick.

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