Category: Buch-Tipp/Veröffentlichung

“Hab’ nichts zu verbergen” ist kein Argument

Der Aufsatz “I’ve Got Nothing to Hide’ and Other Misunderstandings of Privacy” von Daniel J. Solove
(George Washington University Law School) untersucht dezidiert, warum das Argument unsinnig und falsch ist.

In this short essay, written for a symposium in the San Diego Law Review, Professor Daniel Solove examines the nothing to hide argument. When asked about government surveillance and data mining, many people respond by declaring: “I’ve got nothing to hide.” According to the nothing to hide argument, there is no threat to privacy unless the government uncovers unlawful activity, in which case a person has no legitimate justification to claim that it remain private. The nothing to hide argument and its variants are quite prevalent, and thus are worth addressing. In this essay, Solove critiques the nothing to hide argument and exposes its faulty underpinnings.

(Danke an Christian für den Tipp)

House of Lords legt Surveillance-Report vor

Das Constitution Committee des britischen House of Lords hat seinen Bericht zur staatlichen Ãœberwachung vorgelegt: Surveillance: Citizens and the State.

Der erste Paragraph erklärt, in wünschenswerter Deutlichkeit:

1. Surveillance is an inescapable part of life in the UK. Every time we make a telephone call, send an email, browse the internet, or even walk down our local high street, our actions may be monitored and recorded. To respond to crime, combat the threat of terrorism, and improve administrative efficiency, successive UK governments have gradually constructed one of the most extensive and technologically advanced surveillance systems in the world.

Danach behandelt der Bericht vor allem rechtliche Aspekte staatlicher Überwachung, von Videokameras bis DNA-Datenbanken. David Wood hat in seinem Blog den umfangreichen Bericht kommentiert und analysiert. Für ihn ist der Bericht

probably the best parliamentary report on surveillance I have ever read, and if only half of the recommendations are given any attention by the government, then Britain will be a much better place.

Also lesen!

Neue Ausgabe von “Surveillance & Society”

Der Relaunch ist vollbracht: Die neugestaltete Ausgabe von “Surveillance & Society” ist online. Revisiting Video Surveillance

not only revisits one of the key contemporary technologies of surveillance, CCTV, by placing it in deeper historical context, but also reconsiders the past, present and future of Surveillance Studies. There are also 15 reviews of recent books in the area of surveillance

Neue Sicherheitsarchitektur – Europäische Großbaustelle

Die aktuelle Ausgabe von “Bürgerrechte & Polizei/CILIP” beschäftigt sich mit der “neuen Sicherheitsarchitektur” – diesmal der europäischen. Mit dabei sind Analysen zu den Planungen für das nächste Fünf-Jahres-Programm der europäischen Innen- und Justizpolitik, Europol, dem EU-Halali zur Piratenhatz unter dem klingenden Namen “Atalanta” am Horn von Afrika, dem wachsenden grenzüberschreitenden polizeilichen Datenaustausch und der transatlantischen “Sicherheit”-Kooperation. Einige Texte aus dem Heft sind auch online sowie seit kurzem auch weitere Texte zurückliegender Hefte.

Steter Tropfen höhlt den Stein

Selbstverständlich darf auch an dieser Stelle ein Hinweis auf die Studie “Enhancing Child Safety and Online Technologies” der Internet Safety Technical Task Force nicht fehlen. Sie wird derzeit fleißig diskutiert, denn in Sachen Jugendschutz und Internet (bzw. Digitalisierung) gibt es erneut ein Fazit, welches Wissenschaftler freut (wenngleich auch nicht sonderlich überrascht) und zahlreiche Politiker ärgert: Technische (Zensur-)Maßnahmen allein reichen nicht. Stattdessen ist Medienkompetenz gefragt. Auch wenn wir das schon Dutzende Male in Seminaren, Vorträgen und Papers propagiert haben, so kann es nicht schaden, nochmals darauf hinzuweisen. Daß einige hartgesottene Politiker sich aufgrund solcher Studien jedoch von ihren “einfachen Lösungen” lösen werden, darf bezweifelt werden. Aber so ist das nunmal mit der Digitalisierung: Einfache Lösungen sind selten.

Buch: The privacy advocates

Das ist bestimmt einen Blick wert:

Colin J. Bennett: The Privacy Advocates. Resisting the Spread of Surveillance, MIT Press, Cambridge 2008

Today, personal information is captured, processed, and disseminated in a bewildering variety of ways, and through increasingly sophisticated, miniaturized, and distributed technologies: identity cards, biometrics, video surveillance, the use of cookies and spyware by Websites, data mining and profiling, and many others. In The Privacy Advocates, Colin Bennett analyzes the people and groups around the world who have risen to challenge the most intrusive surveillance practices by both government and corporations. Bennett describes a network of self-identified privacy advocates who have emerged from civil society – without official sanction and with few resources, but surprisingly influential.

Weitere Infos zu Buch und Autor

Videoüberwachung in San Francisco

Das Center for Information Technology Research in the Interest of Society (CITRIS) hat eine aktuelle Studie zu Videoüberwachung in San Francisco veröffentlicht. Dort wurden seit Ende 2005 im Rahmen des San Francisco’s Community Safety Camera Program mehr als siebzig Kameras an so genannten Kriminalitätsschwerpunkten installiert. Die zentralen Ergebnisse in Kürze: Keine Auswirkungen auf Gewaltkriminalität; signifikanter Rückgang von Eigentumskriminalität (property crime); keinerlei Auswirkung auf Drogenkriminalität, Prostitution, Vandalismus.

Der ausführliche Bericht hier. Heise meldet ebenfalls.

US-Geheimdienste: Global Trends 2025

tagesschau.de hat darüber berichtet: Die US-Geheimdienste haben ihren neuesten Bericht zur Zukunft der Welt veröffentlicht – ein (oder mehrere) Zukunftsszenarien. Nicht überraschend geht es zukünftig vermehrt um Konflikte um Resourcen, um Wasser und Energie.

Der Bericht wurde vom National Intelligence Council erstellt und gibt sehr detailliert Auskunft über die Ideen und Strategien aus Sicht der USA und ihrer Sicherheitsbedürfnisse. (Bericht als pdf).

Das Thema Überwachung kommt als solches benannt nur zweimal in dem Bericht vor. Zum einen in der Analyse es Terrorismus der Zukunft und den geeigneten Gegenmaßnahmen:

Some governments will likely respond to increasing terrorism and internal threats by expanding domestic security forces, surveillance capabilities, and the employment of special operations-type forces. Counterterrorism and counterinsurgency missions increasingly will involve urban operations as a result of greater urbanization.  Governments, citing the need for enhanced internal security and their desire to control the influx of unwanted refugees and immigrants, may increasingly erect barricades and fences around their territories to inhibit access.

Zum anderen bei der Zukunft der Kriegsführung und der Bedeutung von Informationen:

The Increasing Importance of Information.  Advances in information technologies are enabling new warfighting synergies through combinations of advanced precision weaponry, improving target and surveillance capabilities, enhanced command and control, and the expanding use of artificial intelligence and robotics.  Future proliferation of long-range precision weapons will permit a growing number of states to threaten rapid destruction of an adversary’s critical economic, energy, political, and military and information infrastructures.  The growing importance of information technologies as an enabler of modern warfighting capabilities will make information itself a primary target in future conflicts.

Der Bericht liest sich wie eine neutrale, nüchterne Bestandsaufnahme – zwischen den Zeilen und wenn man bedenkt wer die Verfasser sind, dann wird klar, worum es auch in Zukunft gehen wird und was uns noch alles erwarten wird. Viel ist auch vom Terrorismus die Rede. Der Begriff und auch wer damit so gemeint sein könnte, bleibt vage – und das ist wohl auch beabsichtigt. Also für alle Interessierten an dem Thema ist das eine gute Quelle und durchaus wichtig.

Buch zum e-Pass

Als pdf online abrufbar ist das Buch “e-Pass der neue biometrische Reisepass” von Jöran Beel & Béla Gipp. Laut Webseite ist,

“das Buch “ePass – der neue biometrische Reisepass” ist das Standardwerk zum ePass. Fachzeitschriften sowie Kritiker und Befürworter des ePasses nutzen es für ihre Arbeiten über den ePass. So beispielsweise der Heise Verlag auf Heise Online und in der ix; der Deutsche Bundestag im Literaturtipp zum ePass und der Ãœbersicht zum ePass; der Chaos Computer Club in der “Datenschleuder”; und das FIDIS Konsortium in ihrer Budapest-Erklärung zu maschinenlesbaren Ausweis-Dokumenten.

Dass ich darin keinen Verweis auf den Kollegen Gerrit Hornung lese, wundert mich angesichts dieser Eigenwerbung schon ein wenig. Dessen Buch “Die digitale Identität” ist ebenfalls online als Volltext im pdf-Format erhältlich und sicherlich ein wichtiges Buch auf diese Gebiet – wenn auch ein juristisch-wissenschaftlicher Text, aber das ist ja nicht immer verkehrt.

Generation Internet

Hinweis auf eine Neuerscheinung über “Digital Natives”: “Generation Internet” von John Palfrey und Urs Gasser. Das Buch dreht sich um die Frage: Was bedeutet das Internet für die Generation, die ein Leben ohne Computer und Vernetzung gar nicht mehr kennt?  Gelesen habe ich es noch nicht, aber laut Rezension der Süddeutschen Zeitung behandeln die Autoren ausführlich auch Fragen nach Data Mining und digitaler Identität.