Gedanken zu NSA und Überwachung 2013

Es ist nicht ganz einfach zum Abschluss diesen Jahres ein paar ordentliche Gedanken zu formulieren – denn an der NSA kommt man nicht vorbei. Fast scheint es als sei alles Nachdenken über Kontrolle und Überwachung überflüssig, denn da die NSA eh alles abhört, warum noch irgendetwas erforschen. Das wäre zu kurz gedacht, ähnlich kurz wie die Tendenz alle Debatten zur NSA immer auf den Datenschutz zu reduzieren und wie wir unsere Emails besser schützen können. Geht es wirklich nur darum?

Ich würde gern ein paar Gedanken mit euch teilen, die mir wichtig erscheinen.

Ja die NSA-Affäre ist unermesslich groß und sie war geheim – das ist was Geheimdienste tun, weshalb auch die Datenschutz-Debatte nicht ganz passt. Hätten Sie es sein gelassen, mit einem, besseren Datenschutz und einer Kontrolle? Eher nicht. Paranoide Staaten bzw. die entsprechenden Politiker und die Geheimdienste bilden ein solches Verhalten von ganz allein heraus, das liegt in der Natur der Sache. Und dazu brauchen wir nicht einmal die NSA, wie die Lauschaffäre in Sachsen zeigt – welche von dem Journalisten Andre Meister bei Netzpolitik ausgiebig dokumentiert wurde (mehr dazu findet ihr bei netzpolitik.org).

Gut war die NSA Affäre um die Diskussion von Überwachung einmal weg von Videokameras und Facebook zu bekommen – aber doch wieder hin zum Big Brother – eine Figur, die nicht ganz zutreffend ist. Und endlich regt sich ein gesammelter intellektueller Widerstand, der sich gegen die Massenüberwachung zu Wehr setzt. Zunächst waren es 32 Autoren, die mehr Transparenz anmahnten. Dann wehrten sich die Intellektuellen weltweit gegen mass surveillance. Ich selbst habe eine Erklärung der academics against mass surveillance unterzeichnet, deren Webseite noch nicht online ist (ich hoffe, das war nicht nur ein Hoax!). Warum aber nur gegen mass surveillance – warum nicht generell gegen überflüssige Kontrollen, Überwachungen und Bevormundungen durch Firmen oder den Staat? Die Erklärungen lesen sich dabei ein wenig anglo-amerikanisch, wenn von meinem Eigentum an Daten gesprochen wird, etwas dass das deutsche Datenschutzgesetz so gar nicht vorsieht und ganz andere kulturelle Unterschiede offenbart, die hier zugrunde liegen.

Bereits im August haben deutsche Wissenschaftler die Berliner Erklärung für Demokratie in der digitalen Welt veröffentlicht – etwas langatmiger, aber durchaus klug. Welche Auswirkungen die Überwachung auf die Individuen tatsächlich hat, ist dabei eine beliegte Frage von Journalisten – das allerdings ist die schwierigste, gerade wenn es um die Massenüberwachung à la NSA geht, die zunächst konsequenzlos bleibt und weitgehend “geruchslos” in der Anwendung ist. Denken Menschen tatsächlich ständig daran überwacht zu werden? Ich habe da meine Zweifel und glaube, dass Gesellschaft und Leben allgemein komplizierter und vielschichtiger ist als das.

Es gibt aber eine Untersuchung des amerikanischen PEN-Zentrum zu den chilling effects der Überwachung, die mit interessanten Ergebnissen aufwartet. Ob sie so auch unwidersprochen haltbar ist, glaube ich nicht. Aber immerhin ein Anfang. Dass es Auswirkungen geben kann ist unwidersprochen, aber ob die spür-und messbar auf individueller Ebene sind, da habe ich Zweifel. Es gibt aber andere Ansätze wie diesen Aufsatz, der im Int. Journal of Crime, Law and Justice erschienen ist – The social consequences of a mass surveillance measure: What happens when we become the ‘others’? von Marie-Helen Maras. (Über ein Uni gibt es den vielleicht auch für umsonst – ein ganz anderes Thema von Kontrolle….. )

Was mir fehlt ist eine Diskussion jenseits des Datenschutzes. Was ist mit der Bevormundung durch den Staat im Kleinen wie großen? Im Alltag von Arbeitslosen hat das reale Konsequenzen, die mit Datenschutz nicht viel zu tun haben, sondern einer anderen Logik folgen. Warum kann mir ein Hersteller von Unterhaltungselektronik verbieten erotische Literatur runterzuladen? Weil Apple, Google & Co eben mehr sind als nur Serviceanbieter, sondern alles kontrollieren, standardisieren und dabei missionieren wollen. Schön verpackt, die Optionen vorausgewählt, bestimmte Dinge abgeschafft findet auch so eine Überwachung und Kontrolle der Bürger und Konsumenten statt, die sich nicht länger frei entscheiden können. Und hier ist wieder jede Menge an Forschungsbedarf vorhanden. Ähnliches gilt, wenn wir uns theoretisch über Überwachung unterhalten wollen – auch gern akademisch. Denn hier gibt es durchaus Unterschiede zu den Aktivisten (deren Arbeit ich sehr schätze) und zum Vulgärverständnis des Phänomens, so dass hier eine Debatte nicht abreissen wird.

Die NSA wird 2014 auch weiterhin ein Thema bleiben, so wie Geheimdienste ganz allgemein. Mehr Verständigung, mehr Forschung und öffentliche Debatten darüber können helfen, andere Aspekte in den Vordergrund zu stellen – es liegt auch an den Wissenschaftlern dieses zu tun, denn es gibt eine Menge interessanter Dinge zu berichten und somit auch für die Berichterstattung.

Ein frohes und freies Jahr 2014.

 

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