Streit um Videoüberwachung in Hamburg

In Hamburg gibt es nach wie vor Streit um die Fortführung und Ausweitung der Videoüberwachung. Dabei sind die Positionen fest verteilt. Der Senat mit Udo Nagel und den CDU-Politikern halten es für einen vollen Erfolg, die Grünen und der Datenschutzbeauftragte sind dagegen, werfen dem Senat Ungenauigkeit und Versagen vor und sorgen sich um die Freiheitsrechte der Bürger. Die SPD will die innere Sicherheit als Kompetenzfeld nicht verlieren und ist mit einem beherztem “ja, aber” dabei. Sie hat insgesamt die schwächsten Argumente und spielt in der Diskussion eigentliche keine entscheidende Rolle.

Bei Hamburg 1 sagt Nagel, dass die Mehrheit für Videoüberwachung sei. Dabei vergisst er zu erwähnen an welche Bedingungen diese Aussagen durch die Bürger geknüpft sind (siehe –> Studie zu Videoüberwachung in Hamburg). Bei solchen Aussagen geht es mir manchmal gehörig auf die Nerven, wie und welche Argumente immer wieder verbreitet werden, zumal der Senat den empirischen Beweis nach wie vor schuldig bleibt und das wohl auch in Zukunft will. Gegen den politischen Willen ist nun einmal nichts zu machen. Selbst einer offenen Diskussion stellt er sich nicht – die oppositionellen Politiker können leider auch nicht aus ihrer politischen Haut und so wird die Ausweitung kommen – und die schwachen und leicht zu entkräftenden Argumente weiterhin und immer wieder von jedem vorgebracht.

Allein Nagels Einwand, es gäbe mehr private Kameras ist ein Fortschritt – aber niemand hat gesagt, dass diese gut und richtig sind. Die rechtliche Lage ist hier allerdings noch viel ungeklärter. Allerdings kann die Masse der privaten Kameras keine Argument für die Einführung öffentlicher Kameras sein.

RFID in Pulverform

Schon ein paar Tage alt aber bemerkenswert im Hinblick auf die Ausweitung der Möglichkeiten von Überwachung: Hitachi entwickelt RFID-Chips kleiner als ein Staubkorn. Bisher ist allerdings noch völlig unklar, zu welchem Zweck so etwas gebraucht werden könnte. Aber es wurde trotzdem schon mal entwickelt.
Zur Befürchtung, dass damit eine technische Möglichkeit einer nahezu unmerklichen Ãœberwachung geschafffen wurde, antwortet der Firmenvertreter lapidar: “We are not imagining such uses.” Na dann ist ja gut.

Google kauft DoubleClick

Nachdem schon einige Wochen über die Übernahme von DoubleClick durch Microsoft oder Google spekuliert wurde, gab Google gestern bekannt, dass die Werbefirma für 3,1 Milliarden Dollar übernommen wird. DoubleClick vermittelt seit den Anfängen des Internets Bannerwerbung und verfolgt über spezielle Cookies die Clickstreams der Nutzer auch über unterschiedliche Webseiten hinweg. 2000 geriet die Firma in die Kritik, weil sie durch die Übernahme der Direktmarketing-Firma Abacus Internetnutzer namentlich identifizieren und individuelle Profile erstellen konnte. Seitdem gibt sich DoubleClick datenschutzbewusst und verzichtet angeblich auf das Tracking personenbezogener Daten. Trotzdem hat Google mit DoubleClick eine der größten verfügbaren Sammlungen von Clickstreams erworben und verfügt nun in Kombination mit den eigenen Daten über ein detailliertes Bild der Internetnutzung als je zuvor.

Stasi 2.0 – oder warum die Ideen so toll klingen und doch so schlecht sind.

Heute wurde im Bundestag das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Ein weiterer Baustein der Kontrolle und Ãœberwachung im Zuge der Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung. Dass Frau Zypries dabei meint, sie würde die Bürgerrechte ausbauen ist fast ein Hohn, aber logisch in ihrer Argumentation. Was für diese bisher neueste Maßnahme gilt, galt auch schon für alle anderen Ideen: Sie klingen toll und die Politiker meinen es in der Regel auch ehrlich, wenn sie sagen, “wir passen auf, dass nichts Unrechtmäßiges damit passiert”. Leider beweisen sie damit nur ihre Naivität und Inkompetenz, indem sie den vielen menschlich-technischen Systemen genau eine Bestimmung zuordnen und nur eine Verwendungsmöglichkeit (dazu auch ein schönes Gespräch zwischen dem Hamburger Senator Udo Nagel und dem Hamburgischen Datenschützer Hartmut Lubomierski im Abendblatt).

Dazu aber ist die Technologie zu komplex, menschliches Handeln zu irrational und die Begehrlichkeiten groß, als das es keine Funktionswanderungen, Missbräuche und Allmachtsphantasien gäbe, die nicht dazu führen würden, das zum einen Fehler sich einschleichen und zum anderen die Nutzung einfach ausgeweitet wird. Und Datenfehler treten auch jetzt schon zig-fach auf – überall dort, wo sie verarbeitet werden. Wenn daran allerdings die Klassifizierung als Terrorist hängt, dann ist es eben bedenklich und daher zu erst einmal kritisch zu sehen. Wozu Allmachtsphantasien führen, zeigt uns Innenminister Schäuble Woche um Woche, wenn er die nächste Sau durchs Dorf jagt – immer mehr, immer neu und immer umfassender soll sie werden, seine Kontrollgesellschaft, gebaut auf einer diffusen Angst, deren tatsächliche Grundlage bald nicht mehr von der von ihm konstruierten Wirklichkeit zu unterscheiden ist.

Die Annahme, das technische Systeme, die durch menschliches Handeln auch noch beeinflussbar sind und die politische Instrumente darstellen, neutral einsetzbar sind, ist unhaltbar und bestenfalls naiv. Da Politiker aber etwas politisch wollen und nicht wissenschaftlich begründet an die Sachen rangehen, wird es auch in Zukunft schief gehen. “Er will doch nur spielen” (ohne die Hundebesitzer pauschal abzuwatschen!!) trifft das wohl am besten – Was aber passiert, wenn ein System aus Technologie, Recht und menschlichem Handeln erstmal in Kraft ist, kann niemand sagen. Daher ist den Anfängen zu wehren und den Politikern auf die Finger zu klopfen bevor es tatsächlich irreversibel wird.

Forderungen und Ergebnisse der EuRat-Studie zu Videoüberwachung

Danke Dietmar für den Hinweis… und damit schon mal ein Eindruck entsteht in welche Richtung die Studie geht, die sehr streng juristisch ausgerichtet ist, hier die Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Autoren der Studie:

Video surveillance of public areas by public authorities or law enforcement agencies can constitute an undeniable threat to fundamental rights such as the right to privacy and the right of respect for his or her private life, home and correspondence, his/her right to freedom of movement and his/her right to benefit from specific protection regarding personal data collected by such surveillance. 80. Whilst individuals have a reduced privacy expectation in public places, this does not mean that they waive those fundamental rights.

Given the high level of sophistication of CCTV, it is recommended that specific regulations should be enacted at both international and national level in order to cover the specific issue of video surveillance by public authorities of public areas as a limitation of the right to privacy.

…. ob das irgendeinen Politiker beeindrucken wird, der unbedingt die Videoüberwachung haben möchte – da bin ich mir nicht sicher. Es ist ein politisches Instrument und hat nur am Rande mit Kriminalitäts- oder gar Terrorbekämpfung zu tun.

Europarat veröffentlicht Studie zu Videoüberwachung

Wie schon auf heise.de ausführlich gemeldet, hat die Europäische Kommission für “Demokratie durch Recht” des Europarates jetzt eine Studie über die Vereinbarkeit von Bespitzelungstechniken wie CCTV mit geltendem nationalem und internationalem Recht vorgelegt. Die “Venice Commission” empfiehlt darin unter anderem, dass Videoüberwachung immer deutlich gekennzeichnet werden muss, sowie die Einrichtung von spezifischen, unabhängigen Datenschutz-Institutionen, “in order to ensure compliance with the legal conditions under domestic law giving effect to the international principles and requirements with regard to the protection of individuals and of personal data.”

Schäuble macht ernst… und sich langsam lächerlich

Schon seit einigen Wochen sind wir Zeugen davon wie Innenminister Schäuble alles daransetzt, die Schraube an unsere bürgerlichen Freiheiten immer noch ein Stück anzuziehen. Warum er das tut, darüber hat Peter Mühlbauer bei Telepolis spekuliert. Robert Leicht meint in der ZEIT, dass mit den immer schärferen Maßnahmen nun endlich Schluss sein sollte:

In der Tat, so geht das schon lange mit den immer neuen Sicherheitsgesetzen – aber irgendwann muss Schluss sein damit. Seit Jahren schon schauen die Bürger, wie jene Witwe, den Bloß- und Nachstellungen zu. Aber jetzt reicht’s mit dem fortgesetzten Eingriff in die bürgerliche Intimsphäre. (Robert Leicht in der ZEIT)

Der Spiegel berichtet über die Hintergründe der neuesten Maßnahme – dem Zugriff der Polizei auf unsere Daten in den neuen Reisepässen   ebenso tagesschau.de mit vielen Hintergründen und dem Film “Alltag Ãœberwachung”.  Dabei sollen die Zugriffsrechte über das ursprünglich schon fragwürdige Maß hinaus erweitert werden. Matthias Gebauer schreibt dazu noch etwas über die große Koalition der Datenjäger. Ihn wundert vor allem die ungewöhnliche Einigkeit der Koalitionspartner bei diesem Thema – vor allem die SPD sei mit ihrer Kritik sehr zurückhaltend, auch wenn sie sich inzwischen eher geschockt darstellt. Es wird offenbar Zeit, dass sich der Widerstand offener und nicht nur in den vielen Blogs äußert, sonst glauben Schäuble & Co, sie täten tatsächlich etwas für die Bürger und nicht für ihre eigenen oft verqueren Sicherheitsvorstellungen, denen man berühigt einen fragwürdigen Ursprung unterstellen darf. Einen Kommentar dazu mit Reaktionen gibt es auch bei Jochen Bittner in seinem Blog – Beruf Terrorist!

RFID-Chips als Gesellschaftsspiel

RFID Chips sind nicht nur in unseren Reisepässen, werden nicht nur von den Logistik-Unternehmen als die Technologie der Zukunft zum Wiederauffinden ihrer Waren benutzt, sondern auch von einer illustren Schar von Menschen, die mit ihnen eine Gesellschaftsspiel betreiben. Die Lucid Society will neue Wirklichkeiten schaffen, mit der Kontrollgesellschaft spielen. Dazu spritzen sie sich einen Chip unter die Haut (bei ORF.at), wie es eigentlich für Haustiere oder Rinderherden vorgesehen ist. Es sei vor allem ein Spiel mit der Realität, so die Veranstalter, die in vielfältiger Weise das Thema Kontrolle und die Bedeutung von Daten spiegeln und ad adsurdum führen. Dabei entwerfen sie auch eine neues Stadtbild, welches durch ihre nachvollziehbaren, über Datenspuren verfolgbaren Aktivitäten entsteht.

Die Spieler konstruieren sich ihr Spielfeld selbst, das Game ist ein Selbstzweck. “Wir wollen nicht noch eine langweilige Google-Karte mit Meta-Informationen bauen”, heißt es in einem der Texte zur Aktion, die als wilde Ansammlungen von Assoziationen den Leser mehr verwirren als aufklären.

Revolution als Wanderschaft

Die Texte zeigen aber deutlich, dass sich die Ludic Society in der Tradition des Dadaismus, Marcel Duchamps und der Situationisten sieht. Jahrmann: “Wir schaffen Irritation, um neue Situationen zu ermöglichen.”
Guy Debord, Mastermind der Situationisten, erfand Ende der 1950er Jahre eine besondere Technik der Stadtwanderung: das derive. “In einem derive”, schrieb Debord, “lassen eine oder mehrere Personen während einer bestimmten Zeit von allen ihren Beziehungen, ihrer Arbeit und ihren Freizeitaktivitäten und überhaupt allen anderen üblichen Motiven für Bewegung und Tätigkeiten ab und lassen sich von den Attraktionen ihrer Umgebung leiten.”

Schäubles Sicherheitswahn!

DeutschlandRadio Kultur bringt ein kleines Specal zu Schäubles Sicherheitsvorstellungen, die zunehmend ausufern und inzwischen Kritik von allen Seiten auf sich ziehen – sogar aus Innenministerkreisen – Interviews und Audios auf den dradio-Seiten.

ps. auch wenn es nicht direkt um Videoüberwachung geht – der Artikel ist mit einer Kameras bebildert, doch wohl die Ikone für den Begriff Sicherheit….