Die Polizei war schon immer ein Thema hier im Blog – meistens als Teil von Überwachungsmaßnahmen wie z.B. Videoüberwachung. Das sie auch selbst Objekt der Überwachung sein kann, ist nicht neu, aber als Thema seit ein paar Jahren sehr im Fokus. Darum auch hier. Es geht um die Kontrolle polizeilicher Arbeit durch Beschwerdestellen oder Polizeibeauftrage. Das ist ein weites Feld und so eininges wurde schon darüber geschrieben an verschiedenen Stellen. Nun aus aktuellem Anlass mal wieder hier.
Die Bundeszentrale für Politische Bildung hat in der neuesten APuZ (33-34/2023) dieses Thema im Rahmen einer Ausgabe zum Whistleblowing aufgenommen. Meine Kollegin Nadja Maurer hat in der Ausgabe etwas konkret zu den Beschwerdestellen geschrieben, die ja häufig nicht nur die Unzufriedenheit des Bürgers aufnehmen sollen, sondern auch auf Tipps aus dem Apparat selbst – durch Whistleblowing. Das Thema nehme ich gern ein anderes Mal wieder auf, heute ein paar Gedanken zu den Beschwerdestellen.
Bei den Beschwerdestellen geht es in den populären Diskursen häufig darum, ob diese unabhängig sind oder nicht. Nadja Maurer addressiert dieses Thema weniger in ihrem Aufsatz, vielmehr fragt sie nach anderen Aspekten und den Bedingungen, wie Beschwerdestellen erfolgreich u.a. für Whistleblowing in der Polizei. Die Frage unabhängig oder abhängig ist also zentral für viele Kritiker der Polizei und sicherlich ist es auch eine wichtige Frage, wobei dabei noch nicht geklärt ist, wie Unabhängigkeit erreicht werden kann, wie dann Beschwerdestellen konzipiert sein müssten, u.a. um ermitteln zu können, und was bei den abhängigen möglicherweise schief laufen kann.
Ich habe keine abschließende Antwort, halte aber die simplen Forderungen nach unabhängigen Stellen für zu kurz gegriffen, weil dann eben nicht automatisch alles besser werden wird. Ein Beispiel, das mir dabei zu denken gegeben hat, ist das der Metropolitan Police in London. Für England (gemeinsam mit Wales) gibt des Independent Office for Police Conduct, welches mit eben jenen Ermittlungebefugnissen ausgestattet ist und eigenständig den Beschwerden, vollkommen unabhängig von der sonstigen Polizei nachgeht. Das ist eine gute Einrichtung. Wie aber kann es dann sein, dass es Entwicklungen und Vorfälle in der Londonder Metropolitan Police gegeben hat, die eine Untersuchungskommission des House of Lords (HoL Library 25.11.2022) dazu verleitet hat, das die Behörde “rotten to the core” sei (BBC, 21.3.2022). Es geht um einen “Boys Club”, um Sexismus, Vergewaltigungen, rassistische Polizisten, Misogynie, Homophobie, die Vertuschung von Taten und einiges mehr. Das alles trotz einer unabhängigen Beschwerdestelle, die sogar Eingriffsrechte hat. Erst die Untersuchung unter der Schirmherrschaft von Baroness Casey hat all das hervorgebracht und offengelegt. Dass sich nach Erscheinen noch gegen den Vorwurf des strukturellen Rassismus gewehrt wurde, ist geradezu Routine und auch aus Deutschland bekannt. Eine Reform ist von Nöten, so die einhellige Meinung, die Frage ist dann nur, wie und wo man anfängt, wenn eine Diagnose von “im Kern verottet” spricht.
Nein, in Deutschland ist so eine Annahme so noch nicht gerechtfertigt oder gar erkennbar – auch wenn es eine ganze Reihe von Baustellen gibt. Jede Beschwerdestelle ist dabei ein wichtiger Baustein, eine Kultur des Abwiegelns und Wegduckens zu durchbrechen. Dazu aber, und da folge ich Nadja Maurer, müssen sich die Beschwerdestellen weiterentwickeln, neue Bereiche erschließen, weitere Schichten und Menschen zu Beschwerden befähigen (also sie ermutigen sich zu beschweren) und dem Apparat klarmachen, dass sie gut für ihn sind, nicht ihr Gegner. Ob es dann egal ist ob abhängig oder unabhängig kann ich nicht sagen. Meine Vermutung ist, dass dies dann nicht der springende Punkt ist, vielmehr andere Faktoren auch eine Rolle spielen, ob Fehler offen gemacht werden oder sich eine entsprechende Kultur der Rechenschaft und die Offenheit für Beschwerden als Teil von Organisationsentwicklung durchsetzen kann.