Die Herausgeber eines geplanten Heftes der Zeitschrift Behemoth – A Journal on Civilisation, haben folgenden Call for papers für Heft 01/2014 herausgegeben: Resilienz
Die Herausgeber bitten in einem ersten Schritt um die Einsendung kurzer Abstracts (ca. 1?2 Seite) bis zum 15. Dezember 2013 an stefan.kaufmann@soziologie.uni-freiburg.de.
Die Ru?ckmeldungen erfolgen zeitnah. Wer aufgefordert wird, einen Beitrag einzureichen, wird gebeten, diesen unter Verwendung des Behemoth-Style-sheets (http://www.behemoth-journal.de/style-sheet/) bis zum 1. April 2014 an die oben genannte Mailadresse zu senden. Der Begutachtungsprozess (externe Begutachtung im Peer Review-Verfahren) und die abschließende U?berarbeitung sollen bis zum 15. Mai 2014 erfolgen. Die Vero?ffentlichung ist fu?r Juni 2014 geplant.
cfp
Resilienz antwortet auf die zeitdiagnostische Thematisierung einer generellen Verwundbarkeit moderner Gesellschaften. In einem Zeitalter ungewisser Entwicklungen und beschleunigter Transformation reicht demnach Prävention, die danach strebt, das Eintreten künftiger Schadensereignisse zu verhindern, nicht mehr aus. Neben klassische Präventionsanstrengungen tritt zunehmend eine Strategie der Resilienz, in deren Zentrum die Minimierung der Folgewirkungen von negativen Ereignissen und Entwicklungen steht, die sich nicht verhindern lassen. Bereits im Rahmen der von der UN ausgerufenen Internationalen Dekade zur Reduzierung von Naturkatastrophen in den 1990er Jahren wurde Resilienz als programmatische Leitlinie empfohlen, um die Sicherheit von Individuen, Gemeinden, Infrastrukturen, Schulen, Hospitälern und ganzen Gesellschaften zu erhöhen. Seit der Jahrtausendwende wird das Paradigma nicht mehr nur im Bereich des Katastrophenschutzes, sondern für weitere Ebenen nationaler Sicherheit propagiert und hat sich zunehmend als strategisches Leitbild der Sicherheitsproduktion der Gegenwart etabliert.
Resilienz ist ein in vielen Disziplinen verankertes Konzept; entsprechend vielfältig, mitunter auch widersprüchlich fallen die Definitionen aus. Allgemein gesprochen bezeichnet Resilienz (lateinisch resilire ‚zurückspringen‘, ‚abprallen‘) die Widerstandsfähigkeit eines Systems gegenüber internen Störungen wie auch widrigen Umwelteinflüssen. Ausgehend von der Ökologiedebatte wurde das Konzept auf sozial-ökologische Systeme ausgedehnt, um schließlich in mehr oder weniger metaphorischer Weise für Flexibilität, Anpassungsfähigkeit oder Regenerationsfähigkeit von technischen, ökologischen oder sozialen Systemen überhaupt zu stehen.
Einerseits scheint Resilienz als Schlagwort inzwischen allgegenwärtig, andererseits hat – zumindest in der deutschsprachigen Diskussion – eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Konzept und seinen Implikationen noch kaum begonnen. Das Themenheft will die Breite gegenwärtiger Anwendungsfelder, Thematisierungen von und Bezugnahmen auf Resilienz abbilden und die interpretative Flexibilität des Konzepts herausarbeiten. Hierzu sollen zum einen Diskursstränge unterschiedlicher Disziplinen wie auch anwendungsbezogener policy-Debatten aufgenommen und miteinander in Bezug gesetzt werden. Wie wird das Konzept der Resilienz in unterschiedlichen Disziplinen und Anwendungsfeldern – von der Ökonomie über die Ökologie und die Ingenieurswissenschaften bis hin zur Stadtplanung und der Katastrophenvorsorge – verhandelt? Welche Gemeinsamkeiten lassen sich ungeachtet der Heterogenität der Felder feststellen? Gibt es andererseits etwas wie eine Eigenlogik der Resilienz in einzelnen Feldern? Über eine solche Bestandsaufnahme hinaus will das Themenheft zum anderen einen Anschluss an die internationale Theoriediskussion um Resilienz herstellen. Im Zentrum soll dabei nicht zuletzt eine Konturierung von Resilienz als Leitbild im Vergleich mit und in Abgrenzung zu alternativen Konzepten im Bereich des Risikomanagements und der Gefahrenabwehr bzw. -vorsorge stehen. Inwieweit und in welcher Form mündet die Hinwendung zu Resilienz als Leitorientierung in veränderte Strukturen und Praktiken der Sicherheitsplanung, -organisation, und -produktion?
Erwünscht sind insbesondere Beiträge, die sich – in historischer, systematischer, empirischer wie auch theoretischer Absicht – dem Konzept der Resilienz unter einer der folgenden Blickrichtungen nähern.
- Epistemologie der Resilienz, wissenssoziologische Perspektiven: Welche spezifischen Formen des Wissens bringt Resilienz zur Geltung? In welchen Theorien (z.B. Risikogesellschaft), Begriffen und semantischen Feldern (Risiko, Ungewissheit, Nicht-Wissen, Komplexität, System usw.) wird das Konzept der Resilienz diskursiviert? Welche Metaphern, Narrative und Bildordnungen werden zur Plausibilisierung des Konzepts aufgerufen? Wie lässt sich das Konzept theoretisch einholen und an aktuelle Theoriedebatten z.B. in der Systemtheorie, der Akteur-Netzwerk-Theorie oder den governmentality studies anschließen?
- Ordnungsmodelle, politische Kontexte: Auf welche Bedrohungen der Ordnung antwortet Resilienz? Welche Ordnungsvorstellungen, welche Welt-, Natur- und Menschenbilder werden dabei zum Ausdruck gebracht? Welche Vorstellungen des Politischen/ der Politik und welche Programmatiken und Rationalitäten des Regierens sind mit dem Konzept verknüpft? Wie werden Möglichkeiten der Partizipation artikuliert? Welche Formen der politischen Kritik von Resilienz gibt es? Welche normativen und rechtstheoretischen Implikationen sind in Programmatiken einer resilienten Gesellschaft oder Gemeinschaft, einer resilienten Organisation eingelassen?
- Ambivalenzen/ Spannungsfelder des Resilienzkonzepts: Wie lässt das Konzept im Kontext von Diskussionen um das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit verorten? Wie verändert sich im Zeichen von Resilienz die Zuschreibung von Aufgaben und Verantwortung im Verhältnis von Staat, Wirtschaft und Bevölkerung/ Individuen? Welche Zielvorstellungen, zwischen Stabilisierung des status quo einerseits, Flexibilität und Wandel in Permanenz andererseits, werden mit Resilienzkonzepten verbunden? Welche Anrufungen zwischen Responsibilisierung und empowerment werden an Subjekte gerichtet?
- Handlungsprogramme und Praktiken von Resilienz: Mithilfe welcher konkreten Technologien, Modellierungen und Maßnahmen soll Resilienz in je spezifischen Anwendungskontexten hergestellt oder gestärkt werden? Wie und durch welche Verfahren und Kriterien lässt sich der Erfolg derartiger Interventionen empirisch bestimmen, messen und bewerten? Welche rechtlichen Fragen werden mit der technischen und organisatorischen Rekonfiguration von Sicherheitsregimen unter dem Leitbild der Resilienz aufgeworfen? Diese Fragen können gerne auch in empirischen Fallstudien verhandelt und aufgezeigt werden.