Flug (Monolog 1)

2012, Nils Zurawski

Im Flugzeuggang drängelten sich die Passagiere auf ihre Plätze. Ich saß bereits, machte es mir bequem. Ich saß in der Mitte, eine spröde aussehende Frau neben mir, die sich als sehr freundlich herausstellen sollte. Hinter mir waren die Leute noch nicht so weit. Überall wurde gesprochen.

„Entschuldigung“ – „….könnte ich mal durch…“ – „Danke“ – „….soll ihnen etwas abnehmen..“

Auch in der Reihe hinter mir entspann sich eine Konversation.

Mann: „Kann ich mal kurz meine Sachen hier ablegen?“

Frau: „Aber klar.“

Mann: ich bin auch gleich soweit…

Frau (zögernd): Reiner…?!

Mann: Ja!…… Katrin!?!

Frau: Reiner!

Mann: Katrin. Ich habe dich gar nicht erkannt. Was für ein Zufall. Fliegst du auch zurück?

Frau: Ja nach Hamburg.

Mann: Wie geht es Dir?

Frau: Gut

Mann: Bist du noch oft in Frankfurt?

Frau: So alle zwei Wochen auf jeden Fall. Das geht gar nicht anders. Die Basis habe ich aber in Hamburg.

Mann: Wann haben wir uns zuletzt gesehen? Das war doch auf der Party von Jürgen, oder?

Frau: Ich glaube. Wie geht es dir?

Mann: Das muss ich Olu erzählen, dass ich dich hier treffe. Uns geht es gut. Leider sehen wir uns viel zu selten, oder?

Frau: Ja die Parties damals – da sah man sich öfter. Bist du geschäftlich unterwegs?

Mann: Frankfurt, immer wieder Frankfurt. Seitdem ich die neue Stelle habe, bin ich viel mehr unterwegs als früher. Olu ist mit den Kindern in Hamburg, Das geht dann ja immer noch. Frankfurt ist ja auch nicht so weit weg. Aber es ist doch ganz schön stressig. Ich bin ja jetzt Gruppenleiter für eine internationale Firma. Meine Chefs sitzen in Frankfurt, da muss ich dann ab und zu mal hin. Ansonsten kann ich mir in Hamburg das ganz gut einteilen mit der Arbeit. Das ist nicht zu stressig. Aber Olu ist ja auch noch zu Hause. … Mann, dass ist ja eine Sache, dich hier zu treffen. Was macht dein Job?

Frau: Ich bin immer noch in Sachen Mode unterwegs für die Hamburger. Die Redaktion ist am Hafen, einmal in der Woche bin ich in Frankfurt. Frank arbeitet in Hamburg, das geht gut so. Ich habe alle Freiheiten.

Mann: Mann ist das toll, dich zu treffen. Dieses Reisen strengt doch ganz gut an. Ich bin immer froh wenn ich zu Hause bin. Wohnst du noch in der alten Gegend?

Frau: Wir haben noch die schöne Wohnung in Eppendorf, die ist groß und inzwischen wohnen wir schon so lange da, da ist auch die Miete kein Thema.

Mann: Siehst du die anderen noch, so ein paar von früher? Kathrin und Thomas haben sich ja wohl getrennt, wie ich gehört habe.

Frau: Ich glaube, ja.

Mann: Dann sieht man die ja auch nicht mehr so oft. Die Parties bei denen waren immer ganz gut. Aber Maja und Stefan wollen heiraten – die Einladung kam erst kürzlich. Bist du auch eingeladen?

Frau: Ja, das hat mich auch sehr gefreut.

Mann: Dann sehen wir uns da ja bald wieder. Das ist schön. Das muss ich Olu sagen. Die hält bei uns alles zusammen, Termine , Familie und so. Ich bin so eingespannt oft, da bleibt mir keine Zeit mehr für diese Dinge. Aber so eine Hochzeit ist klasse, da sieht man all die alten Nasen mal wieder. Viel zu selten sind solche Events jetzt geworden. Jeder macht so sein Ding und einige haben ja auch Kinder, da bleibt dann nicht mehr viel Zeit.

Frau: Was machen deine denn?

Mann: Max und Merle, Max wird jetzt 2 und Merle ist ja schon 6, ein tolles Alter.Die machen richtig Spaß´. Wenn ich gleich nach Hause komme, naja, das dauert ja noch ein bisschen, vom Flughafen ist es noch mal eine gute dreiviertel Stunde bis nach Bergstedt, dann sind die schon fast im Bett. Normalerweise komme ich so um sieben nach Hause, dann gibt es gerade Abendbrot. Aber da nehme ich mir immer noch die Zeit. Dieses ganze Karriereding habe ich nicht mehr so im Kopf. Ich bin zufrieden mit dem Job, große Karriere mache ich da nicht mehr, fünf Leute habe ich unter mir, aber das ist auch ok, so bleibt mehr Zeit für die Familie. Wir haben vor zwei Jahren gekauft, in Bergstedt. Ein schönes Haus, das haben wir ein bisschen renoviert. Mit der U-Bahn ist es nur eine halbe Stunde in die Stadt, das geht dann morgens und abends immer ganz gut. Wir haben jetzt einen großen Garten. Olu tut das ganz gut. Sie arbeitet jetzt wieder ein paar Stunden in der Woche, so damit sie nicht ganz raus kommt. Aber so ganz oder auch nur halbtags geht das noch nicht mit dem Kleinen. Du kannst dein Kind ja nicht nur abgeben, damit du arbeiten gehen kannst. Und im Moment können wir uns das auch noch leisten. Die Kinder finden das auch besser. Und im Grünen zu sein. Bergstedt ist ganz nett. Olu hat dort alles, alle Einkaufsmöglichkeiten. Und sonst kann sie mit dem Auto ja auch mal in die Stadt fahren. Manchmal trifft sie sich mit Martina, die hat jetzt auch Kinder. Martina ist die alte Freundin von Olu, die früher mit Jens mal zusammen war, du weißt doch, der dann nach Mallorca gegangen ist? Danach war ja lange Ebbe bei ihr, jetzt ist sie mit Christian zusammen, der arbeitet im Verkauf für eine englische Firma. Die haben auch gekauft in den Walddörfern. Ganz in der Nähe. Das ist schön für Olu, da ist sie tagsüber nicht so allein. So geht das, das Leben geht immer weiter.

Frau: Ja, ganz schön schnell.

Mann: Neulich waren wir mal allein aus und sind dann auch durch die alte Gegend geschlendert. Da hat sich auch viel verändert. Am Kaifu entlang, da am Park, die Bismarckstraße entlang und überhaupt Eimsbüttel. Das war eine schöne Zeit. Die Parties mit den alten Leuten waren doch die besten. Aber wohnen kann man da ja heute nicht mehr. Und mit Kindern geht das gar nicht, so in der Stadt. Da ist es draußen im Grünen doch viel besser. Sonst sehen die Kleinen ja nur Beton. Und der Verkehr ist viel zu gefährlich. Wir haben uns deswegen auch einen etwas größeren gekauft. Da ist Olu mit den Kindern sicherer und zum Einkaufen ist das auch besser, so ein großes Haus mit Kindern ist schon ganz schön viel Arbeit. Aber zurück in den Job will sie schon. Nur zu Hause sitzen ist auf lange Sicht nichts für sie. Da wird man etwas blöd, oder?

Frau: Ich könnte ohne Arbeit so gar nicht. Wenn ich mir das vorstelle….

Mann: Ja, dass sagt Olu auch immer. Jetzt macht sie ja schon ein paar Stunden, bei ihrem alten Arbeitgeber, das war ja so eine kleine Firma da geht so etwas ja immer ganz gut. Ich hatte mir auch überlegt, ob ich bei Max mal zwei Monate Pause mache, einfach mal entspannen zu Hause und für die Kinder da bin. Aber in meiner Firma sind die alle ein wenig altmodisch, da war das so nicht möglich. Die hatten nichts dagegen, aber so ein wenig Druck wurde auf andere Art gemacht. Und dann sind zwei Monate ja auch nicht so lange, eigentlich zu kurz. Wenn du dich eingewöhnt hast, musst du schon wieder los. Wir haben dann entschieden, dass ich das nicht mache. Es geht auch so. Ich versuche freitags jetzt immer ein wenig früher nach Hause zu kommen, wenn ich nicht gerade in Frankfurt bin. Sonstige Dienstreisen sind eher selten geworden. Das ist auch gut so. Das ist immer viel Stress, oder? Bei dir doch auch, oder?

Frau: Ich fliege eigentlich ganz gern hin und her. Die Abwechslung gefällt mir. Und so bleibe ich auch immer auf dem neuesten Stand, was hier und da so los ist.

Mann: Die Kollegen machen das auch so. Aber bei einigen denke ich ja immer, die wollen nur von zu Hause weg sein. Die jüngeren sind nur am Reisen, arbeiten bis spät in die Nacht und manchmal auch am Wochenende. Die brennen da noch richtig. Aber die werden bestimmt auch noch ruhiger. Das kann kein Mensch auf ewig so weitermachen. Ich will das auch nicht mehr. Ich freu mich schon richtig auf die Landung. Das ist fast schon wie zu Haus sein. Olu und ich kochen dann immer noch gemeinsam am Abend, das entspannt und dabei können wir uns am besten über den Tag und die Woche unterhalten. Endlich Ruhe, wenn die beiden Kindern dann im Bett sind. Merle macht ja jetzt auch schon Klaiverunterricht. Im Herbst kommt sie in die Schule. Die ist schon ganz schön weit. Beim Klavierunterricht sagt das auch ihre Lehrerin. Die kommt immer zu uns. Ich habe extra ein kleines elektrisches Klavier gekauft. So ein richtiges lohnt sich ja noch nicht. Aber wenn sie dabei bleibt, steht das auch bald an. Wenn die Kinder so ein Instrument können, das finde ich ganz wichtig. Dann haben sie später auch ein schönes Hobby. Ich bin ja völlig unmusikalisch, aber Olu hat ja früher auch mal Klavier gespielt, da passt das ganz gut. Der kleine macht noch so genug Lärm, der macht auf allem Musik, was sich im Haus so findet.

Stimme: Sehr geehrte Damen und Herren, wir landen in Kürze in Hamburg, bitte schalten Sie jetzt alle elektronischen Geräte ab, schnallen sie sich an, stellen Sie die Sitzlehnen gerade, klappen sie ihren Tisch zurück und verstauen Sie alles Gepäck wieder in den Fächern über ihnen oder unter dem Sitz vor Ihnen. Und bitte stellen sie das Reden jetzt ebenfalls ein. Wir werden in 15 Minuten in Hamburg landen.

Mann: Mann, das ging ja mal wieder schnell. Und wenn man jemanden zum quatschen hat noch schneller.

Frau: Ja das stimmt.

Mann: Dann sehen wir uns das nächste Mal wohl auf der Hochzeit von Maja und Stefan wieder. Da wird sich Olu freuen. Da haben wir heute Abend ja schön was zum reden.

Frau: Grüße Olu ganz lieb von mir. Ich würde Sie gern mal wieder sehen.

Mann: Ja ihr solltet telefonieren.

Frau: Du hast ja meine Nummer, nicht?

Mann: Klar.

Frau: Dann wünsch ich Dir einen schönen Abend. Grüß schön.

Mann: Du auch. Vielleicht ja mal wieder im Flieger.

Frau: Ja bestimmt.

Mann: Oder bei der Hochzeit.

Frau: Ja. oder da.

Die Passagiere stehen bereits im Gang, drängeln nach draußen. Viele Geschäftsflieger ohne viel Gepäck. Es geht schnell. Der Mann hinter mir geht den Gang runter, ich warte noch, lasse ein paar Leute vor, verabschiede mich von meiner netten Sitznachbarin. Im Blick zur Seite sehe ich wie die Frau hinter mir ihre Sachen packt. Sie ist sitzen geblieben.Im Flughafen nachher, gehen beide getrennte Wege, er holt seinen Koffer, sie geht direkt zum Ausgang. Ich sammele meine Sachen und gehe ebenfalls nach Haus.