Category: Kultur/Kunst

Gewahrsam: Bilder der Ausstellung

Die Ausstellung “Gewahrsam. Räume der Überwachung” in Frankfurt ist sehenswert. Allein schon deshalb, weil der Ausstellungsort gleichzeitig das Artefakt selbst ist. Hier ein paar Bilder für diejenigen, die nicht nach Frankfurt kommen oder sich den lesenswerten Katalog nicht kaufen wollen…. Nun ist das nicht nur ein altes Haus und Gewahrsam der Polizei in Frankfurt – zuletzt renoviert 1957, sondern nach Auskunft der Ausstellungsmacher auch noch bis vor wenigen Jahren als Abschiebeknast genutzt worden – ein wahrer Un-Ort, wie der Direktor des Deutschen Architekturmuseums in seiner kurzen Rede meinte…

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(Alle Photos: (c) Nils Zurawski)

RFID-Chips als Gesellschaftsspiel

RFID Chips sind nicht nur in unseren Reisepässen, werden nicht nur von den Logistik-Unternehmen als die Technologie der Zukunft zum Wiederauffinden ihrer Waren benutzt, sondern auch von einer illustren Schar von Menschen, die mit ihnen eine Gesellschaftsspiel betreiben. Die Lucid Society will neue Wirklichkeiten schaffen, mit der Kontrollgesellschaft spielen. Dazu spritzen sie sich einen Chip unter die Haut (bei ORF.at), wie es eigentlich für Haustiere oder Rinderherden vorgesehen ist. Es sei vor allem ein Spiel mit der Realität, so die Veranstalter, die in vielfältiger Weise das Thema Kontrolle und die Bedeutung von Daten spiegeln und ad adsurdum führen. Dabei entwerfen sie auch eine neues Stadtbild, welches durch ihre nachvollziehbaren, über Datenspuren verfolgbaren Aktivitäten entsteht.

Die Spieler konstruieren sich ihr Spielfeld selbst, das Game ist ein Selbstzweck. “Wir wollen nicht noch eine langweilige Google-Karte mit Meta-Informationen bauen”, heißt es in einem der Texte zur Aktion, die als wilde Ansammlungen von Assoziationen den Leser mehr verwirren als aufklären.

Revolution als Wanderschaft

Die Texte zeigen aber deutlich, dass sich die Ludic Society in der Tradition des Dadaismus, Marcel Duchamps und der Situationisten sieht. Jahrmann: “Wir schaffen Irritation, um neue Situationen zu ermöglichen.”
Guy Debord, Mastermind der Situationisten, erfand Ende der 1950er Jahre eine besondere Technik der Stadtwanderung: das derive. “In einem derive”, schrieb Debord, “lassen eine oder mehrere Personen während einer bestimmten Zeit von allen ihren Beziehungen, ihrer Arbeit und ihren Freizeitaktivitäten und überhaupt allen anderen üblichen Motiven für Bewegung und Tätigkeiten ab und lassen sich von den Attraktionen ihrer Umgebung leiten.”

Überwachungsbilder

Die Website von Nino Leitner, Regisseur der hier bereits mehrfach erwähnten Doku Every Step You Take, aktuell auf dem Filmfestival Diagonale 2007in Graz zu sehen, verzeichnet einige Links auf weitere Filme, Dokus, Kunstprojekte, die allesamt im Netz eingesehen werden können, sehr schön sind und deshalb hier nochmal gelistet werden:

Suspect Nation (45minütige Dokumentation von Channel 4)

Faceless (Spielfilm von Manu Luksch, gedreht nach dem “CCTV Manifesto”, ebenfalls auf der Diagonale 2007)

Stop the Big Brother State (sehr lustiger Animationsfilm von David Scharf)

Der Verkauf des öffentlichen Raums

Da ich erst jetzt dazu gekommen bin die ZEIT zu lesen, bin ich auch jetzt erst auf das exzellente Dossier von Rainer Frenkel und Hanno Rauterberg aufmerksam geworden. Unter dem Titel “Innenstädte zu verkaufen” bzw. “Bunte Langeweile” (pdf des Original-Artikels9 beschreiben sie wie die Firma ECE (gehört zum Otto-Konzern) mit ihren Einkaufs-Centern und Malls die Innenstädte lahm legt, die Politik aushöhlt und zunehmend den öffentlichen Raum kontrolliert. Leider sind die Artikel nicht online, so das ihr das in der Printversion lesen müsst. Ein paar links zu dem Thema finden sich bei “Unser Braunschweig”, deren Betreiber sich kriitisch mit der Braunschweiger Kommunalpolitik auseinandersetzen – u.a. auch mit dem von ECE gemanagten Umbau des dortigen Schlosses.

Wenn Orwell die Realität ist – wie sieht die Zukunft aus?

Sieben Bürgerrechtsorganisationen, darunter die Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD), der “Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V” (FoeBud), der Chaos Computer Club und Stop1984 richten gemeinsam mit Telepolis einen Schreibwettbewerb zum Thema “Bürgerrechte und Datenschutz” aus.
Mittlerweile ist der Wettbewerb beendet und aus den 80 eingereichten Arbeiten ist auf der Seite von Telepolis eine Auswahl der zehn besten Beiträge zu finden.
Die Leser sind nun dazu aufgerufen ihre Stimme für die beste Geschichte abzugeben. Abstimmen kann man bis zum 10. September.
Die Preisverleihung findet im September auf der Wizard of OS 4 Konferenz statt.

Öffentlich – nicht öffentlich

Hier ein Nachtrag zum Wiesbadener Kunstsommer. Zu Hiddenbrooke habe ich ja schon berichtet. Hier eine Aufnahme des Kunstwerkes zum Thema gated communities, welches auf wunderbare Weise das Thema öffentlich – nicht öffentlich noch einmal herausstellt. Eine Mode-Fotosession an den Mauern des abgeschlossenen Wohnviertels – kaum stand es da wurde es sofort Teil der Öffentlchkeit, obwohl es sich dem eigentlich entziehen wollte. Ein zufälliger Widerstand gegen die Aneignung öffentlichen Raums durch das Private und Verschlossene – ein Kunstwerk in doppeltem Sinn… das Private als bloßer Hintergrund für den Kommerz und als ästhetisches Element….und damit wieder ganz öffentlich…
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Wo bitte geht’s zum Öffentlichen…? – mehr…

Die Ausstellung “Wo bitte gehts zum Öffentlichen” wurde am 7.7. in Wiesbaden eröffnet und bietet eine kurzweilige und interessante Ausstellung im öffentlichen Raum…. Kunst zum Nachdenken, oft mit einem Augenzwinkern und auch deutlich in den Aussagen… mir persönlich hat die Installation Hiddenbrooke von Anja Jensen am besten gefallen… eine gated community im Kleinen.. am besten nachts anzusehen, denn dann kann man den großen Scheinwerfer auf dem Dach des Hauses am besten in Aktion sehen und die Wirkung von sich einsperren vs. überwachen und der eigenen Sicherheit kommt so richtig zur Geltung. Allerdings lässt das Kunstwerk auch einen Blick hinter die Kulissen zu, so dass man sieht…. vieles ist nur Blendwerk, eine künstliche Welt, in der sich Menschen einsperren können und die mit Öffentlichkeit im klassischen Sinn nichts mehr zu tun hat…
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Film anlässlich der WM

Die “Frickelfraktion” hat eine kleine Filmcollage anlässlich der Fußball-WM gemacht und ins Netz gestellt. Sie erklären selbst, warum der Film wichtig ist und was uns erwarten kann. Da es auch um Überwachung geht, habe ich den Link hier veröffentlicht.

grossartig wäre es, sich einfach nur an fussballspielen erfreuen zu können. doch leider ist die wm in deutschland als grossereignis manifestation vieler unschöner dinge, angefangen mit einem ausufernden nationalismus inklusive aller seiner ausgrenzenden und rassistischen folgen über horden herumgrölender fans, die für ihren “männersport” auch ihre eigene “männlichkeit” beweisen müssen, hin zu der aufrüstung der inneren sicherheit – videokameras, rfid-chips, datensammlerei, soldaten im inland, spezialeinsatzkräfte haben die wm-städte im griff.

Der Film ist leider etwas plump geraten.. auch wenn er einige schöne Verbindungen zieht und als Collage und mit Eisenstein’scher Schnittmanier die Gegensätze und die verdeckten Wahrheiten aufdecken will. Aber er soll nicht vorenthalten werden… also macht euch selbst ein Bild..

Englischer Film mit CCTV Thematik

Der Film Red Road – Wettbewerbsbeitrag in Cannes – nutzt das Thema Videoüberwachung für einen Film, den der Spiegel zwar für nicht gelungen hält, der aber nach Aussage der BBC einen Anstoß für eine Debatte über Videoüberwachung in England liefern kann

“Red Road” erzählt die Geschichte einer verhärmten Frau, die Glasgows übelste Ecken mit sogenannten CCTV-Kameras überwacht. Wie ein zur Untätigkeit verdammter Gott sieht sie den Menschen auf Dutzenden von Monitoren zu, zoomt sich hier mal eine kuriose Szene heran, bespitzelt dort mal den netten Mann mit der kranken Bulldogge. – aus dem Spiegel Online

The British director of CCTV movie Red Road has said the future of 24-hour surveillance of society needs to be debated.