Nachtrag: Angriff auf die Freiheit

Ein Nachtrag zu diesem Posting. Inzwischen konnte ich das Buch Angriff auf die Freiheit selbst in Augenschein nehmen. Die gute Nachricht: Trojanow/Zeh polemisieren um einiges differenzierter, sachkundiger und erträglicher als Wolfang Sofsky, dessen “Verteidigung des Privaten” auf eine (wirtschafts-)liberale Verteidigung des Privateigentums und prinzipielle Staatskritik hinausläuft.

Bei Sofsky war der Staat ein datenfressendes, herschaftssüchtiges Monster und die Bürger im großen und Ganzen willige “Untertanen”, die es sich längst im “Gefüge der Unfreiheit” bequem gemacht haben, was den Ruhm des gegen den Trend einsam Mahnenden natürlich entsprechend erhöht. Bei Trojanow/Zeh sind die Bürger nur getäuscht oder unwissend, und also besteht noch Hoffnung, wenn man sie nur scharf genug wachrüttelt.

Den Autoren ist unbedingt beizupflichten in ihrer Erinnerung daran, dass unsere Freiheit etwas ist, das die Generationen vor uns mühsam erkämpft haben und keineswegs etwas, das uns quasi unverlierbar zugehört. Unbedingt bedenkenswert ist auch ihre Diagnose, dass der Terrorismus, um wirksam zu werden, unsere Mithilfe benötigt, dass nicht er die Macht besitzt, unsere Wertsesysteme zu zerschlagen, sondern nur wir selbst. Und ihre Darlegung, dass der reaktionäre und antidemokratische “Staatsrechtler” Otto Depenheuer mit seiner Forderung nach einem “Bürgeropfer” deutliche Parallelen zum Selbstverständnis islamistischer Fanatiker aufweist, gehört Wolfgang Schäuble dringend beim Frühstück ins Müsli gerührt.
Trotzdem: Trojanow/Zeh folgen in ihrer Argumentation einer einseitigen Schwarz/Weiß-Rhetorik, die ich für bedenklich halte. Ich finde es bspw. erstaunlich, wie wenig die Autoren den Umstand diskutieren, dass ihre Argumentation sich an die selbe, absolut gesetzte Differenz von “wir/die” anlehnt, die sie den Sicherheitspolitikern völlig zu Recht vorwerfen. Sie arbeiten ebenso mit den Mitteln der Ãœberspitzung und des Alarmismus, wie Schäuble & Co. Differenzierungen sind nicht vorgesehen, “der” Staat ist ein monolithisches Gebilde, das bei all dem gezielt und rational vorgeht. Eine Hermeneutik des Verdachts bringt uns in der Analyse jedoch nicht weiter.
Abgesehen davon weist ihre Analyse deutliche Defizite auf. Von kommerzieller Ãœberwachung ist kaum die Rede. Auf das Recht und das BVerfG, worin Trojanow/Zeh große Hoffnung legen, ist gerade kein Verlass. Für ausführliche Argumente dazu siehe den Kontrollverluste-Band. Und generell sollte eine Diagnose der gegenwärtigen Ãœberwachung sich nicht an Institutionen, technischen Apparaten oder Gesetzen abarbeiten, sondern versuchen, das Feld als Dispositiv zu beschreiben, als Ensemble aus Diskursen, Institutionen, Aussagen, Wissensformationen usw. Also als etwas, das nicht “die” von “uns” trennt, sondern an dem wir alle teil haben und das unsere Positionen dabei festschreibt. Das ist mühselig und schwerer zu erläutern  (und kann bei Ungenauigkeit ebenso in die Irre führen), ist m.E. aber unumgänglich. – Bleibt die alte Frage: Wie simpel muss argumentieren, um es “dem” Leser, “der” Leserin zu erklären, wie genau und folglich komplex darf man sein?

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