Narkose, Traum, Erinnerung

2015, Nils Zurawski

Das Aufwachen in einem Aufwachraum ist fast noch der halbe Traum. Das Gehirn hat noch nicht die Schärfe, aber man sieht dennoch alles ganz genau. Es blinkt, in meiner Hand steckt ein Schlauch, mein Bein in einem Verband. Wie spät ist es? Die Uhr an der Wand zeigt 15.10 Uhr. Eine gute Stunde ohne Erinnerung. Es war kurz vor zwei als die Schwester mir die Wange streichelte mit einem Finger – atmen sie tief ein und aus, wir erhöhen die Sauerstoffkonzentration im Blut (warum auch immer, aber warum auch nicht.). Dann lief mir das Narkosemittel kalt durch den Arm. Ungewöhnlich Kälte von innen zu spüren, in den Adern, den sonst so hermetisch versiegelten Schläuchen im Inneren meines Körpers. Nur durch dünne Haut getrennt, aber doch unerreichbar. Dann spüre ich ein wohliges Gefühl und glaube, dass die Narkose nicht wirkt. Tut sie aber.

Festgebunden bin ich auf dem OP-Tisch, der mich an eine dieser Hinrichtungsvorrichtungen in den USA erinnert, wo sie die Todeskandidaten mit der Giftspritze umbringen, ermorden. Da das nicht so klappt wie eine Narkose und der Todeskampf teilweise Stunden dauert, hören immer mehr Staaten damit auf. Ich wache aber wieder auf. Benommen und klar zu gleich. Der Narkoseschwester will ich noch danken, gleich danach, so angenehm hat sie mir die Nervosität genommen, will sie beschenken. Sie tut doch nur ihre Arbeit – aber auch die kann man gut und schlecht machen. Danken will ich ihr immer noch, aber nicht mehr beschenken. Die Lampen, die Stimmen, Menschen, Geräte und die Atmosphäre im Keller der OP-Säle sind in meinem Kopf. Ein Raum, eine Atmosphäre, jeden Schritt kann ich abgehen, nachvollziehen. Nur die Intensität schwindet fast minütlich. Bald ist es nur eine OP – zu sehen an meinem Knie, neue Löcher, neue Narben, weniger Schmerzen.