Category: Forschung/Theorie

KI und falsche Analogien

Der Kollege Roland Meyer nutzt Bluesky sehr gut für einige schlaue Gedanken, hier mal wieder zur Künstlichen Intelligenz und den falschen Vergleichen, mit unserer eigenen, menschlichen Intelligenz. Lesenswert, daher hier der Skeet einmal eingebettet.

Der Hinweis darauf, dass es sich bei KI um “large socio-technical apparatuses” handelt, finde ich dabei zentral.

Most humanist critique of #genAI falls into the ideological trap of treating machine learning systems as less perfect quasi-human subjects, by claiming that human «creativity» or «intelligence» will always surpass machinic ones. That’s not the point, the comparison is flawed from the beginning1/

Roland Meyer (@bildoperationen.bsky.social) 2025-06-30T05:27:09.609Z

Buch: Fehlerkultur in der Polizei

Gerade erschienen ist (nach einiger Produktionszeit ;-)) das von Kai Seidensticker herausgegebene Buch Fehlerkultur in der Polizei. Ausprägung, Einflussfaktoren und Möglichkeitsräume, mit vielen interessanten Beiträgen von geschätzten Kolleg:innen.

Zusammen mit Jan Beek und Christiane Howe bin ich dort vertreten mit folgendem Beitrag: “Wie werden Fehler gemacht? Die Konstruktion und Narration von Fehlern durch das polizeiliche Beschwerdemanagement”.

Das Buch ist kein open access, also bei Bedarf oder Interesse gern mal bei mir nachfragen.

Broligarchen und das Silicon Valley

Ich hatte immer schon ein Faible für René Girard und seine Theorien der mimetischen Gewalt, des Sündenbocks und seine Analysen. Ja, es ist eher etwas konservativ und auch seine Schüler und die Szene rund um den amerikanischen Literatur-Wissenschaftler und Philosophen Eric Gans sind eher konserverativ, aber eben auch Girard verhaftete Denker. Ihr Zuhause ist das Journal Antropoetics*, zu dem es auch eine Mailingliste gibt, die ich seit 30 Jahren abonniert habe.

Warum erzähle ich das? Auf der Mailingliste gab es einen Hinweis auf folgenden Text: Tech bros don’t get René Girard Luckily, the Popes do. U.a. Peter Thiel hat immer wieder herausgekehrt, wie er von Girard beeinflusst wurde, den er als einen seiner Hero-Denker hervorhebt – Girard hat in Stanford gelehrt, wo Thiel studiert hatte. Ich hatte mich immer schon gewundert und mich gefragt, ob das so richtig passt, gibt es doch eine Art Friedensbotschaft in dessen Texten. Nun gibt es hierauf eine qualifizierte Antwort: Nein, passt nicht.

Von den Träumen alles zu wissen

Der sehr geschätzte Kollege Pete Fussey foscht schon lange an der Schnittstelle von Polizei und Überwachung, auf ganz unterschiedlichen Feldern. Hier ein aktueller Aufsatz zur Verbindung von Polizei und kommerziellen Datensammlungen

Hadjimatheou, Katerina and Fussey, Pete (2025) ‘The dream to know everything about everyone’: affordances of commercial data systems and digital net-widening in policingTheoretical Criminology, (doi:10.1177/13624806251334954).

KI als Religion

Über die symbolischen Bedeutungen von KI denke ich schon länger nach und je mehr ich lese was alles mit KI gemacht und dann vor allem besser sein soll, desto mehr bin ich davon überzeugt, dass zu wenig über den symbolischen Gehalt von Technik nachgedacht wird, nicht unbedingt in der Wissenschaft, aber auch hier. Über das “wie” wird viel nachgedacht, u.a. in der Ethik, aber über das “warum” eher weniger. Und ich frage mich auch, welche (unerfüllten?) Bedürfnisse möglicherweise KI befriedigt, die in der Gesellschaft vorhanden sind. Da liegt es nicht weit auch einmal über KI als Religion nachzudenken.

Hier tut das Claudia Paganini beim Deutschlandfunk und ich fand das durchaus hörenswert.

Sehen, gesehen werden – überwachen?

Was wir uns immer schon gedacht haben, das mit der Überwachung ist nicht so gut für uns, vielleicht sogar nicht für unser Gehirn und dessen Funktionen. Wenn immer ein zuguckt, dann verändert es sich. So beschreibt es der Autor dieses Artikels:

,The constant surveillance of modern life could worsen our brain function in ways we don’t fully understand, disturbing studies suggest, in Live Science, 11.5.2025, Autor. Simon Makin.

Aber ist es so einfach? Und was meint der Autor, wenn er von Überwachung (Surveillance) hier spricht und die vielen, sehr interessanten psychologischen Studien zitiert? Der Artikel fängt mit dem Panopticon an und von da an gerät vieles, was Überwachung angeht durcheinander, weswegen ich hier mal ein paar Argumente genauer anschaue um ein paar Dinge zurecht zurücken, die hier, aber auch in vielen populären, häufig medialen Diskursen, aber auch bei meinen Studis oft durcheinander gehen.

Wirken Bodycams? Schwer zu sagen!

Das Thema Bodycams wird immer mal wieder diskutiert, meistens dann, wenn es einen Vorfall mit der Polizei gab und die Dinger aus waren – und damit ein Vorfall undokumentiert geblieben ist. Zuletzt im Fall von Lorenz (NDR 9.5..2025) der in Oldenburg bei einem Einsatz von der Polizei erschossen wurde.

Solche Fälle sind tragisch und haben dann mit der Bodycam auch direkt nichts zu tun, zumindest nicht mit der Frage, ob diese effektiv in ihrer Wirkung sind und wie sie überhaupt wirken können. Die Dokumentationsfunktion ist dabei auf jeden Fall eine wichtige, aber erstmal eine ohne Wirkung, zumindest keine, die diskutiert wird. Damit eine Rechenschaft und Nachvollziehbarkeit von polizeilichen Einsätzen zu bekommen wäre durchaus wünschenswert, umso enttäuschender, wenn nicht einmal bei Schusswaffengebrauch Bilder entstehen. Das könnte durchaus automatisiert mit dem Ziehen der Waffe verbunden werden. Ob es das Ziehen der Waffe verhindern würde, ist damit noch nicht gesagt.

Gesamtüberwachungsrechnung

Was für ein Wortungetüm. Dass dieser Bericht eine lange Geschichte hat, spricht für sich, nun aber kann er gelesen werden, bestimmt einen Blick wert:

Forschungsbericht des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) und des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI). Pilotstudie basierend auf der wissenschaftlichen Evaluation ausgewählter Überwachungsbefugnisse der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden.

Überwachungsgesamtrechnung für Deutschland

Gegenwärtig wird ja wieder mal die Vorratsdatenspeicherung diskutiert, die man unbedingt brauchen würde. Kein Anschlag ohne weitere Forderungen, was einerseits verständlich ist, andererseits immer nur dem kurzfristigen Hype und der Aufregung folgt, um dann wieder aus den Schlagzeilen zu verscheinden, oft dann wenn es Geld kostet. Nur ein Beispiel: NRW-Überwachungspaket versetzt Datenschützerin “in Alarmbereitschaft” aus dem letzten Oktober. Die Diskussion weiterer Untoter der Überwachungswünsche lässt sich leicht im Netz verfolgen – mit der neuen Regierung, da bin ich mir sicher, kommen einige dieser muffig riechenden Ideen wieder an die frische Luft.

Eyecam – auch eine Zukunft der Überwachung

Es sieht etwas spooky aus, ist aber durchaus konsequent gedacht: die Eyecam.

Rethinking our relation with our digital world

The purpose of this project is to speculate on the past, present and future of technology. We are surrounded by sensing devices. From surveillance camera observing us in the street, Google or Alexa speakers listen to us or webcam in our laptop, constantly looking at us. They are becoming invisible, blending into our daily lives, up to a point where we are unaware of their presence and stop questioning how they looksense, and act. (von der Webseite)

Das Bentham-Projekt

Für diesen Blog ist es klar, dass es einen Eintrag zum Bentham-Projekt geben muss, auch wenn ich nicht aktiv danach gesucht habe, weshalb es mir erst vor kurzem über den Weg lief. Das University College London (UCL) hosted das Projekt, welches offline bereits seit 1968 besteht.

Hier eine kleine Einführung zu Bentham vom Direktor des Projektes.

Authoritarian Surveillance

Die aktuelle Ausgabe von Surveillance & Society widmet sich u.a. dem Schwerpunkt (“Authoritarian Surveillance”. (Vol. 23, No 1, 2025, zu finden unter Dialogue) .

Darin beschäftigen sich u.a. Azadeh Akbari und David Murakami Wood ihrem Beitrag Towards a Critical Political Economy of Surveillance and Digital Authoritarianism mit Elon Musk und seinen Mars-Plänen.

“It is no accident that, for Elon Musk, the immediate utopia is the Mars colony, a project whose technological dependencies and challenges of extreme environments appear to mandate a highly selective society; tight, hierarchical organization; and total social and environmental surveillance as a foundation (cf. Grove 2021). It is also a kind of release: the “final frontier” is an ostensibly guilt-free version of settler-colonialism, a genuine tabula rasa, but one to be built on the backs of people left behind on an Earth in polycrisis. The Mars colony is therefore the speculative apogee of a new totalitarian-colonial vision of total surveillance to be achieved by the alignment of the states with the goals and values of platform corporations.”

Über das Zitat hinaus lesenswert. Es folgen weitere Hinweise auf ähnliche Entwicklungen, u.a. die Ideen der eigenen Städte, der Entstaatlichung von Gesellschaften, Ländern und Gemeinwesen durch superreiche Tech-Bros.