Rezension: Supervison

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Gilliom, John; Monahan, Torin: SuperVision: An Introduction to the Surveillance Society (2013), Chicago/London: University of Chicago Press.

von Simon Egbert, Hamburg

Wie es der Untertitel des Buches bereits verrät, handelt es sich bei der Schrift von John Gilliom und Torin Monahan um eine Einführung. Dass man also als Leser_in keine theoretisch aufwändig flankierte und konsequent selbstreflexive Darstellung erwarten kann, machen die Autoren bereits zu Anfang klar: das Buch wurde nicht für die scientific community geschrieben, sondern für Studierende und interessierte Laien. Einige ihrer akademischen Kolleg_innen, so die zusätzliche Warnung, könne dieses Buch durchaus frustrieren (VIII). Ziel sei es vielmehr, Fachfremde in die Welt der Überwachung einzuführen (und eben nicht, so denkt man hinterher, in die surveillance studies) und anhand der Darstellung besonders alltagsrelevanter Überwachungstechniken ein gedankliches und begriffliches Instrumentarium bereitzustellen, die moderne Überwachungsgesellschaft, insbesondere in ihren sozialen Implikationen, zu verstehen und kritisch zu hinterfragen (VII).

Überwachung, so das Autorengespann, sei zu verstehen als Beobachtung von Personen mit dem Ziel, deren Verhalten zu steuern und regulieren (2). Und da beinahe alle gesellschaftlichen Bereiche diese Form des systematischen Beobachtens beinhalten, lebten wir in einer ‘surveillance society’ (ebd.). Diese Gesellschaftsdiagnose dient für den weiteren Verlauf des Buchs als Ausgangspunkt, als besonders relevant erachtete gesellschaftlichen Felder gesondert hervorzuheben und hinsichtlich ihrer Überwachungspraktiken, der daran beteiligten Akteure und stets mit Blick auf die jeweiligen sozialen Folgen, vornehmlich deskriptiv zu thematisieren. Die Auswahl der dargestellten Kontexte folgt der Maxime, dass sie möglichst alltagsrelevant für den (amerikanischen) Durchschnittsbürger sein sollen. Vorgestellt werden demnach die Überwachungstechnologien bzw. -felder Mobiltelefone (Kapitel 1), Kredit- und EC-Karten (Kapitel 2), das Internet mit seinen Big Players Facebook und Google (Apple wurde wohl vergessen!) (Kapitel 3), sowie die Kontexte Schule (Kapitel 4), Arbeitsplatz (Kapitel 5) und Sicherheitssysteme in Flughäfen und Städten (Kapitel 6). Im Zuge dessen wird veranschaulicht, wie die fortschreitende technologische Entwicklung die kontinuierliche Ausbreitung des Sicherheitsnetzes fördert, auf welchen Weise diese Prozesses als in kapitalistische Verwertungszusammenhänge eingewoben zu denken sind und warum es nicht der allmächtige Staat im Sinne eines ‘Big Brothers’ ist, der für die allgegenwärtigen Überwachungspraktiken verantwortlich ist, vielmehr von einer Vielzahl an Beobachtern auszugehen ist.

Eine „general introduction to the growing field of surveillance studies“ (Buchrücken; Hervorh. d. Verf.) ist dieses Buch sicherlich nicht, dafür geht es zu sehr um eine deskriptive Darstellung der Überwachungsgesellschaft in ihren typischen Ausprägungen und zu wenig um eine theoretische Einbettung in entsprechende Gedankenentwürfe, was sich auch daran zeigt, dass mit Querverweisen zu einschlägigen wissenschaftlichen Arbeiten recht sparsam umgegangen wird. Gerade deshalb scheint es fraglich, ob diese Schrift eine annehmbare Einführung für Studierende darstellt oder doch eher – im Sinne einer Datenschutzbeauftragten-Broschüre – einer Handreichung zu den Kehrseiten und Eigenheiten moderner Überwachung gleicht. Zugegeben: die Sektion mit weiterführender Literatur umfasst zumindest die wichtigsten Werke und ist sinnigerweise thematisch unterteilt, doch diese Informationen kann man auch an anderer Stelle recherchieren und die Bezüge reichen nicht über den Kern der ‘surveillance studies’ hinaus, komplementäre Entwürfe anderer Denkschulen und Disziplinen (z.B. Techniksoziologie, Ethnologie) bleiben gänzlich außen vor.

Gerade im Hinblick auf die Zielsetzung des Buchs und das entsprechend anvisierte Publikum, hätte man sich wünschen können, dass die Autoren die soziale Relativität von (Sicherheits-)Risiken klarer pointieren und im Zuge dessen deutlicher hervorheben, dass nichts von sich aus ein Sicherheitsproblem ist und es stets perspektivisch-interpretativ begründet ist, was, warum und auf welche Weise präventiv bekämpft werden sollte.

Bemerkenswert ist demgegenüber, mit welcher Konsequenz die Autoren ihren Überwachungsverständnis auch auf klassische Institutionen beziehen, wie z.B. auf den Schulkontext. Schulen seien so stark von Überwachungspraktiken durchzogen, dass sie als grundsätzlich durch diese definiert gekennzeichnet werden können (73). Ebenso ist es erwähnenswert, in welcher nachhaltigen Form die Autoren betonen, dass Überwachung eben nicht nur passive Beobachtung ist, sondern ein produktiver Prozess, der die Welt in der wir leben verändert und die Selbstwahrnehmung der Akteure modifizieren kann bzw. genau dies intendiert (83f, 133f). Eine letzte Auffälligkeit ist die kontinuierliche Reflexion des oft technischen Charakters von Überwachung und das Aufwerfen entsprechender Probleme. So wird beispielsweise hervorgehoben, dass technische Sicherheitssysteme eingebaute Vorurteile besitzen und sie keineswegs als neutrale Alternativen zu menschlichen Screeningverfahren gesehen werden können (111). In diesem Zusammenhang hätte man sich – trotz des dezidiert atheoretischen Charakters des Textes – eine gedankliche Fundierung dieser These indessen schon gewünscht (und sei es nur ein kurzer Hinweis auf die Techniksoziologie).

Simon Egbert, Hamburg

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