Category: Polizei/Militär/Geheimdienst

Extremismuserfahrungen schützen vor übertriebener CCTV-Euphorie

So sieht es zumindest Timothy Garton Ash, dessen Zitat ich heute im Tagesspiegel entdeckte:

“Tatsächlich ist es wohl Ihre Geschichte, die erklärt, warum Sie nicht so enthusiastisch über einen seine Bürger ausspionierenden Staat sind (zum wiederholten Male). So wie es der britische Akademiker und Journalist Timothy Garton Ash – der selbst eine Stasi Akte hatte und darüber in seinem großartigen Buch [“Die Akte Romeo“, Anm.) geschrieben hat – aufgezeigt hat: “Precisely because German lawmakers and judges know what it was like to live in a Stasi state, and before that in a Nazi one, they have guarded these things [privacy] more jealously than we, the British, who have taken them for granted. You value health most when you have been sick”.”

Geheimdienste und sicherheitsindustrieller Komplex

Das eine Heft schon seit einiger Zeit mit ausgewählten Beiträgen online, das andere frisch im Netz: Nr. 93 von “Bürgerrechte & Polizei/CILIP” widmet sich dem Thema bundesdeutsche Geheimdienste und das aktuelle Heft Nr. 94 schaut auf den sicherheitsindustriellen Komplex. In der Summe finden sich Texte zur Entwicklung der (west-)deutschen Dienste, der Frage, wie man eigentlich “Verfassungsfeind” wird, der Karriere von Drohnen zwischen Militär und Innerer Sicherheit und ein Portrait des “Homeland Security”-Technologie-Anbieters Unisys – sowie in der kompletten Print-Ausgabe einiges mehr zum Thema Ãœberwachung.

Diskussion: Was bedeutet Sicherheit wirklich?

Ich möchte hier auf eine Veranstaltung hinweisen, die auch mit dem Thema des Blogs zu tun haben könnte und die bisher eher ein wenig zu kurz gekommen ist – nämlich die Verbindung von Surveillance Studies und Friedens/Konfliktforschung. Und da passt die Veranstaltung gut rein.

Neues Denken für eine Zukunft in Frieden.

Öffentliche Podiumsdiskussion des World Future Council (WFC) und des Carl Friedrich von Weizsäcker-Zentrums für Naturwissenschaft und Friedensforschung der Universität Hamburg. Vier WFC-Ratsmitglieder der Kommission Zukunftsgerechtigkeit und der Arbeitsgruppe Abrüstung & Demilitarisierung sprechen über militärische und menschliche, scheinbare und tatsächliche Sicherheit.

  • David Krieger (USA, Präsident der Nuclear Age Peace Foundation)
  • Dr. Rama Mani (Indien, Wissenschaftlerin und sicherheitspolitische Beraterin)
  • Hans-Christof Graf von Sponeck (Deutschland, Ehemaliger beigeordneter UNO-Generalsekretär)
  • Pauline Tangiora (Neuseeland, Maori-Älteste des Rongomaiwahine-Stammes)
  • Moderatorin hat Dr. Maja Göpel (WFC, Brüssel).

Sie werden Aspekte wie Konfliktbewältigung, nukleare Abrüstung, menschliche Sicherheit, die Rolle der Ökonomie und indigene Perspektiven beleuchten.

4. März um 20.00 Uhr
Hauptgebäude der Universität Hamburg, Edmund-Siemers-Allee 1,
Hörsaal H.

Siehe auch:  www.worldfuturecouncil.org/2171.html
Die Diskussion wird in Englisch geführt!

So viel zum Thema “sousveillance”

Die Ãœberwachung von “unten” ist weniger gewünscht, je mehr sie durch die neuen Handys und andere Geräte immer leichter möglich wird.

Police fight cellphone recordings
Daniel Rowinski, New England Center For Investigative Reporting / Jan 12, 2010, Boston.com (15 January 2010)

Simon Glik, a lawyer, was walking down Tremont Street in Boston when he saw three police officers struggling to extract a plastic bag from a teenager’s mouth. Thinking their force seemed excessive for a drug arrest, Glik pulled out his cellphone and began recording.

Within minutes, Glik said, he was in handcuffs.

“One of the officers asked me whether my phone had audio recording capabilities,” Glik, 33, said recently of the incident, which took place in October 2007. Glik acknowledged that it did, and then, he said, “my phone was seized, and I was arrested.”

Blaulichtatlas

Welche Straftaten geschehen in meiner Nachbarschaft? Hauptstädter können’s jetzt daueraktualisiert herausfinden: Der Blaulichtatlas verbindet die Polizeiticker von Berlin & Brandenburg mit einer Google Maps-Anwendung, die die Vorfälle in den Kategorien Feuer/Kriminalität/Sonstiges/Unfall anbietet. Wer seine Adresse oder seinen Standort angibt, bekommt gezielt Ergebnisse aus seiner Umgebung, von “Durch Qualm geweckt – Feuer in Wohnhaus” bis zu “Räuber kam zum Geschäftsbeginn”, jeweils verlinkt auf die Polizeimeldung.

“Indect”: Werkzeuge für den Präventivstaat

Die Futurezone beim ORF kommentiert das  EU-Projekt Indect, welches Ideen und Umsetzungen zu einer verbesserten Informationslage bezüglich der Sicherheit in Europa entwickeln will. Laut eigener Aussage von Idect ist das Ziel…

…. to develop a platform for: the registration and exchange of operational data, acquisition of multimedia content, intelligent processing of all information and automatic detection of threats and recognition of abnormal behaviour or violence,

Wie Futurezone feststellt, ist innerhalb des Projektes, an dem auch der Police Service of Northern Ireland teilnimmt, der britischen Polizei ein bessonderer Coup gelungen:

Im EU-Ãœberwachungsprojekt “Indect” stehen auch die beteiligten Wissenschaftler selbst unter Beobachtung. Mit einem Trick haben es britische Polizei und Inlandsgeheimdienst MI5 geschafft, dass jedes im Projekt erstellte Papier über ihre Schreibtische läuft. Die Falldefinitionen der Polizei führen dazu, dass das System beinahe jede Bewegung im öffentlichen Raum als verdächtig einstuft.

Auch wenn die PSNI nicht mehr die alte RUC ist – so ist die Geschichte dieser Polizei, doch mehr als fraglich, wenn es um das Thema Bürgerrechte, Sicherheit und geheimdienstliche Verwicklungen geht.

Wer es genauer wissen will, der kann sich ein Werbevideo von Indect ansehen. Da wird deutlich was mit Security Research gemeint ist. Was mit meiner Sicherheit angesichts von Allmachtsphantasien der Polizei und der wohlmeinenden Techniker ist, ist nicht Thema – aber eine Frage, die sich doch sehr in den Vordergrund drängt angesichts der geplanten Maßnahmen und Vernetzungen. Auch deutsche Firmen und Universitäten sind daran beteiligt – wie bereits die Zeit berichtete.

Filmreihe: Kino der Geheimdienste

Vom 24.11. bis 17.12. läuft im Zeughauskino, Berlin, die Filmreihe “Kino der Geheimdienste”, kuratiert von Karin Fritzsche, Barbara Wurm und mir.

Gezeigt werden vor allem Filme aus dem Archiv der BStU, d.h. Stasi-Lehrfilme, Oberservationsmaterial, Propaganda, interne Feierstunden, u.a. Alles von lächerlich über absurd bis grausig. Außerdem werden an zwei Abenden geheimdienstliche Filme aus Ungarn und der (Tschecho-)Slowakei zu sehen sein. Viele der Filme waren nie zuvor auf einer Kinoleinwand zu sehen, manche werden überhaupt zum ersten Mal öffentlich vorgeführt.

Vergesst “Das Leben der Anderen”. Wer wissen will, wie die Stasi wirklich getickt hat, muss diese Filme gesehen haben. Ein kommentiertes Filmprogramm findet ihr hier. Vor jedem Programm gibt es eine kurze Einführung. Der Eintritt ist frei.

Auskunftsersuchen europäisch

Immer Behörden speichern immer mehr Daten und verteilen diese schneller, als man nachfolgen kann. Vieles davon spielt sich derzeit nicht auf nationaler, sondern bspw. auf europäischer Ebene ab. Eine Berliner Initiative ruft daher zum Nutzen der Rechte auf Auskunft über die gespeicherten Personendaten auf. Sie verweisen auf ihrer Homepage praktischerweise gleich auf einen Generator, der nach Eingabe der persönlichen Daten (sic!) automatisch die entsprechenden Auskunftsersuchen erstellt.

Mehr hier:  http://euro-data.noblogs.org/category/deutsch

Kriminalitätskarten – Unsinn mit Daten

Wie jedes Jahr auch dieses Jahr – der Hamburger Kriminalitätsatlas. Nun ist ein Atlas eine Sammlung von Karten, aber das ist nicht der eigentliche Kritikpunkt an der Karte, die auf der Hamburger PKS (kleine Erklärung bei Krimpedia.de) basiert.

Nun sind aber die Daten der PKS schon mit vorsichtig zu betrachten, dazu kommt dann noch der sehr saloppe Umgang mit dem Kartenmaterial und z.B. der Grundlage der Stadtteile, die viel zu groß sind, um eine Aussage darüber zu machen, wie gefährlich es wo ist. Menschen bewegen sich quer zu den Stadtteilen und oft innerhalb viel kleinerer Quartiere – das wird aber nicht gezeigt (mehr oder weniger aktuell passt dazu auch der Artikel aus dem TazBlog zur Videoüberwachung in Hamburg vom 19.7.2009).

Zur Verwendung von Karten bei der Polizei empfehle ich abermals Eric Töpfers Artikel: Daten, Karten, Lagebilder bei Telepolis.

Tragbare Kameras und andere nützliche Kleidung

Die Polizei in Lisburn, Nordirland hat jetzt Kameras bekommen, die am Mann bzw. der Frau getragen wird. Body-cams for Lisburn Police. Die Hoffnungen sind immer die gleichen – es bleibt die Frage, ob im Zweifel das Material nicht mal wieder “unauffindbar” wird – wenn das Aufgezeichnete kein gutes Licht auf die Polizei werfen würde

Chief Inspector Moore said that by wearing the cameras, it is hoped to deter people from committing crime in the first place but will also be an effective tool to bring the scene of an incident into the courtroom. He said courts will be able see and hear the incident through the eyes and ears of the officer at the scene to help provide an accurate account of the actions of the accused.

Davon einmal abgesehen setzt sich damit ein Trend fort, der als unbiquitous computing bereits seit einiger Zeit seine Schatten wirft. DEr Mensch nicht nur als Nutzer sondern Träger und direkter Bestandteil von Computern und ihren Netzwerken. So gibt es auf RFID-Basis eine Jacke die den Arbeiten bei ihren Tätigkeiten helfen soll (dradio.de, 18.7.2009). Die Uni Bremen ist hier mit der Entwicklung beschäftigt.

“In erster Linie geht es um die Ortung der Fahrzeuge”, erläutert Damian Mrugala vom IMSAS (…..) Die Fahrzeuge werden bereits nach der Fertigung mit passiven RFID-Tags versehen, auf denen sämtliche Fahrzeug- und Transportinformationen gespeichert sind. Am Terminal des Lagerverwaltungsgeländes werden diese mit einem RFID-Lesegerät identifiziert. Zukünftig sollen die Hafenarbeiter Jacken tragen, die mit einem Reader ausgestattet sind. Jedes Fahrzeug wird vom Personal an eine bestimmte Stellplatzfläche befördert. Ãœber ein Kommunikationsmodul wird via GPRS-Technologie eine Datenübertragung zu einem Softwareagenten auf einer Hauptrecheneinheit ermöglicht, der Arbeitsaufträge verwaltet und der Jacke neue Aufträge mitteilt….. (RFID im Blick, 29.7.2009)

Das klingt plausibel, aber ich kann mir in beiden Fällen eine Menge offener Fragen aus gesellschaftswissenschaftlicher Sicht vorstellen…. nicht zuletzt arbeitsrechtliche Ãœberlegungen der Ãœberwachung am Arbeitsplatz, der Datensicherheit und im Falle der Polzei, des Rechtes am eigenen Bild, denn die Kamera filmt ja alles, was der Polizist sieht, auch was gar nicht relevant für seine Arbeit ist – allerdings ist das Verständnis dafür im Vereinigten Königreich ein anderes als hierzulande…