Eine Stellungnahme zu Artikel in der Taz, 26/27.2.2022

Leserbrief / Entgegnung auf Artikel „Sie wollen nur reden“, Taz vom 26.2.2022, S. 48/49 sowie den dazugehörigen Aufmacher auf S. 45 (letzterer nur in der Printversion)

Aus gegebenem Anlass habe ich einen Leserbrief bzw. Stellungnahme zun dem obigen Artikel und dem in der Printausgabe dazugehörigen Aufmacher geschrieben und an die Taz geschickt. Das war Sonntag, 27.2.2022. Noch habe ich keine Antwort bekommen. Daher nun dieser Text hier.

Inzwischen würde ich ihn noch anders schreiben, aber so steht er nun mal. Weiters dazu kann ja noch kommen.

Liebe Taz,

ich freue mich sehr, dass die von mir wissenschaftlich geleitete Forschungsstelle Teil der Berichterstattung in der Taz ist. Und auch, dass die von FOSPOL initiierte Studie zur Konfliktdynamik an der Balduintreppe Objekt der Berichterstattung sowie der Diskussionen im Stadtteil ist. Allerdings ärgere ich mich über diese Berichterstattung, die wichtige Fakten auslässt und mit irreführenden Überschriften aufwartet, die dazu angetan sind den Kontext der Forschung zu verfälschen.

So heißt es im Aufmacher auf S. 45 gleich „die Polizei zieht Samdhandschuhe an“. Und weiter werden mit dem Hinweis auf eine vermeintliche Charmeoffensive und der Annahme, dass mit dem geplanten Dialogformat mehr Verständnis für die Arbeit der Taskforce Drogen erzielt werden soll, gleich mehrere Falschannahmen zur Grundlage der Berichterstattung erhoben.

Richtig ist, dass die Studie nicht „von der Polizei“ in Auftrag gegeben wurde, sondern von der Forschungsstelle für strategische Polizeiforschung, situiert an der Akademie der Polizei Hamburg, eingerichtet auf Beschluss der Bürgerschaft und ausgestattet mit dem Mandat freier Forschung. Wir sind weder weisungsgebunden noch agieren wir im Auftrag der Polizei, auch wenn wir organisatorisch dort angebunden sind. Die Idee zur Konfliktanalyse war unsere allein.

Dass wir Racial Profiling in der Studie, auch dieser Vorwurf im Aufmacher, nicht in Frage stellen würden, kann anhand der Studie überhaupt nicht gezeigt werden. Richtig ist, dass die Studie diesen Fokus nicht hatte und das klar und nachvollziehbar begründet. Nun kann man über Studien immer streiten, dass ist auch Sinn von Wissenschaft. Doch aus dem unerfüllten Wunsch nach einer „Rassismus-Studie“, den Vorwurf zu konstruieren, dass das Thema für nicht wichtig erachtet worden sei, ist leider am Thema vorbei. Und es ist eine bewusste falsche Behauptung, denn die Wichtigkeit des Themas wird in der Studie auf S. 4 explizit benannt. Nur wollte die Studie mit einem anderen Blick an den Konflikt insgesamt herangehen.

Dass die linke Szene vor Ort skeptisch ist und dem geplanten Dialogformat kritisch gegenübersteht ist ihr gutes Recht. Die Annahme allerdings, dass die Polizei mit dem Format für ihre Arbeit werben will, ist nicht zutreffend. Ebenso stimmt der Vorwurf nicht, dass hier von politischer Seite irgendetwas versucht wird. Das geplante Pilotprojekt ist ein wissenschaftliches Projekt, die Polizei ist dort ebenso Gast wie Anwohner:innen, Betroffene oder Aktivist:innen im Stadtteil, die alle eingeladen sind, teilzunehmen. Leider verweigern einige Initiativen, schon vor den geplanten Seminaren, mit Dr. Maurer zu sprechen. Wichtige Themen, mit denen wir die Polizei gern auf eine konstruktive Weise konfrontieren und dafür sensibilisieren würden – wie zum Beispiel die Erfahrungen mit Kontrollen dunkelhäutiger Menschen – können nur thematisiert werden, wenn Aktivist:innen und Betroffene sich in einen Dialog einbringen. Leider werden aber Gesprächsangebote von Seiten Dr. Maurers abgelehnt oder schlicht nicht beantwortet.

Ich würde mich gern konstruktiv mit den Kritiker:innen auseinandersetzen und diskutieren. Wir betreiben Wissenschaft, bei der wir die Akteure in Teilen mitnehmen und mitgestalten lassen wollen. Die Studie ist kein Beweis für irgendwas, sondern eine Analyse eines Konfliktes. Es ist ein Anfang für eine Auseinandersetzung über sehr viele Aspekte, die in diesem Konflikt eine Rolle spielen. Der Vorwurf des Racial Profiling spielt dabei eine Rolle, wie auch andere Vorwürfe, bestimmte polizeiliche Praktiken, sowie das Erleben der Anwohner:innen und die Wünsche der Aktivist:innen. Schade, dass die Chance von einigen nicht ergriffen wird, sondern pauschal mit Argwohn abgewehrt wird. Ob man Plakate dazu aufhängen muss, die ganz bestimmt auch einen sozialen Druck erzeugen können, ist nicht an mir zu beurteilen. Mein Weg wäre es nicht.

Vielleicht gelingt ja noch eine Diskussion, eine Suche nach gemeinsamen Sichtweisen, nach Ansatzpunkten bezüglich der vielfältigen Probleme in dem Stadtteil, die ganz ohne Zweifel vorhanden sind und in der Studie auch genannt werden. Ich bin nach wie vor überzeugt davon, dass, wie von Dr. Maurer vorgeschlagen, die Förderung eines längst überfälligen Dialogs wichtig zur Konfliktbearbeitung ist. Mit Frau Dr. Maurer haben wir eine erfahrene (linke) Wissenschaftlerin mit reicher Expertise in den Themen Reformen des Sicherheitssektors, Demokratisierung der Polizei sowie in der Friedens- und Konfliktforschung mit der Entwicklung dieses Formats betraut. Es war also mitnichten die Idee der Polizei, solche Gespräche durchzuführen.

mit besten Grüßen

Prof. Dr. Nils Zurawski

ps. Dr. Nadja Maurer hat bei Criminologia ihrerseits eine Stellungnahme geschrieben, die ebenfalls darauf Bezug nimmt und in der sie sich auch zu den implizit gemachten Vorwürfen gegen ihre Person positioniert.

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