Unter dem Titel “Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf Instanzen Sozialer Kontrolle im Dialog zwischen Sozialer Arbeit – Polizei – Justiz – Kriminologie” findet auch in diesem Semester wieder eine kleine Vortragsreihe der Lieselotte-Pongratz-Stiftung statt. Alle Termine findet ihr auf der Seite.
Category: Forschung/Theorie
Bilder/Image, Forschung/Theorie, Kultur/Kunst
Neues Projekt: Der interaktive Blick
Am Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) in Tübingen gibt es seit April 2023 ein neues Projekt, welches Überwachung aus medienwissenschaftlicher Sicht betrachtet. Noch ist dort nicht viel passiert, aber ich habe dein Eindruck, dass es sich lohnt das zu beobachten.
Der interaktive Blick: Zu Status und Ethik von Überwachungsbildern in digitalen Spielen.
Digitale Spiele repräsentieren und verarbeiten Kontroll- und Überwachungsdispositive. Sie nehmen mitunter kritische Positionen zu Überwachung und ihrer konventionellen Darstellung ein, reproduzieren und verhärten jedoch auch die Überwachungsbildern eingeschriebenen Machtgefälle. Ziel des Projektes ist es, den Status quo von Überwachungsbildern in digitalen Spielen anhand einer qualitativen und quantitativen Analyse zu bestimmen.
Einen zugänglichen Literaturtipp habe ich der Liste auf der Seite schon mal entnommen:
Hennig, Martin ; Piegsa, Miriam: The Representation of Dataveillance in Visual Media : Subjectification and Spatialization of Digital Surveillance Practices (2018)
Anonymität, Forschung/Theorie, Kommentar
Keine Auskunft für Wissenschaftler:innen
Kriminologische Forscher:innen haben in der Regel ein Zeugnisverweigerungsrecht über ihre Gespräche mit Straftäter:innen. Das entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht und verwies auf die Wissenschaftsfreiheit.
taz, 20.10.2023, siehe auch tagesschau.de
Nichts sagen zu dürfen oder gar zu müssen, ist das Privileg einiger Berufgruppen, u.a. von Journalist:innen. Und jetzt auch für Wissenschaftler:innen – zumindest vom Prinzip her, wenn auch nicht im Gesetz so festgeschrieben.
Nichts sagen zu müssen, ist auch eine Möglichkeit sich der Überwachung zu entziehen bzw. diese als illegal zu kennzeichnen. Das ist gut so.
Und es sollte nicht nur für Kriminolog:innen gelten, wie im diesem Fall, sondern generell für alle – auch wenn es nicht für alle wichtig ist in ihrer Forschung, aber auch jeden Fall für mehr Leute als nur Kriminolog:innen, die in Gefängnissen forschen und dann auch noch mit dem IS zu tun haben. Es ist generell gut, denn gerade für qualitative Forscher ist es wichtig in prekären Bereichen den Gesprächspartnern diese Zusicherung machen zu können, neben den ohnehin vorgesehenen eigenen Vorkehrungen der Datensicherung und Anonymisierung, die für die Forschung gelten und eingehalten werden sollten.
Buch-Tipp/Veröffentlichung, Forschung/Theorie, Polizei/Militär/Geheimdienst
Buch: Kritische Polizeiforschung
Das Buch ist gerade erschienen, 12. Oktober, die pdf-Version ist im open access abrufbar auf der Webseite des Verlages:
Nadja Maurer / Annabelle Möhnle / Nils Zurawski (Hg.): Kritische Polizeiforschung. Reflexionen, Dilemmata und Erfahrungen aus der Praxis. 2023, Bielefeld: transcript.

Buch-Tipp/Veröffentlichung, Forschung/Theorie, Konsum
Soziale Kontrolle digital
Heute ist das neue Heft des Journals Soziale Probleme erschienen. Mit dabei mein Beitrag:
Welt ohne Abweichung? Soziale Kontrolle, Konsum und der digitalisierte Alltag. Nr. 2/2023, Bd 34 Leider nicht open access. Wenn jemand ein Exemplar meines Beitrages haben will, einfach melden. Ansonsten über eine Bibliothek, da sind die glaube ich frei zugänglich als pdf.
Forschung/Theorie
Anonymität im Forschungsprozess
Anonymität ist ein Seitenaspekt der Überwachung. Im Forschungsprozess ist es ein wichtiger Aspekt, insbesondere angesichts der Möglichkeiten mit digitalen Mitteln, dem Internet und anderen Hilfsmitteln Menschen möglicherweise zu de-anonymisieren. Forscher:innen beschäftigen sich vereinzelt mit diesem Aspekt, vor allem in der Qualitativen Forschung, aber es gibt eigentlich noch wenig dazu.
Daher hier ein Artikel aus dem Forschung Qualitative Sozialforschung, Vol. 24 No. 3 (2023) mit dem Titel: Foundations, Strategies, and Techniques of Anonymizing Transcripts in Qualitative Research: A Practice-Oriented Introduction
Werner, C., Meyer, F., & Bischof, S. (2023). Foundations, Strategies, and Techniques of Anonymizing Transcripts in Qualitative Research: A Practice-Oriented Introduction. Forum Qualitative Sozialforschung Forum: Qualitative Social Research, 24(3). https://doi.org/10.17169/fqs-24.3.4067
Algorithmen, Datenschutz, Forschung/Theorie, Innere Sicherheit / Terrorismus, podcast, Polizei/Militär/Geheimdienst
Krypto und die NSA
Der Sprektrum-Podcast von Detektor.fm befasst sich hier mal mit Kryptografie und dem, was unter dem Namen der Kryptokriege bekannt geworden ist. Wer es noch nicht kennt (hier wohl eher viele, aber dennoch): Der Algorithmus, der die NSA in den Wahnsinn trieb.
Die Frage ob Kryptografie ein Grundrecht sein könnte, ähnlich oder viel drastischer als das Briefgeheimnis, ist eine wirklich interessante Frage, der man aus verfassungsrechtlicher Sicht nachgehen müsste, weniger aus soziologischer. Wobei hier die Frage der sozialen Bedeutung von Geheimnissen und ihrer Funktion in Gesellschaften nicht unwichtig sein könnte.
Eine revolutionäre Idee der Verschlüsselung und ein besorgter Geheimdienst: In den 1970er-Jahren entwickelten Mathematiker eine neue Form der Kryptografie. Wer sicher kommunizieren wollte, veröffentlichte seine Schlüssel. Es war der Beginn eines regelrechten Krypto-Kriegs.
Buch-Tipp/Veröffentlichung, Forschung/Theorie, Presse / Zensur
Forschung und Artikel zu Chilling Effects
Der von mir sehr geschätzte Pete Fussey hat gemeinsam mit weiteren Kollegen zwei Aufsätze aus einem Forschungsprojekt zu Überwachung in Uganda und Zimbawe veröffentlicht. Es geht darin um den so genannten und auch hier schon mal thematisierten Chilling Effect.
- Daragh Murray and others: The Chilling Effects of Surveillance and Human Rights: Insights from Qualitative Research in Uganda and Zimbabwe, in Journal of Human Rights Practice, huad020, https://doi.org/10.1093/jhuman/huad020
- Stevens, A., Fussey, P., Murray, D., Hove, K., & Saki, O. (2023) ‘I started seeing shadows everywhere’: The diverse chilling effects of surveillance in Zimbabwe, in Big Data & Society, 10(1). https://doi.org/10.1177/20539517231158631
Das mit dem Chilling Effect, wie er vor alle nach Snowden immer wieder mal vorgebracht wurde, wurde auch von mir schon kritisch betrachtet – in den Aufsätzen wird aber auch hervorgehoben, dass diese Art der Selbstzensur eng verbunden ist mit den realen Konsequenzen in diesen Ländern, wo Kritiker eingesperrt werden, verschwinden oder sich anderen Repressalien ausgesetzt sehen. Das ist dann schon ein Unterschied zu den in westlichen Ländern vermuteten Auswirkungen auf die Selbstzensur, z.B. von Journalist:innen oder Wissenschaftler:innen.. Aber mehr Forschung ist ja immer gut und von daher freue ich mich über neue Beiträge zu der Debatte. Lesenswert!
Forschung/Theorie, Konsum, Künstliche Intelligenz
Konsum als Hyperrealität
If philosopher Will Durant’s assertion that “we are what we repeatedly do” is true, then let’s face it: we are becoming increasingly machine-like through our near-constant interactions with technology.
Ein beängstigender, aber theoretisch auch sehr interessanter Gedanke. Steven Monacelli denkt in Simulacra & Self-Simulation darüber nach, was es bedeutet, wenn wir angeschlossen an die bekannten Plattformen zu, wie er es nennt, “pattern machines” verwandelt werden – “in turn, our digital addictions fuel data collection systems which catalogue, collate, and convert our lives into mathematical probabilities, and, in the process, threaten to transform us from organic, conscious, and autonomous beings into mindless, unconscious, and dependent pattern machines”.
Essay, Forschung/Theorie, Künstliche Intelligenz
Religion, Überwachung, Transhumanismus
Ich glaube ich habe hier schon dann und wann mal etwas zum Thema Transhumanismus geschrieben oder verlinkt. So auch heute. Ein interessanter Artikel zu Ray Kurzweils Ideen und ihre Verankerung in einer Art christlicher Erweckungsideologie us-amerikanischer Prägung von MEGHAN O’GIEBLYN. Mit dabei die üblichen Verdächtigen wie Elon Musk und Peter Thiel, aber auch neue Namen und interessante Beobachtungen. Dass es dabei nicht um harmlose Spinnereien allein geht, wird schnell klar und allein deshalb ist der Essay den Leseaufwand wert.
Technology has a role in the process of redemption,” he said. Christians today assume the prophecies about bodily perfection and eternal life are going to be realized in heaven. But the disciples understood those prophecies as referring to things that were going to take place here on Earth.
Buch-Tipp/Veröffentlichung, Forschung/Theorie, Internet/social media
Phil Agre, wiederentdeckt
Auf einer Tagung zum Thema Sprachassistenten des Projektes B06 – Un/erbetene Beobachtung in Interaktion: „Intelligente Persönliche Assistenten“ (IPA) des SFB Medien der Kooperationen (lange Vorrede) verwies der Kollege Till Heilmann auf den Informatiker und Netzvordenker Phil Agre.
Von dem hatte ich lange nichts gehört, nicht zuletzt da er vor 10 Jahren wohl komplett von der Bildfläche verschwunden ist. Ich bin in den 1990er Jahren seinem Newsletter RedRockEater gefolgt und habe noch etliche der Ausgaben in meinem Email-Archiv.
Das habe ich als aber eine Gelegenheit ngenommen mal zu googlen, was an Texten noch verfügbar ist – denn die sind durchaus lohnenswert. Surveillance war auch da schon bei ihm ein Thema, was mich noch nicht so zentral interessierte damals. Ich war mehr auf die frühen Internetanalysen und Netzutopien fokussiert. Der englische Wikipedia-Eintrag gibt ein paar Informationen und reichliche Links zu seinen Texten. Seine eigene Seite an der UCLA, die bis 2004 aktuell ist, hat weitere Links und Texte.
Hervorheben will ich hier vor allem diesen Artikel:
Philip E. Agre (1994) Surveillance and capture: Two models of privacy, The Information Society, 10:2, 101-127, DOI: 10.1080/01972243.1994.9960162 – hier als pdf und reprint frei im Internet zu finden. https://djp3.westmont.edu/classes/2017_01_CS195/readings/CaptureModelOfSurveillance.pdf
Vielleicht habt ihr ja auch Spaß am (Wieder)Entdecken
Fernseh/Radio/Medien-Tipp, Forschung/Theorie, Kommentar
McLuhan und Überwachung
Das folgende Video ist ein Fundstück, das mir auf Twitter begegnete. Es enthält ein paar interessante Gedanken zum Thema Überwachung und Identität. Wenn man die vielleicht zeitgenössisch gefärbten und nicht von einem Anthropologenm gemachten Bemerkungen zu “tribal societies” als solche betrachtet, ist der Rest überraschend aktuell.
Man könnte “tribal” auch anders lesen, als er es gemeint zu haben scheint, nämlich also den Drang zu essentialisieren, hin zu identiärer Politik, zu Engstirnigkeit, die (eine kulturelle?) Identität als das einzig Verbindende und wichtige betrachtet. Das hat mit der Organisation von einst als “Stammesgesellschaften” benannten segmentären, akephalen Gesellschaften nichts im Sinne eines Kerns von Identität zu tun. Daher hier nicht so genau hinhören…..
