Flughafen – Warten, Gehen.

2013, Nils Zurawski

Februar 2013, Flughafen – LHX, Terminal 5

Gebeugter Gang, Daunenjacke, schwere Tasche über dem Arm. Schaut sich um, Kopf gesenkt.

Zwei Asiatinnen mit verhüllten Nasen und Mündern, sehen aus wie in einem Krankenhaus – als wenn wir SARS hätten oder im Terminal 5 mitten in einer Stadt mit Smog uns bewegen würden. Eher zu frisch die Luft hier. Sitzen auf den Wartestühlen und studieren die Bordkarten oder Stadtpläne oder ähnliches. Von hier aus kann ich es schlecht erkennen.

Blonde Frau, hohe Stiefel, Stilettos, edel angezogen, schwarze Stumpfhosen, grauer Rock, zwischen 30 und 40 vielleicht älter, zieht einen kleinen schwarzen Rollkoffer – Geschäftsfrau würde ich annehmen.

Junger Mann, Locken, T-Shirt und eine Daunenweste, grau-rot schlurft die Fensterfront entlang, schaut dümmlich drein

Mann, Kaffee in der Hand, geht vorsichtig, könnte den Kaffee verschütten, hat es aber wohl auch nicht eilig – anders als die beiden Schatten die beide an mir vorbeigerannt sind – ein Mann und eine Frau, die Köpfe nach oben gereckt auf die Anzeigetafeln gerichtet.

Kind mit Bruder oder Schwester auf dem Rücken. Der Vater geht voran. Eher jung, trendy angezogen, die Kinder haben Kapuzenpullover an, ihre Köpfe sieht man kaum.

Rollkoffer, mit türkisen Streifen
Rollkoffer, oliv, petrolgrün, großer Reißverschluss auf dem Rücken
Rollkoffer, knallrot, Plastikschale, 4 Räder, wird eilig geschoben
zwei Rollkoffer, langweilig, klassisch, schwarz, eher billig

Mann mit zwei schweren Taschen und einem Rucksack, die ihm alle immer von den Schultern rutschen. Seine Schultern und Arme sind ständig in Bewegung, der Körper dreht sich und er geht dadurch immer schneller, bevor die Schwerkraft die Taschen zu Boden zieht.

Mädchen hinter mir, knallpinke Wollmütze, schneeweiße Kopfhörer, sieht sich etwas an, dass wie ein Test aussieht, dunkler Schal, Winterjacke mit Fellkapuze, Nike-Turnschuhe in bunt, diverse Tüten neben ihr auf dem Stuhl

Großeltern mit Kind, die Frau geht vor, der Mann folgt mit einigem Abstand und trägt die Tasche, während die Frau das Kleinkind, vielleicht 3 Jahre alt, an der Hand hält. Das Kind tanzt herum und würde wohl am liebsten allein und irgendwo hinlaufen.

Mann in Uniform, Pakistani oder Inder, graue schmale Hose, blütenweißes Hemd mit Schulterklappen, gerader Körper, gehobener Blick, ein Ausweis an der Hosentasche

Zwei Flugkapitäne in dunkelblauen Uniformen und goldenen Abzeichen auf den Schulterklappen. Sie tragen schwere Koffer, in denen die ganze Verantwortung für ihre Passagiere zu liegen scheinen. Ihr Gang wackelt, da sie unstabil gehen, wegen des Gewichtes der Taschen.

Rollkoffer, weinrot, langweilig
Rollkoffer, schwarz mit brauen, Lederapplikationen, auf Antik gemacht, wahrscheinlich nagelneu.
Rollrucksack, schwarz, zusammengefallen, da nicht stabil und genug bepackt.
Flacher Rollkoffer, kaum etwas drin – wozu dann einen Koffer, zu faul zu tragen?

Mann mit grauem Schnauzbart und dunkler Mütze. Er zieht einen Rollkoffer, der zusätzlich beladen ist mit einer Tasche und obendrauf einer Plastiktüte. Der Gang wackelt und der Koffer gerät aus der Bahn, fast!

Großeltern mit dem Jungen kommen wieder bei mir vorbei. Tragen beide Vließ, jeder der Erwachsenen einen Rücksack in komplementären Farben. Sie gehen nun zusammen. Der Junge ist immer noch an der Hand der Frau, hängt aber immer noch zurück und lässt sich ziehen.

Weites T-Shirt, enge Leggings, eine kleine Tasche um den Körper gelegt, die vorn auf den Oberschenkeln aufliegt. eine Plastiktüte in der Hand. Pechschwarze Haare, Mitte 20, gelangweilter Blick. Flughafen könnte durchaus aufregender sein.

Pinke Jacke an einer Frau Mitte 50, sie stützt sich auf ihren Vollplastik Rollkoffer, der auf 4 Rädern wie ihr Rollator wirkt. Darauf sind noch Tüten von den Einkäufen gestapelt. Ohne Koffer würde sie wohl zusammenbrechen.

Schwarze Frau mit riesigen Haaren und zwei Kindern. Das größere Kind hat einen Rollkoffer in pink-bunt – ebenso die Mutter, die das jüngere Kind an der anderen Hand führt. Sie trägt schwarz-weiß gestreifte Hosen, die Kinder kleine geflochtene Locken, die mit bunten Haarbändern zusammengehalten werden und an den Kopf geknallt wurden. Welche ein Kontrast zu den wilden, riesigen Locken der Frau.

Pärchen, schwarze Koffer, schwarze Kleidung, graue Mäntel, sie schwarzen großen Hut.

Moppeliges Kind, Teenager, kann ohne seine fehlenden Schnürsenkel nicht richtig gehen und es sieht aus als hätte er weder Knie, die funktionieren würden, noch Fußgelenke. Die Schuhe würden ihm sonst abfallen von den Füßen. Dafür sitzt die Hose richtig und nicht unterm Hintern.

Blondes Mädchen mit Löwenmähne, Rock und Wildlederstiefeln, schaut selbstbewusst durch die Halle, sucht nichts, geht nur. Die Jacke schlackert um ihren Körper, nicht dünn, markantes Gesicht.

Knallpinke Tasche aus Lederimitat
Rosa Rucksack
Rosa-lila Vlies auf rotem Kleid
Lila Rucksack, pinkes Kleid der Puppe
Pinke Turnschuhe

Kleiner Mann mit runden Bauch und knallrotem Pullover, schleppt eine hellbraune Ledertasche. Gut angezogen, Chinos, Lambswoolpullover, leicht gebeugter Gang. Irrer Bauch, der fast nicht mehr zum Körper gehört. Der Rest ist gar nicht dick.

Eine halbe Stunde aus dem Strom der Menschen am Flughafen – unendliche Variationen menschlicher Erscheinungen im Strom eines Ortes, der vor allem Warten bedeutet, obwohl er Mobilität verspricht.

Später am Gate. Wieder warten wir, die Rollkoffer, Rucksäcke und einfarbigen Taschen. Handies und Smartphones werden gezückt. Ein Wisch hier und einer dort. Die Finger spreizen sich über dem Bildschirm, ständig sind die Finger in Aktion, unruhig, nervös, suchend, immer in Bewegung – während alle und alles wartet. Telefonate werden geführt.

„Schatz, gleich fliegen wir ab“
„In London“
„Cool, deal, next Saturday, New York, I love you“
„Was machen die Kinder?“
„Oui! Bis nach‘er.“

Hamburg. Schweigend nehmen alle ihre Koffer, warten auf den richtigen, selten einfach zu erkennen, meisten schwarz, selten farbig, höchstens pink, dann aus einer festen Plastikschale. Einer nach dem anderen verlässt das Gebäude. Endlich nicht mehr warten, sondern gehen, nach Hause, wo endlich Ruhe ist. Bis zum nächsten Mal.