Der Verkauf des öffentlichen Raums

Da ich erst jetzt dazu gekommen bin die ZEIT zu lesen, bin ich auch jetzt erst auf das exzellente Dossier von Rainer Frenkel und Hanno Rauterberg aufmerksam geworden. Unter dem Titel “Innenstädte zu verkaufen” bzw. “Bunte Langeweile” (pdf des Original-Artikels9 beschreiben sie wie die Firma ECE (gehört zum Otto-Konzern) mit ihren Einkaufs-Centern und Malls die Innenstädte lahm legt, die Politik aushöhlt und zunehmend den öffentlichen Raum kontrolliert. Leider sind die Artikel nicht online, so das ihr das in der Printversion lesen müsst. Ein paar links zu dem Thema finden sich bei “Unser Braunschweig”, deren Betreiber sich kriitisch mit der Braunschweiger Kommunalpolitik auseinandersetzen – u.a. auch mit dem von ECE gemanagten Umbau des dortigen Schlosses.


Der Artikel zeigt deutlich die Strukturen der Raumvernichtung, an der auch eitle Politiker und andere Entscheidungsträger nicht unschuldig sind – und die inzwischen über die Einkaufzentren hinausgeht.

Denn die Center besetzen nicht allein die geografische Mitte der Stadt – sie verändern sie so. Sie sind steingewordene Politik. Sie machen variablen öffentlichen Raum zu weitgehend uniformem privatem Raum; es gilt nicht mehr was die Stadt will, es gilt was der Eigentümer oder der Vermieter will. (R. Frenkel, ähnliche Argumente vertritt auch Hanno Rauterberg im zweiten Artikel)

Jens Jessen hat bereits Anfang des Jahres in der ZEIT eine ähnliche Tendenz festgestellt – hier waren es allerdings die neu benannten Fußballstadien, die dem Bürger den Raum entziehen: “Nicht mehr Herr im eigenen Haus”

Tatsächlich haben HSV und AOL jeden einzelnen Bürger zur Leistung einer Gehirnwäsche, zur Tilgung und Neucodierung seines persönlichen Stadtlexikons verpflichtet. Wäre nicht der Staat aufgerufen, das öffentliche Gut der freien Rede gegen die räuberische Privatisierung zu verteidigen?

Wie solche Auseinandersetzungen über den öffentlichen Raum aussehen können hat der Wiesbadener Kunstsommer (Wo bitte geht’s zum Öffentlichen? – Bericht im Blog) gezeigt, wo es neben Kunstwerken und deren Zerstörung vor allem eine heftige Diskussion darüber gab, was Öffentlichkeit ist und was sie darf. Der Katalog mit Artikeln und Kunstwerken erscheint demnächst.

Es geht bei dieser Auseinandersetzung darum, wer jetzt und in der Zukunft den öffentlichen Raum definieren und somit kontrollieren wird. Fast könnte man meinen eine “öffentliche Videoüberwachung” schaffe immerhin rhetorisch einen solchen Raum – mit einem solchen Argument ist allerdings Vorsicht geboten! Ganz so einfach ist das nicht. Es zeigt aber das der Staat und seine Bürger bzw. ihre Aktivitäten die einzigen Garanten für einen öffentlichen Raum sein können. Private Unternehmen, die sich diesen aneignen sind es nicht. Die Idee der Business Improvement Districts, die aus England hierhergekommen ist, ist deshalb auch mit Vorsicht zu betrachten. Behörden finden das zwar alles ganz klasse, letztlich findet aber auch hier ein Teilverkauf öffentlicher Interessen statt.

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